Ein schweres Erdbeben hat Marokko erschüttert. Bei dem Beben, das sich am späten Freitagabend gegen 23:11 Uhr Ortszeit in der Nähe der Hauptstadt Marrakesch ereignet haben soll, gab es mehr als Tausend Tote. Bilder und Videos aus sozialen Netzwerken zeigen zerstörte Gebäude in Städten und auf den Straßen sitzende Menschen. Medienberichten zufolge wurden auch historische Wahrzeichen beschädigt.

Erdbeben in Marokko heute: Hunderte Tote und Panik in den Städten

Mindestens 2012 Menschen sind bei dem Erdbeben ums Leben gekommen. Das teilte das Innenministerium des nordwestafrikanischen Landes am Sonntagmorgen mit. Außerdem wurden mindestens 2059 Menschen verletzt – 1404 davon schweben in Lebensgefahr.
Mehr als die Hälfte der Toten wurde den Angaben zufolge in der Provinz Al-Haouz, südlich von Marrakesch gezählt. Dort wurden bis zum späten Samstagabend 1293 Todesopfer verzeichnet.
Rettungskräfte suchten derzeit unter den Trümmern nach Überlebenden. Es wurde befürchtet, dass die offizielle Zahl der Opfer weiter steigt, wenn die Einsatzkräfte entlegene Regionen erreichen. Die marokkanische Nachrichtenseite Hespress berichtete unter Berufung auf das Innenministerium, die Streitkräfte und der Zivilschutz setzten alle Mittel ein, um Hilfe zu leisten und die Schäden zu begutachten. Demnach gibt es die meisten Schäden außerhalb der Städte.

Stärkstes Beben in der Geschichte des Landes

Die US-Erdbebenwarte USGS teilte mit, das Beben habe eine Stärke von 6,8 gehabt und sich in einer Tiefe von 18,5 Kilometern gut 70 Kilometer südwestlich von Marrakesch und 60 Kilometer nordöstlich der Stadt Taroudant ereignet. Das Epizentrum habe in der Region von El Haouz, im Atlasgebirge südöstlich der Stadt Marrakesch gelegen. Das Geofon des Helmholtz-Zentrums Potsdam gab die Stärke des Bebens mit 6,9 an. Kurze Zeit später meldete die US-Behörde ein Nachbeben der Stärke 4,9.
Laut Berichten der marokkanischen Medien war es das stärkste Erdbeben in der Geschichte des Landes. Menschen rannten in Panik aus ihren Häusern und verbrachten aus Angst vor Nachbeben die Nacht im Freien. Der Strom und das Telefonnetz fielen vorübergehend aus. Zahlreiche Häuser stürzten ein oder wurden schwer beschädigt. Eine 25-jährige Touristin aus England erzählte, sie habe mit Freunden auf der Terrasse eines Restaurants gesessen, als „die Tische anfingen zu wackeln“. Die Teller seien vom Tisch geflogen und sie seien in Panik geraten.

Nach Erdbeben: Königspalast ruft Staatstrauer aus

In dem nordafrikanischen Land wurde eine dreitägige Staatstrauer ausgerufen. Wie der Königpalast am Samstag mitteilte, sollen während der Staatstrauer die Fahnen an öffentlichen Gebäuden auf Halbmast gesetzt werden. Laut der Erklärung, die von der staatlichen Nachrichtenagentur MAP verbreitet wurde, hatte König Mohammed VI. zuvor eine Krisensitzung geleitet.

