Dass diese Maßnahme vor allem Merkel am Herzen lag, war dem Auftritt allerdings nicht anzumerken: Während der sommergebräunte Präsident sprühend vor Energie die Pläne umriss, trug die Kanzlerin ihren Part eher uninspiriert vor, müde ins Rampenlicht blinzelnd.
Eine kleine Szene am Rande, gewiss, doch die Scheinwerfer beleuchteten zugleich etwas Größeres: Eine deutliche Machtverschiebung nämlich. Die "liebe Angela" ist längst nicht mehr die "Königin Europas", als die sie jahrelang den Ton in der EU angegeben hatte. Das liegt natürlich daran, dass sie selbst ihrer Macht – mit dem Verzicht auf Parteivorsitz und erneuter Kandidatur fürs Kanzleramt – den Verfallsstempel aufgedrückt hat. Das liegt aber auch an ihrer Art, die eben so ganz anders ist, als die des zupackenden und mitunter wagemutigen Franzosen. Auch die Methode Merkel, so scheint es, ist inzwischen ein Auslaufmodell.
Um beim Gipfel in Biarritz zu bleiben: Dort gelang Macron der Coup, den iranischen Außenminister zu Gesprächen über das Atomabkommen einfliegen zu lassen. Teilnehmer und Beobachter hielten über Stunden hinweg buchstäblich die Luft an, bis klar war, dass die Sache gut verlaufen würde. Allerdings ist, auch das gehört zur Wahrheit, ein messbarer Erfolg der Aktion am Atlantik bislang ausgeblieben. Aber Macron hatte gezeigt, dass er – im Gegensatz zu Merkel – bereit ist, ungewöhnliche Wege und dabei auch persönlich ins Risiko zu gehen, um den Ausgang aus einer Sackgasse zu finden. Das kann mitunter auch grandios schief gehen, wie die Gelbwesten-Proteste nach Macrons ungestümer Dieselsteuer-Erhöhung zeigten. Eine Erfahrung übrigens, die zu den prägendsten Faktoren des deutschen Klimapakets gehört.
Dass der Franzose mitunter ganz und gar uncharmant agiert, bekam nicht zuletzt der CSU-Mann Manfred Weber zu spüren, dessen EU-Kommissionspräsidentschaft auch an den geringschätzigen Worten Macrons scheiterte. Die Deutsche Ursula von der Leyen wiederum verdankt ihre überraschende Karrierewende nicht der vorsichtig taktierenden Bundeskanzlerin, sondern dem vorpreschenden Präsidenten. Es wird interessant sein, zu sehen, für welche Methode sich von der Leyen in ihrer EU-Präsidentschaft entscheiden wird.
Keine gute Nachricht für Europa ist es jedenfalls, dass von echter deutsch-französischer Teamarbeit schon länger nicht mehr viel zu sehen ist. Dabei könnten der temperamentvolle Franzose und die nüchterne Deutsche eigentlich ein gutes Gespann bilden. Auf die Probe gestellt wird das Duo schon in den nächsten Wochen, wenn womöglich entschieden werden muss, ob die Brexit-Briten eine erneute Verlängerung bekommen oder nicht. Macron scheint auch hier das Risiko nicht zu scheuen.