Sorgen macht den Experten dabei, dass im Gegensatz zum eng verwandten Sars-Virus von 2003 der neue Erreger sehr leicht per Tröpfcheninfektion übertragbar ist. Und das auch von Menschen, die so gut wie keine Symptome aufweisen. So ist es denn bei den Fällen in Nordrhein-Westfalen bisher nicht gelungen herauszufinden, wo der Erreger ursprünglich herstammt. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) spricht von einer "ernsten Lage".
Seehofer und Spahn haben einen Krisenstab eingerichtet. Der wird sich damit befassen, unter welchen Umständen Großveranstaltungen wie Sportwettkämpfe oder Messen abgesagt werden müssen. Dabei, sagt Seehofer, spiele es eine Rolle, ob sich dort "besonders viele Menschen aus belasteten Ländern tummeln". Konkret werde etwa die Reisemesse ITB in Berlin besprochen.
Aber: Anweisen kann der Bund nichts, nur empfehlen. Entschieden werden muss in den Ländern. Doch da scheint es Defizite zu geben. Wenn Spahn jetzt die Länder daran erinnert, ihre jeweiligen Pandemiepläne zu aktualisieren, mutet das angesichts einer Erkrankung, die seit Dezember Schlagzeilen macht, schon merkwürdig an. Auch die Tatsache, dass die Amtsärzte fehlende Kapazitäten beklagen, ist nicht sehr ermutigend. Sie müssen sich in den Gesundheitsämtern der Städte und Kreise mit der Realisierung der Notfallpläne beschäftigen, etwa der Verhängung und Kontrolle von Quarantänemaßnahmen. Der Chefin ihres Bundesverbandes, Ute Teichert, fehlt angesichts von 2500 Amtsärzten in 380 Gesundheitsämtern "die Fantasie, wie das bei der Bekämpfung einer großen Epidemie ausreichen soll". Den Beginn einer Epidemie aber hat Spahn ja ausdrücklich festgestellt.
Schwierige Zusammenarbeit
Dass das "föderale Miteinander" so leicht nicht ist, klingt bei Spahn auch an: Einerseits betont er, im ständigen Kontakt mit den Länderkollegen zu sein. Andererseits kündigt er an, nach der Krise über Veränderungen reden zu wollen. Sein Ministerium richtet im März eine Abteilung Gesundheitssicherheit ein, die Hans-Ulrich Holtherm, der bisherige Chef des Bundeswehrkrankenhauses Ulm, leiten soll. Er hat Erfahrung mit der Schweinegrippe. Seehofer wurde noch deutlicher: Aus seiner Seuchen-Erfahrung als Gesundheits- beziehungsweise Agrarminister könne er sagen, die Zusammenarbeit mit den Ländern sei "sehr, sehr schwierig".
Manches kann der Bund aber allein regeln: Wer mit Flugzeug oder Schiff aus Ländern wie China, Südkorea oder Italien ankommt, muss einen Ausdruck ausfüllen, Aussteigerkarte genannt. Dort wird abgefragt, wo man genau wie lange war. Das hat die Bundesregierung angeordnet. Bahn- und Busgesellschaften, die man dazu nicht verpflichten kann, sollen heute erklären, ob sie das freiwillig übernehmen. Wer aber mit dem Auto von woher auch immer einreist, wird nicht erfasst, nicht befragt. Einreisende Asylbewerber dagegen werden auf Sars-CoV-2 getestet. Seehofer erklärt das unterschiedliche Vorgehen damit, dass die Maßnahmen handhabbar sein müssten.
Immerhin sollen die Tests auf das Virus jetzt großzügiger angewandt werden. "Lieber einmal zu viel als zu wenig testen", meint Spahn. Die Krankenkassen würden das zahlen. Und fast alle regulären Labore seien nun in der Lage, die Speichelprobe auszuwerten. Generell gelte: "Schutz ist wichtiger als Ökonomie. Er darf nicht am Geld scheitern."
So sieht die Meldekette aus