Deutsche Todesopfer? Bislang keine Angaben

Mehr als die Hälfte der Todesopfer wurde laut dem Innenministerium aus den Provinzen Al Haouz und Taroudant gemeldet. Weitere Opfer gab es demnach in den Provinzen Ouarzazate, Chichaoua, Azilal und Youssoufia sowie in Marrakesch, Agadir und in der Region Casablanca. Das Beben war Berichten zufolge auch in Portugal, Südspanien und Algerien zu spüren.
Ob auch Deutsche bei dem Erdbeben ums Leben gekommen sind, ist indes unklar. Derzeit lägen keine Kenntnisse darüber vor, dass sich deutsche Staatsangehörige unter den Opfern befinden, hieß es am Samstagnachmittag aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Die Lage in dem Erdbebengebiet in dem nordafrikanischen Land sei aber in Teilen noch sehr unübersichtlich. Das Auswärtige Amt stehe in Kontakt mit den lokalen Behörden und Reiseveranstaltern und verfolge die Lage intensiv, hieß es weiter.
Die marokkanische Nachrichtenseite Hespress berichtete unter Berufung auf das Innenministerium, lokale und nationale Streitkräfte und der Zivilschutz setzten alle Mittel ein, um notwendige Hilfe zu leisten und die Schäden zu begutachten. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO sind mehr als 300.000 Menschen in Marrakesch und umliegenden Gebieten von der Katastrophe betroffen. Örtliche Rettungskräfte suchten zusammen mit Soldaten unter Trümmern weiter nach Überlebenden. Bisher habe das Land keine ausländische Hilfe angefordert. Dieser Schritt ist nötig, bevor ausländische Rettungskräfte eingesetzt werden können.

Suche nach Opfern gestaltet sich schwierig

Weil das Erdbeben große Verwüstung und Zerstörung in der Region ausgelöst hat, stehen die Bergungs- und Rettungstrupps vor großen Herausforderungen. „Einige der am schlimmsten betroffenen Gebiete sind recht abgelegen und bergig und daher schwer zu erreichen“, teilte die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) in einer Mitteilung mit. Die marokkanische Nachrichtenseite Hespress berichtete am Sonntag, dass ein Einsatzteam aus Spanien mit Hunden inzwischen in Marokko eingetroffen sei, um die Such- und Rettungskräfte zu unterstützen. Auch zahlreiche weitere Länder haben ihre Unterstützung angeboten.

Erdbeben in Marokko: EU bietet Hilfe an

Die Europäische Union hat Marokko nach dem verheerenden Erdbeben Hilfe angeboten. „Die EU ist bereit, Marokko in diesen schwierigen Momenten zu unterstützen“, schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel am Samstagmorgen über den Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter). Die Nachrichten aus dem Land seien schrecklich. Er sei in Gedanken bei allen, die von der Tragödie betroffen seien, und bei den Rettungskräften.
Auch Israel will Marokko humanitäre Hilfe leisten und Suchtrupps schicken. Das israelische Volk stehe „in dieser schweren Stunde“ an der Seite des marokkanischen Volks, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Israelische Medien meldeten zudem, Verteidigungsminister Joav Galant habe die Armee angewiesen, die Entsendung von Such- und Rettungseinheiten vorzubereiten.
Algerien möchte indes, trotz diplomatischer Spannungen zwischen den beiden Staaten, seinen Luftraum zum benachbarten Land öffnen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur APS am Samstag berichtete, brachten die algerischen Behörden „ihre volle Bereitschaft zum Ausdruck, humanitäre Hilfe zu leisten“. Demnach soll der Luftraum für Flüge von Verwundeten und Verletzten und zum Transport humanitärer Hilfe „im Falle einer Anfrage des Königreichs Marokkos“ wieder geöffnet werden.

Nach Erdbeben in Marokko: Deutsche Botschaft richtet Krisenstab ein

Die deutsche Botschaft in Marokko hat derweil einen Krisenstab eingerichtet, um Verletzte und Opfer schnellstmöglich zu versorgen, heißt es auf der Internetseite der Botschaft. Laut einer Sprecherin des Auswärtigen Amtes sei für betroffene Deutsche auch eine Notfallnummer eingerichtet worden. Sie können sich dort melden und würden konsularisch unterstützt.

