Der Koalitionsvertrag ist unterzeichnet: Heute, am Dienstag, 07.12.2021, setzten SPD, Grüne und FDP ihre Kürzel unter dem gemeinsamen Koalitionsvertrag für die kommende Legislaturperiode. Morgen soll SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Dann wird die Arbeit der neuen Regierung in Berlin nach der Ära Merkel losgehen.
Auf der Agenda der „Ampel-Koalition“ findet man auch die Legalisierung von Cannabis. Ob der Verkauf von Cannabis legal werden soll, wird in Deutschland schon seit einiger Zeit diskutiert. Viele Stimmen aus der Bevölkerung halten eine Legalisierung für richtig. Nun haben sich auch die Ampel-Parteien, also SPD, Grüne und FDP, für eine legale Abgabe ausgesprochen.
  • Wo darf Cannabis in Deutschland dann verkauft werden?
  • Was bewirkt die Legalisierung von Gras?
  • Wer kritisiert die Ideen von SPD, Grünen und FDP?

Wird Cannabis jetzt in Deutschland legal? SPD, CDU und FDP Legalisierung

Die seit Jahren umstrittene Legalisierung von Cannabis in Deutschland kommt. "Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein", schreiben SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag. Wann genau die Legalisierung passieren könnte, ist noch unsicher. Der entscheidende Punkt im Koalitionsvertrag sind die lizenzierten Geschäfte. Das heißt, Händler müssen Qualitätsstandards erfüllen und dürfen vor allem auch nur an Erwachsene verkaufen. Zunächst soll die Legalisierung in Deutschland laut Koalitionsvertrag auch nur befristet geschehen.
Die Ampel-Parteien wollen das Gesetz nach vier Jahren auf seine gesellschaftlichen Auswirkungen überprüfen. Flankieren wollen sie die Freigabe mit Modellen zum Drugchecking - das ist die chemische Analyse von Betäubungsmitteln, um insbesondere gesundheitsschädliche Stoffe zu finden. Außerdem sollten Maßnahmen zur Schadensminderung ermöglicht werden.

Pro: Das spricht für den legalen Verkauf von Cannabis und Marihuana in Deutschland

  • Wenn Cannabis in Deutschland legal verkauft werden darf, ist es viel einfacher, die Qualität zu kontrollieren. Außerdem kann so die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet werden.
  • Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach wechselte aus dem Grund, das somit weniger verunreinigtes Cannabis auf den Markt kommt, ins Lager der Legalisierungsbefürworter. In einem Zeitungsinterview verwies er darauf, dass illegal verkauftem Cannabis immer häufiger neuartiges Heroin beigemischt werde, das Cannabis-Konsumenten schnell in eine Abhängigkeit treibe. Dazu hat das Bundeskriminalamt bislang keine Informationen veröffentlicht.
  • Befürworter einer Legalisierung wollen zudem „den Schwarzmarkt für Cannabis austrocknen“. Dort seien Drogen unkontrolliert zugänglich, Kinder und Jugendliche seien ungeschützt.
  • Ein weiteres Argument der Befürworter ist die Entlastung von Polizei und Staatsanwaltschaften. Die Kriminalisierung von Konsumenten und die Verfolgung von Cannabis-Delikten binde Kräfte bei den Ermittlungsbehörden.
  • Freilich spült die Legalisierung von Gras auch viel Geld in die Staatskasse. Die FDP argumentiert, dass durch die Besteuerung von Cannabis bis zu einer Milliarde Euro jährlich eingenommen werden kann. Das zusätzliche Geld soll für Prävention und Suchtbehandlung eingesetzt werden.

Cannabis als Medikament ist schon längst legal – alle Infos

Für medizinische Zwecke ist Cannabis in Deutschland seit 2017 erlaubt und darf von Ärzten und Ärztinnen verschrieben werden, etwa zu Schmerzlinderungen bei Schwerkranken.

Contra: Warum soll Cannabis verboten bleiben?

Gegner einer Legalisierung, darunter die Noch-Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU), verweisen auf die Gefahr von Psychosen und anderen Schäden an Gesundheit und Psyche. Die Reifung des zentralen Nervensystems und des Gehirns ist Experten zufolge mit 20 Jahren noch nicht abgeschlossen. Je früher, häufiger und intensiver Cannabis konsumiert werde, desto größer sei beispielsweise das Risiko gerade für vorbelastete Menschen, an einer Psychose und Schizophrenie zu erkranken.
Daneben berge ein chronischer Cannabiskonsum auch eine größere Wahrscheinlichkeit für körperliche Leiden wie Atemwegserkrankungen und Hodenkrebs.
Neben dem kurzfristig berauschenden Gefühl verringere Cannabis laut Gegnern zudem die Aufmerksamkeit und schränkt die Psychomotorik ein, also die durch psychische Vorgänge beeinflussten Bewegungen wie Gehen und Sprechen. Das Risiko für Arbeits- und Verkehrsunfälle steigt. Jugendliche, die Cannabis nehmen, haben häufiger Schulprobleme und brechen ihre Ausbildung öfter ab.

Landesstelle gegen Suchtgefahren lehnt Cannabis-Legalisierung ab

Die Sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren (SLS) befürwortet die von der künftigen Berliner Ampel-Regierung geplante kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene nicht. Die damit einhergehenden Risiken wären größer als die erhofften Chancen, sagte SLS-Geschäftsstellenleiter Olaf Rilke. Trotz Abgabeverbot an unter 18-Jährige sei zu befürchten, dass aufgrund der breiteren Verfügbarkeit insbesondere bei Kindern und Jugendlichen cannabisbezogene Suchtprobleme zunehmen werden.
„Hier wäre der Gesetzgeber aufgefordert, Präventionsarbeit und Hilfeangebote zu stärken“, sagte Rilke. Doch dieser Aspekt käme bisher in der Diskussion zu kurz. Die mit der Liberalisierung der Drogenpolitik einhergehende Entkriminalisierung von Cannabis sei jedoch zu unterstützen. Statt der derzeit noch strafrechtlichen Verfolgung sogenannter Cannabis-Konsumdelikte wären deshalb andere Modelle hinsichtlich deren ordnungsrechtlicher Bewertung zu diskutieren.

