Wenig Ballbesitz, viel Einsatz, großer Erfolg. Das Fußballmärchen des 1. FC Union Berlin geht nach dem 3:1-Sieg gegen Ajax Amsterdam in der Europa League weiter – und die Lobeshymnen auf die Mannschaft von Trainer Urs Fischer werden nach der historischen Donnerstagnacht von Köpenick immer lauter. Der Macher des wohl bisher größten Erfolgs der Vereinsgeschichte hat den 1. FC Union mit seiner Taktik und seinem Führungsstil auf ein neues Level gehoben.
Dabei werden interessante Vergleiche gezogen, wie beispielsweise vom ehemaligen Bundesliga-Profi Steffen Freund, der mit Borussia Dortmund 1997 die Champions League gewonnen hatte. An welches Team diese „positiv eklige Spielweise“ ihn in seiner aktiven Karriere erinnere, sollte er am Donnerstag am RTL-Mikrofon sagen. Mit ihrem unbeirrbaren Abnutzungskampf hatten die „Eisernen“ am Donnerstag dem spielerisch überlegenen Top-Club aus den Niederlanden den Zahn gezogen.
1. FC Union wie Energie Cottbus oder FC Liverpool
Auf die etwas explizite Frage von RTL-Kommentator Marco Hagemann antwortete der Fußball-Europameister von 1996 mit zwei völlig unterschiedlichen Teams: „Das erinnert mich an Energie Cottbus unter Trainer Eduard Geyer, die waren damals so bundesligatauglich. Jetzt spielen sie in der 4. Liga.“
Die zweite Verbindung indes sieht Steffen Freund deutlich höherklassiger: Der FC Liverpool unter dem spanischen Trainer Rafael Benitez habe seinerzeit ebenfalls die aktuellen Union-Tugenden auf den Platz gebracht. Immerhin: Der Premier-League-Club gewann unter Benitez 2005 nichts Geringeres als die Champions League.
Der 1. FC Union Berlin steht nun irgendwo dazwischen – zwischen dem Geyer-Fußball aus der Lausitz und dem Königsklassen-Jubel an der Anfield Road.
Spielglück gegen Ajax Amsterdam
Trainer Urs Fischer suchte im Stadion an der alten Försterei kurz vor Mitternacht noch nach Worten. „Der Wahnsinn geht weiter, wirklich wahnsinnig“, begann der Erfolgscoach seine Ausführungen zu einem Fußball-Abend der zwischen Absurdität und erfülltem Arbeitermythos pendelte.
„Heute hatten wir enorm viel Glück, das muss man auch sagen“, gestand Fischer als Resümee der ersten Halbzeit, nach der Union trotz großer Ajax-Finesse ohne echte Torchance plötzlich 2:0 führte durch die Treffer von Robin Knoche (20. Minute/Handelfmeter) und Josip Juranovic (44.). Fußball-taktisch war dieser Spielstand schwer zu erklären.
„Wie die Mannschaft Bereitschaft zeigt, Wille, wie sie versucht, mutig zu sein, auch wenn sie leiden muss“, beschrieb Fischer die zweite Halbzeit, in der der ehemalige Ajax-Nachwuchsmann Danilho Doekhi (50.) nach dem Gegentor von Mohammed Kudus (47.) schnell nachlegte und das Team mit enormer Kampfkraft den Niederländern die Spielfreude nahm. „Was man hier erlebt, ist unglaublich. Wir haben unser Herz auf den Platz gebracht und hier verdient gewonnen“, sagte der überragende Mittelfeldantreiber Rani Khedira.
Topspiel gegen den FC Bayern München
Nach dem vorläufigen internationalen Höhepunkt geht es nun zu den Bayern. Im Topspiel am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) in München geht es um die Tabellenspitze in der Fußball-Bundesliga. „Ich hoffe schnellstmöglich“, sagte Fischer zur Notwendigkeit der Regeneration. „Morgen gilt die Aufmerksamkeit unserem nächsten Gegner.“
Und ein bisschen gilt das Augenmerk natürlich auch der Auslosung des nächsten Gegners für das Achtelfinale der Europa League am Freitagmittag. Gespielt wird schon am 9. und 16. März. Fischer will die Zeremonie im TV anschauen, „wenn ich Zeit finde“.
Eine Antwort, die so ähnlich auch von Eduard Geyer in Cottbus oder Rafael Benitez in Liverpool hätte kommen können. (mit dpa)