THW bereitet sich auf Katastrophenhilfe vor

Die Vorbereitungen des Technischen Hilfswerks (THW) liefen bereits, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der Deutschen Presse-Agentur. „Sobald wir mehr Informationen haben, welche Hilfe konkret benötigt wird, können wir unsere Spezialisten nach Marokko entsenden.“ Einem Sprecher des THW zufolge sind etwa Bergungsteams oder Wasseraufbereitungsanlagen denkbar.
Auch der Zusammenschluss der Aktion Deutschland Hilft prüft derzeit, welche Maßnahmen aktuell sinnvoll sind. Die meisten Opfer seien in schwer zugänglichem Gelände abseits der Städte zu beklagen. Es gehe jetzt darum, die Verletzten medizinisch zu versorgen, die Bevölkerung mit dem Nötigsten auszustatten und möglichst schnell und sicher unterzubringen, so der Vorstandssprecher von action medeor, Sid Peruvemba.
Das Deutsche Rote Kreuz sprach ebenfalls von einer noch sehr unübersichtlichen Lage. Die Menschen in den Katastrophenregionen benötigten jedoch dringend humanitäre Hilfe, so Generalsekretär Christian Reuter.

Von der Leyen, Biden und Papst Franziskus – Beileidsbekundungen aus aller Welt

Zahlreiche Staats- und Regierungschefs sowie Organisationen sprachen den Opfern und Angehörigen ihr Beileid aus und sicherten dem Land ihre Unterstützung zu, darunter auch die Weltgesundheitsorganisation, die Afrikanische Union und die Organisation für Islamische Zusammenarbeit.
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen äußerte ihr Mitgefühl für die Opfer des Erdbebens. Sie sei angesichts des schrecklichen Erdbebens mit ganzem Herzen beim marokkanischen Volk, teilte die deutsche Spitzenpolitikerin mit.
US-Präsident Joe Biden äußerte sich „tieftraurig“ über den Verlust von Menschenleben und die Zerstörungen durch das Erdbeben in Marokko: „Unsere Gedanken und Gebete sind bei all denen, die von diesem schrecklichen Elend betroffen sind“, heißt es in einer Mitteilung des Weißen Hauses.
Auch Papst Franziskus zeigte sich betroffen von dem schweren Erdbeben in Marokko. In einem Kondolenzschreiben äußerte das Oberhaupt der katholischen Kirche tiefe Trauer. Franziskus schrieb, er bete für die Verstorbenen und die Verletzten sowie diejenigen, „die um den Verlust ihrer Lieben und ihrer Häuser trauern“.

Erdbeben in Marokko: Bundeskanzler Scholz trauert

Bundeskanzler Olaf Scholz hat ebenfalls sein Mitgefühl ausgedrückt. „Das sind schlimme Nachrichten aus Marokko“, erklärte der SPD-Politiker am Samstagmorgen auf der Plattform X (früher Twitter). „In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei den Opfern des verheerenden Erdbebens. Unser Mitgefühl gilt allen Betroffenen dieser Naturkatastrophe.“ Scholz hält sich derzeit für den G20-Gipfel in der indischen Hauptstadt Neu Delhi auf. Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach ihr Beileid aus: „Unsere Gedanken sind bei ihnen und all denen, die in diesen Stunden nach Verschütteten suchen und um das Leben der vielen Verletzten kämpfen.“

Wie oft gibt es Erdbeben in Afrika?

Erdbeben in Nordafrika sind relativ selten. 1960 hatte sich laut dem Sender Al Arabiya in der Nähe von Agadir ein Beben der Stärke 5,8 ereignet, bei dem Tausende Menschen ums Leben kamen. Das letzte große Erdbeben erschütterte Marokko 2004 mit einer Stärke von 6,4. Mehr als 600 Menschen kamen ums Leben.

50.000 Tote bei Erdbeben in der Türkei

Die Bilder rufen Erinnerungen hervor an das schwere Erbeben Anfang Februar im Südosten der Türkei und in Syrien. Allein in der Türkei starben dabei und an den Folgen der Naturkatastrophe nach offiziellen Angaben mehr als 50 000 Menschen.
(mit Material von dpa und AFP)