14 Mannschaften bei der Volleyball-WM 2022 besser als Deutschland. Vier Jahre zuvor gelang nicht mal die Qualifikation. Auf Vereinsebene sieht es nicht viel besser aus. Die Topteams BR Volleys und VfB Friedrichshafen halten mit Europas Spitze nur bedingt mit. „Es ist an der Zeit, dass sich etwas ändert“, sagt Dirk Schmidt. Als Manager eines Zweitligisten kennt er das Geschäft – und präsentiert Ideen, wie es besser werden kann.
Seit über einem Jahrzehnt bringt sich der Unternehmer aus Berlin beim Zweitligisten SV Lindow-Gransee ein. Die im Vereinsnamen enthaltenen Orte klingen nicht nach dem ganz großen Sport. Gransee (Landkreis Oberhavel) hat keine 6000 Einwohner mehr, das im Nachbarkreis liegende Lindow (Ostprignitz-Ruppin) nicht einmal die Hälfte. Dennoch kommen die Kommunen im Verbund seit einigen Jahren groß raus. Der SV Lindow-Gransee gehört zu den Topadressen in der 2. Bundesliga der Volleyballer. Die Heimspiele in Gransee verfolgen im Schnitt 250 Zuschauer.

Das ist der SV Lindow-Gransee

Diese haben oft Grund zum Jubel – und konnten in der 2. Bundesliga auch schon Titel feiern. 2015 und 2021 wurden die Grün-Weißen Meister. Damit erlangte der Verein das Aufstiegsrecht zur 1. Bundesliga, nahm das aber nicht wahr. Wenngleich das Team mit ehemaligen Erstligaspielern und erfolgreichen Beach-Volleyballern gespickt ist, reicht es nicht für die Beletage. Vereinsstrukturen, Halle, Jugendbereich und Finanzkraft genügen nicht den Ansprüchen der Beletage.
Der SV Lindow-Gransee wurde 2021 Meister in der 2. Bundesliga. Romulo Galiao Gonçalves, Paul Boock und Matti Binder (von links) jubeln.
Der SV Lindow-Gransee wurde 2021 Meister in der 2. Bundesliga. Romulo Galiao Gonçalves, Paul Boock und Matti Binder (von links) jubeln.
© Foto: Matthias Haack
Ein Problem, das viele Vereine haben. Den Aufstieg strebt eigentlich kein Verein mehr an. Denn hinzu kommt, dass „2. Bundesliga“ zwar nach dem ganz großen Sport klingt, für die Spieler mit Profitum aber wenig zu tun hat. So muss neben Studium und Arbeit die Zeit für zumindest drei Trainingseinheiten sowie weite Auswärtsfahrten gefunden werden. Da das auch für Erstliga-Spieler durchaus der Alltag ist, spielen im Oberhaus nur neun Mannschaften die Deutsche Meisterschaft aus – darunter zwei Ausbildungsteams.
2020 kehrten der TV 1861 Rottenburg, die insolventen Heitec Volleys Eltmann und die Hypo Tirol Alpenvolleys Haching der Liga den Rücken. 2021 folgten die Bisons aus Bühl, ein Jahr später die United Volleys aus Frankfurt. „Die Hiobsbotschaften reißen nicht ab. Was passiert, wenn noch weitere Teams Schwierigkeiten bekommen? Nehmen wir an, es scheiden noch zwei aus“, fragt sich Dirk Schmidt. Dann wären kaum noch konkurrenzfähige Mannschaften übrig. Das System 1. Liga erodiere aus seiner Sicht immer mehr, „wenn man sieht, wie viele es nicht geschafft haben“.