Hanf, Haschisch, Gras und Marihuana – was genau wollen SPD, Grüne und FDP erlauben?

Gras ist Gras, oder? Oder gibt es einen Unterschied zwischen Cannabis, Dope und Weed? Die letzten beiden Begriffe sind englische Bezeichnungen für Cannabis. Gras ist wiederum ein umgangssprachliches Wort. Und sämtliche Stoffe sind Cannabis-Produkte, die aus der Hanf-Pflanze gewonnen werden.
Zwischen Marihuana und Haschisch gibt es einen Unterschied: Marihuana heißen die harzhaltigen Blüten und umliegenden kleinen Blätter der Hanf-Pflanze. Haschisch bezeichnet dagegen das gepresste Harz der Pflanze.
SPD, Grüne und FDP haben bisher lediglich bekanntgegeben, dass sie Cannabis legalisieren wollen. Ob damit auch alle anderen Hanf-Produkte wie Haschisch erlaubt werden, ist aber nicht bekannt.

Cannabis Konsum und Besitz: Diese Gesetze gelten

  • Besitz: Nach dem Betäubungsmittelgesetz ist der Besitz in Deutschland momentan für alle strafbar, die keine Erlaubnis für den Erwerb der Droge haben.
  • Erlaubnis: So eine Erlaubnis gibt es nur in Ausnahmefällen. Ein Arzt etwa kann Cannabis zu medizinischen Zwecken verschreiben. Wer keine Erlaubnis hat, dem droht bei Cannabis-Besitz eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.
  • Konsum: Der Cannabis-Konsum ist dagegen straffrei. Dafür darf der Konsument das Mittel aber weder selbst erworben, noch besessen haben.

Cannabis legal: Das ist in der Schweiz erlaubt

Die Schweiz ist bei der möglichen Legalisierung von Cannabis schon einen Schritt weiter als Deutschland. Vor einem Jahr wurde das Betäubungsmittelgesetz angepasst. Nun beginnen 2022 in mehreren Großstädten Pilotprojekte, bei denen Cannabis zu Genusszwecken verkauft wird. Parallel will das Parlament das Verbot von Cannabis aufheben und arbeitet daran, Anbau, Handel und Konsum neu zu regeln.

Legales Gras: Jugendrichter fordert schnelle Umsetzung

Das Vorhaben der künftigen Bundesregierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene muss nach Ansicht von Jugendrichter Andreas Müller rasch und vernünftig umgesetzt werden. Das bedeute für ihn unter anderem die Einrichtung von Cannabisfachgeschäften und eine Zulassung des Eigenanbaus von mindestens drei Hanfpflanzen, sagte Müller der Deutschen Presse-Agentur. Er gilt als einer der stärksten Stimmen für die Legalisierung von Cannabis.
Die künftige Bundesregierung müsse zudem schnellstmöglich gesetzlich festlegen, dass die Konsumentenverfolgung endlich gestoppt werde, forderte der Bernauer Jugendrichter. „In den Gerichten werden nach wie vor Menschen wegen Besitzes geringer Mengen von Cannabis verurteilt.“ Diesbezüglich sei sein Kampf noch nicht gewonnen. „Große Freude hab ich erst, wenn es wirklich passiert, und die Menschen deshalb nicht mehr verfolgt werden.“ Vorstrafen müssten seiner Ansicht nach gestrichen und Verfahren eingestellt werden.

Polizeigewerkschaft: Legales Cannabis wird teurer

Die Deutsche Polizeigewerkschaft warnt vor der geplanten Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken. „Durch die Gewinne, die der Handel und der Staat erzielen wollen, wird Cannabis erheblich teurer“, sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt der Deutschen Presse-Agentur. „Der illegale Handel mit billigeren Produkten wird aufblühen, denn in Apotheken können dann nur Wohlhabende ihren Bedarf decken, Kinder, Jugendliche und Geringverdiener werden weiter zum Dealer um die Ecke laufen.“

Gras legal? Das planen SPD, Grüne, FDP, CDU und Linke

Grüne und FDP befürworten seit längerem einen legalen, regulierten Handel mit Cannabis. Kinder und Jugendliche sollen vor Drogen geschützt werden. Die Linke hält die Legalisierung von Cannabis für überfällig. Weniger weit ging bisher die SPD. Sie befürwortete bislang eine regulierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in Modellprojekten. CDU und CSU lehnen eine Legalisierung rundweg ab. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kritisierte die erwartete Cannabis-Legalisierung als "gefährlich".

Umfrage: Bevölkerg bei Frage der Cannabis-Legalisierung gespalten

Die geplante Legalisierung von Cannabis spaltet einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey zufolge die Menschen in Deutschland. 43 Prozent sprachen sich in einer Befragung für die „Augsburger Allgemeine“ für die Idee der künftigen Ampel-Koalition aus. Genauso viele lehnen sie ab. Auch durch die Generationen geht ein Riss. Zwei Drittel der 18- bis 29-Jährigen sind laut Umfrage dafür, Cannabis freizugeben, zwei Drittel der über 65-Jährigen sind dagegen oder unentschieden.

Koalitionsvertrag Ampel: Was wurde noch beschlossen?

Weitere wichtige Punkte im Ampel-Vertrag sind unter anderem die Abschaffung des Paragrafen 219a sowie die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro.