Herr Jung, in welcher Sprache reden Sie eigentlich miteinander? Englisch?
Nein, wir reden Deutsch oder Französisch. Die meisten sprechen die Sprache des Nachbarn. Wir setzen uns ja auch dafür ein, dass in der Einschulungstüte nicht immer das englische Wörterbuch liegt, sondern auch Französisch oder Deutsch erste Fremdsprache sein kann.
Die Stellung der Nationalversammlung ist ja schwächer als die des Bundestages. Merkt man das?
Wir merken, dass es unterschiedliche Traditionen und manchmal auch ein unterschiedliches Selbstbewusstsein gibt. Wenn wir Resolutionen schreiben, sind wir Deutschen schnell dabei zu sagen: "Wir fordern die Regierungen auf, unverzüglich . . .". Die Franzosen stellen meist den Satz voran: "Wir laden die Regierung ein, über Folgendes nachzudenken."
Muss dieses Parlamentariertreffen den Knatsch zwischen Berlin und Paris ausgleichen?
So würde ich es nicht sehen. Es ging vielmehr darum, mit dem Parlamentsabkommen klarzumachen, dass deutsch-französische Partnerschaft viel mehr ist als ein Regierungsvertrag. Damit haben wir die Beziehungen auf eine neue Ebene gehoben. Entstanden ist etwas Einzigartiges: eine deutsch-französische Parlamentarische Versammlung mit 50 deutschen und 50 französischen Abgeordneten, die gemeinsam diskutieren, Impulse geben und nach Lösungen suchen.
Zum Beispiel?
Zum Beispiel bei der Auslegung europäischen Rechts. Wir fallen bei der nationalen Umsetzung von EU-Richtlinien oft weit auseinander. Das kann für den Alltag der Menschen und für die Wirtschaft hinderlich sein und deswegen ist eine Abstimmung der Parlamente hilfreich.
Auf der Tagesordnung steht unter anderem eine Befragung der beiden Verteidigungsministerien. Was wollen Sie wissen?
Deutschland und Frankreich wollen in dem Bereich enger zusammenarbeiten. Das soll aber nichts Exklusives sein, sondern offen für ganz Europa. Die Vision ist eine Armee der Europäer. Die deutsch-französische Brigade sollte ein wichtiger Baustein dafür sein und Impulse geben. Wir wollen von den Ministerinnen erfahren, wo wir da stehen.
Ein wichtiges Projekt ist das geplante Kampfflugzeug. Wird das Militär zum Symbol für die deutsch-französische Freundschaft?
Nein, das ist ja nur ein Bereich von vielen. Ein anderer ist zum Beispiel das Thema Künstliche Intelligenz; damit haben wir uns in der Parlamentarier-Versammlung schon in der ersten Sitzung beschäftigt. Zudem wird jetzt ein deutsch-französisches Zukunftswerk zu den Fragen von Klimaschutz, Digitalisierung und Transformation eingerichtet.
Sie sprechen auch über den europäischen Green Deal. Was können Deutschland und Frankreich leisten?
Es geht darum, das Klimaabkommen von Paris mit Leben zu füllen. Wir haben in der Energiepolitik teilweise unterschiedliche Ansätze. Wir steigen aus der Kernernergie aus, Frankreich setzt weiter auch auf Atomstrom. Umso wichtiger ist es, dass wir uns gut abstimmen. Ich werbe dafür, das Weimarer Dreieck wiederzubeleben und auch Polen einzubeziehen, das mit seinem hohen Anteil von Kohlekraft wiederum andere Vorstellungen hat. Oder nehmen wir das Thema Elektromobilität: Das ist in beiden Ländern wichtig, aber von einer gemeinsamen Infrastruktur sind wir noch weit entfernt. Die ist aber wichtig, damit Sie auf der Fahrt mit dem Elektroauto von Deutschland nach Paris nicht auf halber Strecke liegen bleiben.
Eine enge Partnerschaft
Besiegelte der Élysee-Vertrag im Jahr 1963 die historische Aussöhnung der einstigen "Erzfeinde" Deutschland und Frankreich, war der im vergangenen Jahr geschlossene Vertrag von Aachen das erneuerte Bekenntnis beider Staaten zu einem starken und zukunftsfähigen Europa, für das sie sich beide einsetzen wollen.
Durch diesen Vertrag wurde die bereits übliche enge Abstimmung zwischen Berlin und Paris festgeschrieben. So sollen "vor großen europäischen Treffen regelmäßig Konsultationen auf allen Ebenen" stattfinden, um gemeinsame Positionen herzustellen. Im Fokus stehen auch ganz praktische Lösungen im Alltag eines intensiven grenzüberschreitenden Verkehrs.