Auch und gerade von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und von Lothar Wieler, dem Chef des Robert-Koch-Instituts. Auch und gerade hier in der Bundespressekonferenz, wo die beiden Männer regelmäßig den Stand der Dinge in Sachen Corona erläutern.
Neu war am Mittwoch, dass neben ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) saß und sich erstmals ausführlich zu der Pandemie äußerte. Bei der Bewältigung seien "unsere Solidarität, unsere Vernunft, unser Herz füreinander schon auf eine Probe gestellt, von der ich mir wünsche, dass wir sie auch bestehen". Das war einerseits ein Appell an die Bürger, aber auch an politisch Verantwortliche. Der bundesweite Flickenteppich der vergangenen Tage bei der Genehmigung oder der Absage von Großveranstaltungen passt der Kanzlerin gar nicht. Wenn man im Föderalismus viel Entscheidungsgewalt vor Ort habe, dürften die Zuständigen "Verantwortung aber nicht wegschieben, sondern müssen sie wahrnehmen".
Deshalb will Merkel an diesem Donnerstag die Ministerpräsidenten auf Linie bringen. Die bewegen sich aber sowieso schon. So konnte Jens Spahn erfreut anmerken, dass seine "Anregung", Großveranstaltungen ab 1000 Teilnehmern grundsätzlich abzusagen, nun von immer mehr Bundesländern, nachdem sie sich "einige Tage sortiert" hätten, umgesetzt wird – pünktlich zum Merkel-Spahn-Auftritt auch von Berlin. Zuvor hatte Spahn ja noch kritisiert, dass Union Berlin in der Bundesliga gegen Bayern München regulär mit Zuschauern spielen wollte. Nun gilt auch in der Bundeshauptstadt die 1000-Teilnehmer-Grenze. Ob in Zukunft der Bund grundsätzlich mehr Rechte in solchen Krisen haben soll, ließ die Kanzlerin offen. Man arbeite "mit der Rechtslage, die wir haben". Alles andere könne man später diskutieren.
Merkel predigt in ihren Ausführungen Vernunft und Zusammenhalt. Man wisse wenig über das Virus, noch gebe es keine Therapie, keine Impfung. Deshalb müsse das öffentliche Leben eingeschränkt werden. Es sei "nicht egal, was wir tun, es ist nicht vergeblich, es ist nicht umsonst". Es gehe um das Gewinnen von Zeit, um das Gesundheitswesen nicht zu überlasten.
Wichtig sei, dass alle staatlichen Ebenen arbeiten könnten, beispielsweise auch die Polizei, und dass wichtige Infrastrukturen funktionierten. "Fußball ohne Zuschauer ist nicht das zentrale Problem." Statt Hamsterkäufe zu machen, solle man beim Shoppen "Maß und Mitte" walten lassen. Man dürfe nicht auch noch diesen Versorgungsbereich zusätzlichem Stress aussetzen. Jeder könne durch sein Verhalten etwas Positives beitragen. Statt Händeschütteln könne man dem Gegenüber ja auch "eine Sekunde länger in die Augen gucken und lächeln".
Große Sorgen macht sich die Kanzlerin auch über die wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona. Diese seien unkalkulierbarer als bei der Finanzkrise. Damals habe man die betroffenen Banken und die "toxischen Wertpapiere" gekannt. Heute agiere man mit vielen Unbekannten. Sie nehme deshalb die Warnungen von Christine Lagarde, der Chefin der Europäischen Zentralbank, sehr ernst, die vor einer großen Krise gewarnt hatte.
Die Bundesregierung werde aber auf jeden Fall handeln – "schnell und besonnen". Auf eine außergewöhnliche Situation werde man auch mit außergewöhnlichen Mitteln reagieren, so Merkel. Die wohl damit auch andeuten wollte, dass die bisher unantastbare schwarze Null, also der ausgeglichene Bundeshaushalt, zeitweilig kippen könnte.
