Die vier Fundamente für die Windräder auf dem Dach des Howoge-Hochhauses an der Frankfurter Allee 218 in Berlin sind gegossen. Noch gibt es keine Baugenehmigung und keine Firma, die die geplanten vier Windräder – jedes 25 Meter hoch – auf das 65 Meter hohe Wohnhochhaus stellt. Das zukünftige Windrad-Hochhaus ist das Pilotprojekt des Senats für Tausende Windenergieanlagen (WEA), die in den kommenden Jahren auf möglichst viele Dächer geschraubt werden sollen.
Das Vorbildprojekt in LIchtenberg soll nach Berechnungen der Howoge-Ingenieure jährlich 120.000 Kilowattstunden Ökostrom erzeugen, die im Idealfall 25 Prozent des Energiebedarfs der 394 Wohnungen decken. Die Mieter können den Dachstrom kaufen und einen Stromvertrag mit der Howoge abschließen. „Der Preis liegt mit aktuell 35 Cent pro Kilowattstunde weit unter dem Marktpreis“, sagt Howoge-Sprecherin Annemarie Rosenfeld.

Windenergieanlagen auf Dächern müssen genehmigt werden

Um den Ausbau von Windrädern auf Dächern zu beschleunigen, hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen eine siebenseitige Broschüre herausgegeben, die Bauherren bei der Windradplanung helfen soll. Darin wird erklärt, was bau- oder genehmigungsrechtlich alles zu beachten ist. Denn Windenergieanlagen auf Dächern müssen genehmigt werden, vor allem um den Flughafen BER. Bei Vorhaben ab einer Höhe von 100 Metern über der Erdoberfläche muss die Oberste Luftfahrt- und Luftsicherheitsbehörde zustimmen.
Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) will „Berlin zur Windenergie-Metropole Deutschlands machen“. Wie sein Sprecher Martin Pallgen sagt, sollen Windräder nicht nur auf Hochhäusern, sondern „auf allen Gebäudehöhen“ möglich sein. Eine Windradpflicht für Neubauten analog der Solarpflicht auf Dächern bei Neubauten „ist nicht geplant“, so Pallgen.
Die vier Fundamente für die Windräder auf dem Dach des Howoge-Hochhauses an der Frankfurter Allee 218 sind gegossen.
Die vier Fundamente für die Windräder auf dem Dach des Howoge-Hochhauses an der Frankfurter Allee 218 sind gegossen.
© Foto: Harry Schnitger/Howoge

Nur wenige Möglichkeiten in der Stadt, ein Windrad aufzustellen

Die Windradoffensive auf Dächern hat vor allem damit zu tun, dass Berlin als Stadtstaat weniger Möglichkeiten hat, massenhaft riesige Windräder aufzustellen. Laut dem Anfang Februar bundesweit in Kraft getretenen Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) muss das Land Berlin in fünf Jahren 0,25 Prozent und 0,5 Prozent bis Ende 2032 der Landesfläche für den Ausbau von Windenergie ausweisen. Berlin hat das Gesetz im Bundesrat unterstützt und wie Geisel sagt „gleichzeitig angeregt, dass es für Stadtstaaten sinnvoll ist, die verlangte Leistung auch auf anderem Wege – zum Beispiel durch die Errichtung von Windenergieanlagen auf Dächern – zu erbringen“.
Pro Windrad, die heute meist über 200 Meter hoch sind, braucht man einen Hektar Land. Das wären bei den für Berlin in zehn Jahren geforderten 0,5 Prozent Ausbaufläche 450 Hektar. Ein Areal so groß wie das frühere Flughafengelände Tegel. Zum Vergleich: In Berlin drehen sich heute gerade mal sechs Windräder am östlichen Stadtrand in Pankow. Im Flächenland Brandenburg waren 2022 insgesamt 3.992 riesige Windräder installiert.
So könnte der Blick auf das Hochhaus in Lichtenberg mit Windrädern auf dem Dach aussehen.
So könnte der Blick auf das Hochhaus in Lichtenberg mit Windrädern auf dem Dach aussehen.
© Foto: Howoge/BE Berlin GmbH
Um große Windräder zu errichten, müssen viele Voraussetzungen erfüllt werden, wie zum Beispiel ausreichende Abstände zu Wohnbebauungen, Schall- und Lärmgutachten, Auswirkungen auf Flora und Fauna und vieles mehr. Die Senatswirtschaftsverwaltung hat deshalb Ende letzten Jahres eine Potenzialanalyse in Auftrag gegeben, um mögliche Flächen für Windräder – in Waldgebieten zum Beispiel – zu identifizieren. Die Studie wird vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik zusammen mit Bosch & Partner GmbH durchgeführt, die bereits die Windpotenzialstudie für das Bundeswirtschaftsministerium erarbeitet haben.

Größeres Potenzial in der Solarenergie

Wie Wirtschaftssenator Stephan Schwarz sagt, sollen die Ergebnisse im Sommer vorliegen und zeigen, welche Standorte sich in Berlin für die Nutzung durch Groß-Windenergieanlagen erschließen lassen. „Dabei müssen wir natürlich ökonomische, ökologische und andere öffentliche Belange zusammen betrachten“, sagt Schwarz. Um Berlin klimaneutral zu machen, brauche es „ein Mosaik aus verschiedenen Maßnahmen“ und einen Mix von Sonne und Wind über Wasserstoff bis Geothermie. „Unser größtes Potenzial liegt in der Solarenergie, aber wir wollen auch die Windkraftpotenziale besser nutzen“, so der Senator.