Die langbeinige Verkäuferin mit schwarzer Wallemähne verpasste ihm gleich seinen Spitznamen. "Na Bubi, was willst du schon wieder hier?", habe sie ihn augenzwinkernd jedes Mal begrüßt, erinnert sich Wolfgang "Bubi" Heilemann. Und aus dem "Bubi" ist etwas geworden.
Jimi Hendrix, John Lennon, Mick Jagger – er hatte sie alle in den Sechzigern und Siebzigern vor der Linse, fotografierte über 250 Titelbilder bzw. Starschnitte für die Bravo. Das Schweden-Quartett Abba begleitete er fast zehn Jahre auf Schritt und Tritt, gilt als "der" Experte. Heute ist er für das Musical "Mamma Mia" aus Bayern nach Berlin gereist. Im Spiegelsaal des Theater des Westens berichtet er von den alten Zeiten, während im Hintergrund Abba-Hits aus dem Bühnenraum schallen.
"Von Kindesbeinen an habe ich mit Kameras hantiert", so der 77-Jährige. Im Fotofachgeschäft seines Vaters ging er in die Lehre, besuchte gleichzeitig eine Fotoschule. Weihnachtssterne auf dem Markt und hübsche Mädchen habe er geknipst. Chris Barber sei sein erstes Musiker-Porträt gewesen, noch in seiner Heimatstadt Hannover, erzählt Heilemann und intoniert plötzlich lauthals den passenden Hit: "I Scream, You Scream, Everybody Loves Icecream".
In München machte er erste Erfahrungen als Redakteur, landete schließlich bei der Jugendzeitschrift Bravo, die man damals an jedem Kiosk der Welt erstehen konnte. "Mein ganzes Leben in Sachen Karriere war immer Zufall. Manche haben es so formuliert: Der Tüchtige, der schafft das – irgendwie."
Heilemann wusste stets, wer bei den Jugendlichen hoch im Kurs stand. Als "cleveres Bürschchen" hing er permanent am Telefon, fragte bei Promotern nach und ergatterte so Fotodates mit den Großen der Szene. Manche traf er, bevor sie den Aufstieg schafften. Eine seiner Fotojuwelen ist eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von Jimi Hendrix. "Ihn kannte niemand, die Plattenfirma hat mich nach Hamburg geholt."
Bei ihrem legendären "Waterloo"-Auftritt 1974 beim Grand Prix Eurovision de la Chanson in Brighton lernte er Abba kennen. "Die Beatles, Romy Schneider, Rod Stewart – das sind Menschen, denen ich begegnet bin – aber Abba war besonders." Alles habe er fotografisch anstellen dürfen, die beiden Sängerinnen im Bett oder die Vier mit Silberfolie umwickelt (siehe Foto). "Wenn jemand bereits ein Star war, war es schwierig. Wenn ich jemanden von Anfang an kannte, so wie bei Abba, hat sich daraus oft eine Freundschaft entwickelt."
Eine echte Familienzusammenführung gab es mit Hilfe der Bravo. Fridas Vater, ein deutscher Soldat, galt zum Ende des Zweiten Weltkriegs fälschlicherweise als tot. Bewegend sei es gewesen, als man sie und ihn, einen Konditormeister aus Karlsruhe, vereint habe. "Kann man privater mit jemandem sein? Es war unglaublich." An dem umgedrehten "B" sei er ebenfalls "schuld". Versehentlich habe Benny das B bei einer Session auf den Kopf gestellt, Heilemann musste die Aufnahmen wiederholen. Später haben sich die Skandinavier den Fauxpas zu Eigen gemacht.
Auf Du und Du war er mit vielen Stars. Liebevoll nennt er Mick Jagger "Mickey Mousie". An seinem Küchentisch habe der Sänger gesessen und Cognac aus einem Römer getrunken. Den habe er nie abgewaschen. So ein richtig wilder Rocker sei Jagger nie gewesen. Mit Schlips und Kragen sei er beispielsweise zu einem Starschnitt-Fotoshoot aufgetaucht. Zu bieder, zu langweilig, fand Heilemann und tauschte mit ihm kurzerhand das Outfit.
Was ihn als Fotograf so erfolgreich gemacht hat? Während seine Kollegen nur mit Kamera und Blitzgerät erschienen, sei er mit drei Lastkraftwagen angerollt – mit Leinwänden, zig Requisiten und einem Buffet inklusive gekühltem Champagner im Gepäck. "Das war wie eine Fernsehproduktion mit allem Pipapo. Da haben sich alle verwundert die Augen gerieben." Ein John Lennon hätte allzu gern etwas von den Leckereien stibitzt, doch darüber sei Yoko alles andere als glücklich gewesen. "We only eat brown rice" –"Wir essen nur braunen Reis", so ihr Kommentar. Entstanden ist aus der gemeinsamen Session das berühmte Tauben-Foto der beiden vor weißem Hintergrund. Einen seiner Helden hat er verpasst. "Elvis wäre der Hammer gewesen, der Termin in Graceland stand fest." Aretha Franklin sei jedoch zuvor in New York "zu zickig" am Set gewesen, das Treffen fiel ins Wasser. "Das Flugticket habe ich noch immer", meint er wehmütig.
Sein schweres Equipment hat Heilemann dieser Tage gegen eine kleine Canon getauscht. "Ich habe mein Leben lang schwere Silberkoffer geschleppt." Lieblingsmotive sind jetzt seine Frau und der Hund. In Oberbayern genießt Heilemann seinen Ruhestand. "Ich liebe es, mein Leben ist herrlich."
"Mamma Mia", Theater des Westens, bis 19. April, Tickets unter www.stage-entertainment.de oder Tel. 01805 4444