Frau Kramer, Sie waren in der Jury des Kunstpreises. Was hat sich verändert – bei den Themen und bei der Auswahl?
Ich bin sehr glücklich darüber, dass es immer auch neue Künstler gibt, die wir entdecken können.  Man sieht in diesem Jahr auch besonders gut, dass die Künstlerinnen und Künstler durch diese Region hier inspiriert werden, zum Beispiel an der Zunahme der Sujets, die den Begriff Heimat reflektieren.  Die enge Beziehung zu diesem Landstrich merkt man vielen Arbeiten an.
Also würden Sie sagen, der Kunstpreis steht nach wie vor gut da?
Wir sind ja im 17. Jahr. Ich habe viele Preise erlebt, die am Anfang gigantisch gestartet und nach zehn Jahren abgeebbt sind. Das ist hier nicht der Fall. Umso bedauer­licher finde ich natürlich, dass wir in diesem Jahr nicht wie sonst ein großes Künstlerfest feiern können. Der Austausch der Künstler untereinander: das finde ich fast das Wichtigste an diesem Ereignis.
Was hat die diesjährige Situation unter Corona-Bedingungen an Erkenntnis gebracht?
Wir haben uns alle in eine digitale Welt hineinkatapultiert, aber wir haben auch viele Lernschlaufen gezogen. Dazu gehört die Erkenntnis: Der digitale Raum allein funktioniert nicht, es braucht immer wieder die Begegnung mit Menschen und ihrer Arbeit, in der Bildenden Kunst genauso wie in allen anderen Sparten. Ich gehe sehr gern ins Kino. Und da wäre es für mich kein Ersatz, mir nächtelang zuhause auf dem Sofa Serien reinzuziehen, denn das kollektive Erlebnis vor der großen Leinwand ist unersetzlich. Das erlebe ich in Neuhardenberg immer wieder: Wenn ich in der Schinkel-Kirche sitze und das Publikum beobachte, gehört es zu den berührendsten Momenten, wenn ich merke, wie der Funke überspringt.
Das wird jetzt in diesem Jahr, gerade in kleineren Räumen, nach wie vor nicht möglich sein. Sie sind stattdessen für den Sommer jetzt "ins Freie" gegangen – war das eine schwierige Entscheidung?
Man muss ja der Ehrlichkeit halber auch sagen, dass die Kultur zunächst ziemlich hintanstand – es hat bis Mitte Mai gedauert, bis sich überhaupt abzeichnete, was in diesem Sommer noch möglich sein könnte. Da ist dann schnell die Idee entstanden, mit einem neuen Programm "Ins Freie" zu gehen, weil wir uns darauf besonnen haben, was unser Selbstverständnis wesentlich prägt: Das ist das Zusammenspiel aus Kultur und Natur, bei dem der Park in unserem Programm immer eine ganz eigene Rolle spielt. Danach war es nicht mehr schwer, das kleine Programm für den Park zu konzipieren, und die Künstler waren auch sofort dabei. Auch wenn wir aus Vorsicht den Einlass auf 200 Personen beschränkt haben, so dass einige Programmpunkte sehr schnell ausverkauft waren. Aber wir haben bewusst an unserer Preispolitik festgehalten, auch im Blick auf unser treues Publikum hier vor Ort.
Wie weit im Voraus können Sie denn überhaupt planen?
Die wirklich schwierige Zeit wird der Herbst werden. Wir müssen uns schon Gedanken machen, ob wir Formate halbieren oder wiederholen. Und wir müssen immer Plan A, B und C haben. Wir haben noch ein Großereignis vor uns, das Konzert mit Element of Crime am 10. September. Da haben wir den Kartenverkauf angehalten – um die Begrenzung auf 1000 Personen nicht zu überschreiten, die gerade bis Ende Oktober verlängert wurde. Hier sind wir im Abstimmungsprozess mit den Behörden. Was aber klar ist: Es bedeutet bei viel weniger Plätzen einen erheblich größeren technischen und personellen Aufwand, um über die gesamte Zeit die Einhaltung der Abstandsregeln zu gewährleisten. Profitabel ist das natürlich alles nicht – was viele Veranstalter veranlasst hat, anders als wir auf diese Situation zu reagieren.
Wie sieht es denn finanziell aus – wer ersetzt Ihnen Ihre Verluste? Profitieren Sie von den Programmen der Landesregierung?
