England im Elfmeter-Glück! Getragen von der spektakulären Atmosphäre im Fußball-Tempel Wembley haben die Three Lions erstmals das Finale einer Europameisterschaft erreicht und Dänemarks wundersame Sommerreise beendet. In einem spannungsgeladenen Halbfinale vor 64 950 Zuschauern setzten sich die Engländer am Mittwochabend dank Topstürmer Harry Kane mit 2:1 (1:1, 1:1) nach Verlängerung durch und greifen am Sonntag ebenfalls in London im Final-Kracher gegen Italien nach ihrem erst zweiten Titel nach dem WM-Triumph 1966. Trainer Gareth Southgate konnte sein persönliches Halbfinal-Trauma mit dem 1996 gegen Deutschland verschossenen Elfmeter nach 25 Jahren besiegen.

Harry Kane als Matchwinner

In der Verlängerung war Kane (104. Minute) per Elfmeter-Nachschuss zur Stelle, nachdem Dänen-Schlussmann Kasper Schmeichel seinen umstrittenen Strafstoß zunächst pariert hatte. In der regulären Spielzeit waren die Three Lions durch ein Eigentor des dänischen Kapitäns Simon Kjaer (39.) wieder ins Spiel gekommen. Die Führung der Dänen durch einen Freistoßtreffer von Youngster Mikkel Damsgaard (30.) hielt nur neun Minuten an. 25 Tage nach dem dramatischen Zusammenbruch von Starspieler Christian Eriksen konnte sich Danish Dynamite aber mit großem Stolz vom Pan-Europa-Turnier verabschieden.
Es war der ganz besondere Fußball-Swing, der durch London, der durch ganz England schwirrte. Die in mehr als einem halben Jahrhundert aufgestaute Sehnsucht nach diesem immer wieder unerreichbaren Titel war überall spürbar, nirgends aber mehr als auf den Rängen des Wembley-Stadions. „It‘s coming home“, „Sweet Caroline“ und natürlich „God save the Queen“ wurden inbrünstig als Klassiker des EM-Sommers intoniert. Und die Corona-Sorgen? Vor der größten Kulisse seit Pandemie-Ausbruch kollektiv bei Seite geschoben.
England zeigt gegen zunächst tiefstehende Dänen gleich sein neues Selbstbewusstsein. Kane schlug einen guten Diagonalball auf Raheem Sterling (6.), der jedoch im Strafraum einen Schritt zu spät kam. Kurz darauf brachte der Stürmer von ManCity (13.) nicht genug Druck auf den Ball.

Jetzt England gegen Italien

Dänemark setzte auf Konter und traute sich langsam mehr zu. Damsgaard holte sich einen zu schnellen Abwurf von England-Torwart Jordan Pickford (15.) - mehr als einen Eckball hatte der Lapsus aber nicht zur Folge. Damsgaard (25.) näherte sich mit einem Schlenzer an.
Wenig später hatte Pickford den englischen Rekord von 720 Minuten ohne Gegentor von Gordon Banks aus dem Jahr des WM-Triumphs 1966 gebrochen. Doch dann zielte Damsgaard mit einem herrlichen Freistoß ganz genau. Pickfords Marke blieb nach dem ersten Turniergegentor bei 725 Minuten stehen. Kane erkannte die prekäre Lage der Three Lions. Jetzt wach bleiben und frei im Kopf - so war die Geste des Starstürmers zu verstehen. Die Kulisse in Wembley durfte auf keinen Fall zur Hypothek werden.

Spannung in der Verlängerung

Und England kam wie von Kapitän Kane und Trainer Southgate an der Seitenlinie gefordert schnell und offensiv zurück. Sterling scheiterte zunächst noch völlig freistehend am überragend reagierenden Schmeichel. Beim nächsten Angriff zwang Sterling Kjaer nach einer Hereingabe von Bukayo Sako, der für den Noch-Dortmunder Jadon Sancho in die Startelf zurückgekehrt war, zu einem Eigentor. Eine Serie war nun gebrochen. Die bisher sieben Spiele beider Teams in Wembley hatte immer ein Team 1:0 gewonnen.
Die Uhr tickte herunter. Nach drei Minuten der Verlängerung zwang der Spurs-Stürmer Schmeichel zur nächsten Glanztat. Es begann ein Powerplay und dann fiel Sterling unter Bedrängnis von Joakim Maehle und Mathias Jensen. Diesmal gab es Strafstoß und Kane traf im Nachschuss zum englischen Glück.

Es geht weiter: Nun schon elf Eigentore

Die 39. Minute im Halbfinale der Engländer gegen Dänemark: Nach einem genialen Pass von Harry Kane aus dem englischen Mittelfeld ist Bukayo Saka plötzlich durch und legt quer auf Raheem Sterling. Bevor dieser aber einschieben kann, rutscht der Däne Simon Kjaer in den Ball und bringt ihn so unfreiwillig über die Linie. Es war bereits das elfte Eigentor bei dieser EM, mehr als bei allen vorherigen Europameisterschaften zusammen!. Die Frage, warum so viele Eigentore fallen, ist nicht schlüssig zu beantworten. Eine Theorie: Der Fußball ist schneller und athletischer geworden, weshalb Verteidiger und Torhütern häufiger die Kontrolle verlieren. Eine zweite: Der Trend, mehr über Außen bis an die Grundlinie des Gegners vorzustoßen, um dann einen scharfen Ball in den Strafraum zu spielen – Gefahr. swp