Keine Zuschauer, kein Flair: Mit einjähriger Verspätung und begleitet von Protesten sind die wohl außergewöhnlichsten Olympischen Spiele der Neuzeit ohne Glanz und Glamour eröffnet worden. Lediglich rund 900 Ehrengäste – unter ihnen Japans Kaiser Naruhito – wohnten am Freitag in Tokio der weitgehend trostlosen Zeremonie bei. IOC-Präsident Thomas Bach sprach trotz der umfangreichen Corona-Einschränkungen in der Olympia-Stadt von einem wichtigen Zeichen in Zeiten der weltweiten Pandemie. „Heute ist ein Tag der Hoffnung. Ja, es ist ganz anders, als wir es uns vorgestellt hatten. Aber lasst uns diesen Moment wertschätzen, weil wir endlich alle zusammen hier sind“, sagte Bach.
Um 23.13 Uhr Ortszeit erklärte der Tenno die XXXII. Olympischen Spiele für offiziell eröffnet. Es ging schon auf Mitternacht zu, als Japans Tennis-Star Naomi Osaka das olympische Feuer entzündete. Der erstmals mit Wasserstoff gefüllte Behälter symbolisiert eine Sonne.
Zuvor waren die 205 Nationen und das Flüchtlingsteam weitgehend unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln in das fast leere Olympiastadion einmarschiert. Die deutsche Mannschaft, die wegen der phonetischen Reihenfolge im japanischen Alphabet erstmals erst an 115. Stelle an der Reihe war, wurde angeführt von Beachvolleyball-Olympiasiegerin Laura Ludwig und Wasserspringer Patrick Hausding.
Das Duo trug als Zeichen der Gleichstellung gemeinsam die Fahne. Das hatte es zuvor bei Olympia noch nie gegeben. „Es ist cool, dass wir das zusammen machen konnten“, sagte Ludwig. Den besonderen Moment genoss sie in vollen Zügen. „Für mich ist es noch spezieller, Fahnenträger zu sein, als eine Medaille zu gewinnen, weil es viel weniger Menschen gibt, die eine Fahne tragen, als Menschen, die eine Medaille gewinnen“, sagte die 35-Jährige.
Von den 432 Athletinnen und Athleten aus dem Team Deutschland hatten sich nur 106 auf den Weg zum Olympiastadion gemacht. „Wenn ich so drüber nachdenke, habe ich nicht eine Sekunde daran gedacht, bei der Eröffnung dabei zu sein“, twitterte Beachvolleyballerin Karla Borger.
Ein Hingucker beim Einmarsch war erneut Pita Taufatofua, der halbnackt mit eingeölter Brust ins Stadion kam. Der 37 Jahre alte „Coconut Fighter“ trug wieder die Fahne von Tonga und beeindruckte mit seinem durchtrainierten Oberkörper. Die mintgrüne Olympia-Kleidung der Deutschen kam nicht überall gut an. „Wer ist verantwortlich für dieses Outfit“, schrieb Basketball-Nationalspieler Maodo Lo auf Instagram.
In den nächsten 16 Tagen kämpfen rund 11 000 Sportlerinnen und Sportler vor leeren Rängen um Gold, Silber und Bronze. In 33 Sportarten gibt es die Rekordzahl von 339 Olympia-Entscheidungen. Bei der Zeremonie bekamen die Sportlerinnen und Sportler aus aller Welt bereits einen Vorgeschmack auf die ersten Olympischen Spiele ohne Zuschauer.
In seiner Rede sprach Bach allen Mut zu. „Ihr habt vor großen Herausforderungen bei eurer olympischen Reise gestanden“, sagte der IOC-Chef an die Adresse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „Ihr habt gekämpft, durchgehalten und niemals aufgegeben. Und heute lasst ihr euren Olympia-Traum wahr werden.“ Zu diesem Zeitpunkt hatten etliche Athletinnen und Athleten wegen der großen Hitze und aus Gründen der Risikominimierung das Stadion aber bereits wieder verlassen.
Die Show war wegen der besonderen Umstände stark auf das Fernsehen zugeschnitten und verlief ohne Höhepunkte. Eingerahmt wurden die landestypischen Darbietungen der Künstler von einem Feuerwerk, das in der japanischen Metropole weithin sichtbar war.
Keinen Blick dafür hatten Hunderte japanische Olympia-Gegner, die vor der Arena lautstark gegen die Sommerspiele protestierten. Rufe wie „Stoppt die Spiele“ oder „Brecht die Eröffnungsfeier ab“ drangen über Megafone bis ins Olympiastadion. Zu ähnlichen Aktionen war es zuvor schon in der Stadt rund um das Rathaus gekommen. Auf Bannern stand „Löscht die Olympische Fackel“ und „Keine Olympiade“ sowie „Globales Verbrechen gegen Japan“.
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Yusra Mardini führt Flüchtlingsteam an
Große Ehre für Yusra Mardini: An der Spitze des Flüchtlingsteams hat die Schwimmerin aus Berlin an der Seite von Tachlowini Gabriyesos (Eritrea/Leichtathletik) bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Tokio die olympische Fahne ins Stadion getragen. Die 23-Jährige Mardini und ihr Team marschierten hinter Griechenland als zweite Mannschaft ein.
Die unspektakuläre Eröffnungsshow vor weltweit Milliarden TV-Zuschauern fand in einem beinahe trostlosen Rahmen statt. Dieser passte zur Stimmung im Land. Anders als vor 57 Jahren, bei den Spielen von 1964, bestehen in Japan wegen der steigenden Corona-Zahlen große Vorbehalte gegen das Großevent. Rund um die Zeremonie gab es vereinzelte Proteste.
Sportartikelhersteller Adidas hat die Einlauf-Bekleidung des deutschen Teams gegen Kritik verteidigt. „Die Bekleidung wurde bereits Anfang Mai vorgestellt und hat sehr viel positive Rückmeldung erhalten“, sagte ein Firmensprecher. Die Kollektion sei in Abstimmung mit der Athletenkommission des Olympischen Sportbundes entwickelt worden.