Wir sind keine gemeinnützige Institution und fallen daher raus. Das Einzige, was für uns greifen könnte, wäre die Unterstützung der Kulturstaatsministerin für die Aufrüstung von Räumlichkeiten, glücklicherweise sind wir da sogar ganz gut aufgestellt. Wir sind dankbar, dass die deutschen Sparkassen das hier schultern, aber wir sind eine GmbH und müssen im Verbund zwischen Hotel, Gastronomie und Veranstaltungen auch etwas erwirtschaften. Auch abgesagte Veranstaltungen kosten Geld, bringen aber keine Einnahmen.
Wie viel mussten Sie denn absagen und wie viel konnten Sie retten von Ihrem Programm?
Wir konnten in diesem Jahr noch keine einzige der vorgesehenen Veranstaltungen durchführen. Aber was möglich war, haben wir auf den Herbst verschoben oder in andere Formate überführt. Etwa ein Viertel mussten wir ganz absagen. Das waren vor allem die großen, publikumsträchtigen Ereignisse wie die Neuhardenberg-Nacht. Aber natürlich planen wir weiter – es gibt zum Beispiel Gespräche mit der Villa Massimo, auch einmal etwas hier in Neuhardenberg zu machen. Und im Jahr 2022 hat die Stiftung ihr 20-jähriges Jubiläum, auch dafür denken wir jetzt schon über einige Dinge nach.
Wollen Sie denn, Stichwort 20. Jubiläum, grundsätzlich programmatisch etwas ändern für die Zukunft?
Behalten wollen wir auf jeden Fall die Bandbreite, die wir bieten. Was nicht mehr geht, sind große Theaterproduk­tionen, das ist finanziell nicht mehr zu leisten. Ich wünsche mir schon, dass wir noch stärker mit dem Charakter des Ortes arbeiten, gerade im Bereich der Bildenden Kunst. Und ich wünsche mir mehr Angebote für eine jüngere Generation, wie wir es jetzt mit dem Schauspielhaus Düsseldorf angefangen hatten – diese Produk­tion musste in diesem Jahr leider ausfallen. Im Musikbereich machen wir das schon. Das bietet der Ort einfach an. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass hier in dieser Region die Hochkultur ihren Platz hat. Wir haben schließlich ein anspruchsvolles Publikum hier.
Viele Künstler haben ja in dieser Corona-Krise gesagt, dass es nie wieder so werden wird wie zuvor, mit den ganzen Tourneen, Konzertreisen, Kunst-Jetset etc. Sehen Sie das auch so, und ist das ein Problem für Ihr Programm?
Das betrifft natürlich die internationalen Festivals viel mehr, und dort wird man in der Tat eine Veränderung spüren. In gewissem Maße betrifft es auch uns. Nächstes Jahr wird Herbie Hancock 80, da ist bislang eine Tour geplant, auf der wir gern eine Station wären. Niemand weiß heute, ob das stattfinden wird. Ich bin sehr gespannt, wie Künstler wie Jan Vogler diesen Prozess bewerten, der am Sonntag zu seinem Beethoven-Workshop bei uns anreist. Aber es hat natürlich für uns auch Vorteile: Es gibt eine neue Hinwendung zur eigenen Region, weil die Menschen weniger Fernreisen machen. Und ich kann Ihnen versichern: Bei uns ist es auch sehr schön!

"Ins Freie" – Sommer in Neuhardenberg

An vier Wochenenden im August lädt die Stiftung Schloss Neuhardenberg zu Veranstaltungen in den Park. Das Programm startet am 1. August mit Jan Vogler, Martin Stadtfeld und den Teilnehmern ihres Meisterschüler-­Workshops (17 und 19.30 Uhr). Am 2. August gibt es Pop der Berliner Band "Dota". Weitere Highlights sind der Auftritt von Ulla Meinecke (8.8.) sowie Trompeter Till Brönner (16.8.). Es gibt Lesungen von Tucholskys "Rheinsberg" (23.8.), Freiluft-Kino von Philipp Stölzl (21.8., "Ich war noch niemals in New York"). Am 16. August spricht Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller mit Ex-Berlinale-­Chef Dieter Kosslick und Gesine Jochems über Gärten als Sehnsuchtsorte. Am 23.8. klingt das Programm mit Pianistin Ragna Schirmer aus. Viele Veranstaltungen sind bereits ausverkauft. red

Programm und Tickets: schlossneuhardenberg.de , Tel. 033476 600750