Thilo Krause, 1977 in Dresden geboren und bislang mit einigen Gedichtbänden hervorgetreten, erzählt in seinem ersten Roman "Elbwärts" vom Versuch, eine Heimat wiederzufinden. Eine Heimat dort, wo inzwischen die "Glatzen" ihre Camps im Wald abhalten und Felswände mit Hakenkreuzen und anderen Symbolen beschmieren, wo die Einheimischen seltsam feindselig reagieren, und auch Vito in seiner Werkstatt Landser-Hefte liegen hat. Am Ende geht alles, auch die Stadt-die-keine-ist, in der unschwer Bad Schandau erkennbar ist, in der Elbflut unter, und der Erzähler verlässt sein Kindheitsparadies ein zweites Mal.
Es ist eher ein Heimatverlust als ein Heimatfinden, von dem Thilo Krause erzählt, und ein Selbstverlust. Eindrücklich schildert der Autor, der selbst seit zwanzig Jahren in der Schweiz lebt, das Fremdheitsgefühl, das die beiden Protagonisten verbindet, als sie sich fern der Heimat kennenlernen, und wie sie tagelang über Land fahren, immer auf der Suche nach "Apfelbäumen und Himmel, auf der Suche nach einem losen Ende, das aus unserem alten Leben baumelte". Und wie es sich anfühlt, als müssten sie "eine gewisse Zeit absitzen, dass wir sie ertragen müssten, so wie man vielleicht die Schule erträgt." Ein Leben im Wartestand, leicht betäubt und wie gelähmt vor unbestimmter Traurigkeit.
Die Erzählung mäandert, springt zeitlich vor und zurück, in Erinnerungsfetzen, die wie Assoziationen funktionieren und einen starken Sog, aber auch leichten Schwindel erzeugen. Dass Rückkehr nicht möglich ist, macht der Roman fast körperlich spürbar. Wie gelähmt sitzt der Erzähler tagelang in seinem halbrenovierten Haus, geht die alten Strecken in den Bergen ab, bringt die Tochter zum Kindergarten und entfernt sich in Gedanken immer weiter von seiner vernünftigen Frau, die als Physiotherapeutin in der Stadt arbeitet und nicht versteht, was ihn so lähmt. Immer tiefer taucht er in die Vergangenheit ab, in die Ausflüge mit Vito, den Unfall, den Versuch, danach ein Leben und die Freundschaft weiterzuführen. Das Unvermögen, über seine Erinnerungen zu sprechen, vergiftet auch die Gegenwart.
Es ist ein unbequemes Buch, eines, das auch seinen Protagonisten nicht schont, der sein Anderssein kultiviert und sich wenig Mühe gibt, in der Gemeinschaft anzukommen, der seine Vorurteile gegen "Batikfrauen" und "Schiebermützen" pflegt und mit dem unterschwelligen Ressentiment durch die Welt geht, dass ihm etwas genommen wurde, das ihm gehörte: "Das ist mein Fels".
Um im Bild der Bergsteiger zu bleiben: Thilo Krause bewegt sich ohne sicherndes Seil über die Abgründe, die der Heimatbegriff speziell im malerischen Umfeld der Sächsischen Schweiz bereithält. Feindseligkeit, Alkohol, ein diffuses Misstrauen gegen die tschechischen Nachbarn kulminieren mit dem Hochwasser in einer pogromartigen Stimmung, die sich schließlich auch gegen den Erzähler richtet. Am Ende bleibt das bittere Fazit: "Auch hier oben alles zerstört, selbst dort, wo das Wasser nicht war."

Robert-Walser-Preis für Erstlingswerke in Prosa

Für seinen Roman ist Thilo Krause mit dem Robert-Walser-Preis 2020 ausgezeichnet worden. In der Jurybegründung heißt es: "In Bildern von großer dichterischer Intensität gelingt es Krause, das Eintauchen-Wollen in eine unwiederbringlich verlorene, nicht mehr zu berichtigende Vergangenheit sinnlich fassbar zu machen." tim