Was Dirk Schmidt über die BR Volleys denkt

„Der professionelle Männer-Volleyball krankt und dümpelt vor sich hin“, meint Dirk Schmidt. Um das zu untermalen, nimmt er die BR Volleys als Beispiel. Die Mannschaft aus Berlin, zwischen 2012 und 2022 neunmal Deutscher Meister, schied auch in dieser Saison im Viertelfinale der Champions League aus. „Und mit den BR Volleys haben wir ohnehin nur einen Verein, der seit Jahren Kontakt zur europäischen Spitze hat.“
Dieser habe das Problem, in der Liga nicht gefordert zu werden. „Darum drohen sie seit Jahren, die Liga zu verlassen und nach Polen zu wechseln. Da herrscht ein hohes Maß an Frust“, ist sich Schmidt sicher.
Die Macher des SV Lindow-Gransee: Vereinschef Frank Seeger und Manager Dirk Schmidt
Die Macher des SV Lindow-Gransee: Vereinschef Frank Seeger und Manager Dirk Schmidt
© Foto: Stefan Zwahr
Er betont: „In Deutschland krankt der Leistungsvolleyball, nicht der Breitensport. Da ist es eine Topsportart mit Potenzial. Das verschenken wir aber.“ Leistungslücken könnten aber nicht geschlossen werden, ohne die Strukturen anzufassen. Um das Niveau und den Sport stabilisieren zu können, „muss man den Patienten erst mal aus dem Bett bekommen“. Es sei noch nicht an der Zeit, über eine Professionalisierung im deutschen Volleyball zu sprechen. „Vorher müssen andere Hausaufgaben gemacht werden.“

So könnte das neue System für 1. und 2. Liga aussehen

Seine Idee (die lediglich ein Denkanstoß sein soll) laute, einen Schritt zurückzugehen. „Wir teilen den Volleyball neu auf.“ In der Vision von Schmidt gibt es keine erste (aktuell neun Teams) und keine zweite Liga (jetzt 25 Teams in zwei Gruppen) mehr, „wie auch immer man das Kind dann nennt“. Gespielt werde in vier regionalen Vorrunden mit jeweils 12, 14 oder 16 Teams. „Das wären dann mehr Mannschaften als bisher. Der Bedarf in der 3. Liga ist aber da.“ Nach dieser Vorrunde ginge es mit einer Hauptrunde oder im Play-Off-Modus weiter. „Am Ende hätten wir einen würdigen Deutschen Meister.“

Netzhoppers und Schöneiche in einer Staffel?

Die Strukturen seien dann zwar immer noch sehr groß, „dennoch würde es eine größere Regionalität geben“. Es sei doch Blödsinn, dass derzeit in der Nordstaffel der 2. Liga von Neustrelitz bis Mondorf im nordrhein-westfälischen Rhein-Sieg-Kreis gefahren werden muss.
Nach dem Modell von Schmidt würden sich dann Truppen wie BR Volleys, Netzhoppers KW-Bestensee, Lindow-Gransee, Schöneiche, Neustrelitz, Bitterfeld-Wolfen in einer Vorrunde wiederfinden. „Da wäre Brisanz und Spannung und es ginge zur Sache.“ Folge aus seiner Sicht neben steigendem Niveau: „Es würde volle Hallen und damit für kleinere Vereine höhere Einnahmen geben.“
Manager Dirk Schmidt und Trainer Peter Schwarz
Manager Dirk Schmidt und Trainer Peter Schwarz
© Foto: Gunnar Reblin
Dirk Schmidt – dessen SV Lindow-Gransee am 15. April mit dem Derbysieg in Schöneiche die Vizemeisterschaft perfekt machte – betont, dass dies nur ein erster Ansatz und eine Idee sei. „Eigentlich ist es keine Idee, sondern pure Verzweiflung.“ Es gehe ihm lediglich darum, eine Diskussion anzuschieben, nachdem in der Vergangenheit alle Versuche für eine Ligareform gescheitert seien. „Das System muss komplett neu gedacht werden. Es geht darum, die Lücke zwischen erster und zweiter Liga zu schließen.“
Niemand (auch er nicht) wolle ernsthaft, dass die BR Volleys in Gransee spielen müssen. „Wir wollen alle eine superstarke erste Liga mit 12, 14 oder mehr Mannschaften. Aber ich sehe einfach keinen Ausweg, wenn sich das System nicht ändert. Wir haben ein Problem. Lasst uns also überlegen, wie wir nicht noch mehr Mannschaften verlieren.“