Es war doch absehbar, dass sie sobald es ernst wird infrage gestellt, ja sabotiert wird. Genau das passiert jetzt in Brandenburg. Wenn sich die künftige Koalition unmittelbar vor Toreschluss Kredite über die enorme Summe von einer Milliarde Euro sichert, ist das ein klarer Verstoß gegen den Geist dieser im Grundgesetz verankerten Regelung.
Es war bezeichnend, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke am Dienstag bereits in der Vergangenheitsform über die Bedeutung der Schuldenbremse sprach. Auch wenn er sich sogleich korrigierte, lässt der Versprecher vermuten, dass Woidke nicht viel vom Verbot neuer Schulden hält. Die Interpretation der Schuldenbremse durch CDU-Verhandlungsführer Michael Stübgen ist ebenfalls problematisch. Ziel sei, die öffentliche Hand grundsätzlich zu mehr Haushaltsdisziplin zu erziehen, sagte er. Nein, es geht um das Verbot neuer Schulden. Punkt. Bei so viel Umdeutung klarer Regeln wollte Ursula Nonnemacher von den Grünen nicht hintenanstehen. Sie beteuerte mit Blick auf den Milliardenkredit, dass sie die Schuldenbremse "trotzdem positiv" sehe.
Was die Koalitionäre mit dem Geld vorhaben, klingt erst mal gut. An zielgerichteten Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung gibt es nichts auszusetzen. Aber fehlt es im Land wirklich an Geld, um wichtige Projekte voranzubringen oder eher an guten Ideen und schneller Planung? Und an Baufirmen und Handwerkern, die Kapazitäten für die zügige Erledigung von Aufträgen haben?
Dass die per Kredit angestrebten Investitionen den Zusammenhalt im Land fördern und Berliner Zuzügler auch in fernere Regionen Brandenburgs locken, so wie die Koalitionäre sich das wünschen, klingt ebenfalls zu schön um wahr zu sein. Tatsächlich besteht eher die Gefahr, das neue Neiddebatten heraufbeschworen werden. Der Streit um die Lausitz-Milliarden lehrt, dass auch künftig alle mit Argusaugen darauf achten werden, ob ihre Region ja genug vom Kuchen abbekommt. Fühlt sich ein Landkreis benachteiligt, ist ein Aufschrei programmiert. Zu verhindern wäre das mit dem Gießkannenprinzip. Allerdings mit der Folge, dass wohl auch Projekte mit fragwürdigem Kosten-Nutzen-Verhältnis den Zuschlag erhalten. Wie sie dieses Dilemma umgehen wollen, sagten die Chefs der drei Parteien nicht. Ihr Auftritt vermittelte den Eindruck, als bräuchten sie das zusätzliche Geld vor allem als Kitt für die schwierige Verbindung ziemlich ungleicher Koalitionspartner.
Besonders bitter ist die eilig ersonnene und vom Landesrechnungshof umgehend kritisierte Neuverschuldung für den scheidenden Finanzminister Christian Görke von der Linkspartei. Er hat sich redlich und erfolgreich um Haushaltsdisziplin bemüht, obwohl das Sparen eher nicht linker Parteiprogrammatik entspricht. Seine Nachfolger von CDU und Grünen, die in der Opposition stets Sparsamkeit predigten, präsentieren nun ein anderes Gesicht. Görke zeigte sich über diese Entwicklung verständlicherweise "einigermaßen fassungslos".