23 Sekunden trennten im Jahr 2007 Spaniens Sieger Alberto Contador vom zweitplatzierten Australier Cadel Evans. 18 Jahre zuvor machten es Greg Lemond und der Franzose Laurent Fignon sogar noch dramatischer. Gerade mal acht Sekunden Vorsprung hatte der US-Amerikaner im Ziel von Paris.
Ein ähnliches Szenario könnte es am Ende auch bei der106. Frankreich-Rundfahrt geben. Sechs Fahrer dürfen sich vor der dritten und entscheidenden Woche mehr oder weniger große Hoffnungen auf das Gelbe Trikot machen. Den derzeit immer noch und so unerwartet führenden Franzosen Julian Alaphilippe und den Ravensburger Emanuel Buchmann an Position 6 trennen nach 15 Etappen und vor den abschließenden 970 Kilometern nur 2:14 Minuten. Und der Showdown mit den drei Alpen-Etappen von Donnerstag bis Sonnabend kommt erst noch. Hier unser Überblick zu den sechs Protagonisten auf Gelb und unser Tipp, wo sie am Ende der 3481 Kilometer langen Tortur einkommen werden.
Julian Alaphilippe(Deceuninck/1.)
Dass der Franzose das Gelbe Trikot auch nach den Pyrenäen immer noch auf seinen Schultern trägt, überrascht viele. Der 27-Jährige gilt eigentlich als Klassiker-Spezialist, fühlt sich an kurzen, giftigen Anstiegen pudelwohl. Als großer Rundfahrer ist er bisher nicht in Erscheinung getreten. Das Maillot jaune scheint ihm aber Flügel zu verleihen. Doch ob er es auch in den Alpen verteidigen kann, ist fraglich, zumal ihm ein starkes Team an der Seite fehlt.
Unser Tipp: Gelb ist nicht zu halten.
Geraint Thomas (Ineos/2./1:35 Minuten zurück)
Der Titelverteidiger aus Wales war einer der Gewinner der ersten Woche. In den Pyrenäen zeigte der 33-Jährige aber ungewohnte Schwächen, wohl auch eine Folge seiner Sturzverletzungen im Vorfeld der Tour. Da fehlen einfach einige harte Vorbereitungskilometer. Von der Dominanz des Vorjahres ist Thomas wie das gesamte Ineos-Team weit entfernt. Trotzdem gibt er sich kämpferisch. "Ich bin motiviert und will diese Tour zu einem positiven Ende bringen." Dafür muss aber eine deutliche Steigerung her.
Unser Tipp: Platz auf dem Podium wird verfehlt.
Steven Kruijswijk(Jumbo/ 3./1:47)
Der Holländer, im Vorfeld nicht im Favoritenkreis, hat mit seinem Jumbo-Team vielleicht die besten Helfer an der Seite, was für den 32-Jährigen noch zu einem unschätzbaren Vorteil werden kann. Bisher konnte er sich in den entscheidenden Phasen am Berg darauf verlassen, noch genügend "Begleitschutz" zu haben. Zeigte bisher keine Schwäche.
Unser Tipp: Platz auf dem Podium
Thibaut Pinot (Groupama/4./1:50)
Im Gastgeberland ist nach den Erfolgen der ersten beiden Wochen ein regelrechter Hype um die Tour ausgebrochen. Neben dem Gelben Alaphilippe hat dazu insbesondere Thibaut Pinot mit seiner angriffslustigen, explosiven Fahrweise beigetragen. Der 29-Jährige scheint noch längst nicht am Ende seiner Möglichkeiten angelangt zu sein und könnte am Sonntag in Paris als erster Franzose seit Bernard Hinault 1985 die Tour gewinnen.
Unser Tipp: Gesamtsieg
Egan Bernal (Ineos/5./2:02)
Der erst 22 Jahre alte Kolumbianer wurde vor dem Start der Rundfahrt als heißester Anwärter auf den Gesamtsieg gehandelt. Mit seinen Erfolgen bei Paris–Nizza und der Tour de Suisse, die er beide gewann und sich dabei in starker Verfassung präsentierte, hatte sich Bernal selbst auf den Favoritenschild gehoben. Doch bisher konnte er die hohen Erwartungen nicht wie erhofft erfüllen. Sein Problem: Bei Ineos ist nach wie vor unklar, wer eigentlich die Kapitänsrolle im Team innehat. Thomas oder Bernal?
Unser Tipp: Podium wird verfehlt
Emanuel Buchmann (Bora/6./2:14)
Die Hoffnungen, die die deutschen Radsportfans mit dem Ravensburger zu Beginn verbunden haben, hat der 26-Jährige bei seiner Tour-Premiere bisher nicht enttäuscht. Im Gegenteil. Nach seinen starken Auftritten in den Pyrenänen mit zweimal Rang 4 in der Tageswertung hat der sonst eher zurückhaltend auftretende Kletterspezialist die Hoffnungen auf eine Top-Platzierung im Ziel von Paris eher noch befeuert. Könner von einst wie Jan Ullrich und Eddy Merckx überhäufen Buchmann schon jetzt mit Lob. "Er fährt mit Courage und taktisch sehr diszipliniert. Er das Zeug zu einem echten Champion", sagt Ullrich. Bleibt die Frage, ob der Neuling, das hohe Niveau auch in der dritten Tour-Woche halten kann. Nach eigener Aussage liegen Buchmann die Berge der Alpen, in denen er sich gezielt vorbereitet hatte, sogar noch besser als die in den Pyrenäen.
Unser Tipp: Platz auf dem Podium
Autogramme während der Fahrt
Für Sprint-Spezialisten gibt es bei der Tour de France nichts Härteres als lange und schwere Bergetappen. Der dreimalige Weltmeister Peter Sagan vom deutschen Bora-hansgrohe-Team bewahrt trotz der Kletterei im Hochgebirge seine Coolness.
Ein auf Twitter verbreitetes Video zeigt, wie der Slowake bei einem Anstieg in den Pyrenäen ein Buch signiert, das ein neben ihm herlaufender Fan ihm reicht.
Rad-Star Sagan, der bei dieser Tour zum siebten Mal das Grüne Trikot gewinnen dürfte, ist für seine verrückten Aktionen bekannt. Er fährt gerne auch auf einem Reifen oder klatscht noch vor dem Ziel Zuschauer ab. dpa