Es ist kurz nach acht Uhr abends. Von der Bühne tönen tiefe Tuben über den August-Bebel-Platz: Richard Wagner ist tot. Mitten in der Komposition des zweiten Satzes von Anton Bruckners berühmter Siebter Sinfonie soll der Komponist von der Todesnachricht seines Idols erfahren haben und ihn dementsprechend im Werk gewürdigt haben. Die Wagner-Tuben, ein extra für die „Götterdämmerung“ gebautes Instrument, schließen mit einem feierlichen cis-Moll, dann brandet der Applaus von mehreren tausend Menschen auf.
Es ist ein sorgfältig zusammengesetztes Programm, das am zweiten Open-Air-Tag der „Staatsoper für Alle“ zur Aufführung kommt. Bruckners Siebte, ein Jahrhundertwerk, das damals den Durchbruch für den österreichischen Komponisten bedeutete, der Zeit seines Lebens unter dem Gefühl litt, maximal ein brauchbarer Kirchenmusiker als ein großer Komponist zu sein, wird mit allen vier Sätzen aufgeführt.

Eröffnung mit „Rienzi“-Ouvertüre

Eröffnet hat das Orchester der Staatsoper unter der Leitung ihres Ehrendirigenten Zubin Mehta mit der Ouvertüre zu „Rienzi“, der erste Erfolg des jungen Komponisten Richard Wagner, ehe er sich von Dresden aus auf eine Flucht durch halb Europa vor seinen Gläubigern machte und später seinen Weltschmerz in seinem dystopischen Lebenswerk, dem „Ring des Nibelungen“ verarbeitete.
Trailer der Staatsoper zum Klassik-Open Air-Event
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Davon ist dem Frühwerk des Komponisten noch nicht wirklich etwas zu hören. Die Eröffnung ist schmissig, erinnert ein wenig an die Melodieführung im später komponierten „Tannhäuser“. Wagner hatte sich hier noch voll und ganz der französischen Grand opéra verschrieben. Dass nun der „Rienzi“, auch bekannt als Lieblingsoper Adolf Hitlers, hier zur Aufführung kommt, an dem Ort, an dem die Nationalsozialisten vor gerade mal 90 Jahren ihnen unliebsame Literatur auf den Scheiterhaufen warfen, ist schon eine Notiz wert – noch schöner wäre es, hätte man auf diesen Umstand auch im Programmheft aufmerksam gemacht. Doch die Erinnerungskultur in Deutschland ist leider auch nicht mehr, was sie mal war. Dies konnte man kürzlich auch wenige Meter weiter beobachten, als das neue Stadtquartier am Tacheles mit großem Tamtam eröffnet wurde, um in seiner Galerie zur Geschichte des Areals die Nationalsozialisten vollumfänglich auszusparen.
Die Schirmherrschaft trägt der Regierende Bürgermeister. Doch Kai Wegner lässt sich von seinem Kultursenator Joe Cialo vertreten, der vor Beginn des Konzertes stolz berichtet, am Tag zuvor bei „Rave The Planet“ mitgetanzt zu haben.