Dass die Kanzlerin bei Corona in längeren Zeiträumen rechnet, konnte man an der Bemerkung erkennen, sie werde noch häufiger zu dem Thema etwas sagen – da es seit dem ersten deutschen Infizierten sechs Wochen gedauert hat, bis sie sich äußerte, geht es zumindest um Monate. Das passt zu Spahns Bemerkung, Corona werde das Leben "möglicherweise bis zum Jahreswechsel" beeinträchtigen. Überhaupt versuchten beide Christdemokraten, denen seit Langem ein eher schlechtes Verhältnis nachgesagt wird, ein Bild der Harmonie zu vermitteln. Sie habe einen "super Austausch" mit Spahn, "volles Vertrauen". Der Minister mache "einen tollen Job". Und Spahn erklärte, die Zusammenarbeit sei immer besser gewesen als öffentlich vermutet.
Trotz der Ungewissheit und der Risiken wirkte Merkel gelassen, teilweise gar heiter – während Spahn, wie seit Tagen, einen sachlich-ernsten Gesichtsausdruck hatte. Den man dann wenig später auch im Bundestag bei der Regierungsbefragung sehen konnte, wo der Minister den Parlamentariern Rede und Antwort stand. Und für seine offene und besonnene Art, mit dem Virus umzugehen, viel Lob von Abgeordneten von links bis rechts erntete. Triumph in der Stimme aber versagte er sich in seinen Reaktionen. Denn Spahn weiß: Noch ist nichts entschieden. Und damit nichts gewonnen. Für das Land nicht und für die eigene Karriere auch nicht. Ob Deutschland vergleichsweise glimpflich davonkommt oder bald einen rasanten Anstieg der Todeszahlen und eine Wirtschaftskrise erleben muss, ist völlig unklar. Es gebe keine Garantien. "Die Lage ist heute schon sehr dynamisch", sagt Spahn, "aber die eigentliche Dynamik liegt noch vor uns".
Auf der Suche nach kreativen Lösungen
Während das öffentliche Leben in vielen Bereichen eingeschränkt wird, geht der Schulbetrieb vielerorts weiter. "Der Verzicht auf Großveranstaltungen ist unendlich viel leichter als der Verzicht auf Kindergärten und Schulen", erklärte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch und vermutete, dass die Schließung von Schulen das Infektionsrisiko sogar noch steigern könne.
Trotzdem wird die Kultusministerkonferenz am Donnerstag und Freitag auch beraten, wie mit Unterrichtsausfällen durch Schulschließungen umzugehen ist. KMK-Präsidentin Stefanie Hubig (SPD) denkt dabei zum Beispiel an digitale Lösungen. Aus ihrem Heimatbundesland berichtet sie: "In Rheinland-Pfalz zum Beispiel haben wir die Lernplattform Moodle. In Schulen, die dort angeschlossen sind, funktioniert das sehr reibungslos." Die Schulen würden außerdem beraten, wie sie Unterrichtsmaterialien per E-Mail oder Homepages an die Schüler verteilen.
Die Lehrergewerkschaft GEW bezweifelt jedoch, dass solche Lösungen in der Breite möglich wären. "Für einen flächendeckenden Fernunterricht sind wir Stand heute schlicht nicht gerüstet", sagte GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann mit Blick auf die fehlende Technik der "Welt".
Einen anderen Weg schlägt der frühere KMK-Präsident Henry Tesch ein. Der Leiter eines Gymnasiums in Neustrelitz will für die Schüler der oberen Klassen eine "Bildungsquarantäne" einrichten, er will also die Älteren für einige Wochen in die Schule einziehen lassen. Dort sollen sie nicht nur aufs Abitur vorbereitet werden, sondern können auch gemeinsam Filme schauen und Partys feiern. Auch Hubig ist für solche Ideen offen. "Wir müssen gute, pragmatische und sinnvolle Lösungen finden", sagte sie. mpu