Es wird um neue Koalitionen innerhalb der Gemeinschaft gehen, auf deren Stabilität man sich in Krisenzeiten verlassen kann. Die Rolle Polens könnte dadurch wachsen, denn allein aufgrund seiner Einwohnerzahl gehört es künftig zu den mit Abstand fünf größten Ländern der Gemeinschaft.
Der Polen-Besuch von Emmanuel Macron kurz nach dem Brexit könnte dafür ein Signal sein. Denn entgegen aller im Westen zu hörenden Vorwürfe ist Polens Bevölkerung – und selbst die wegen der Justizreform zu Recht kritisierte Regierung – nicht so europafeindlich, wie es oft heißt. Allerdings wünscht man sich ein Europa der Vaterländer, dass mehr von nationalen Traditionen und weniger von Vorschriften aus Brüssel geprägt ist.
Mit solchen Vorstellungen über Europa klarzukommen, dabei Gemeinsamkeiten auszuloten und stärker zu betonen als Unterschiede – das wird die künftige Herausforderung sein. Es geht auch generell um mehr Verständnis für das östliche Europa, dessen Bewohner sich in den vergangenen 30 Jahren von westlichen Demokratie- und Liberalitäts-Vorstellungen häufig überfordert fühlten.
Natürlich heißt das nicht, dass man Grundwerte wie die Unabhängigkeit von Medien und Justiz, oder die Rechte politischer, religiöser oder sexueller Minderheiten preisgeben sollte. Ganz im Gegenteil. Nur das Verständnis und die Geduld, dass es länger als eine Generation braucht, bis sich solche Werte im Bewusstsein von Mehrheiten verankert haben, müssen größer werden. Die EU sollte vielfältiger sein als bisher. Auch als Lehre aus dem Austritt Großbritanniens.