So mancher Fan des 1. FC Union Berlin dürfte sich beim Blick auf Jerome Roussillon Sorgen gemacht haben. Der 30 Jahre alte Linksverteidiger absolvierte bei der einzigen öffentlichen Trainingseinheit des Fußball-Bundesligisten in dieser Woche nicht das komplette Übungsprogramm mit dem Team, sondern sprintete zwischenzeitlich immer wieder allein über den Rasen.
Der 1. FC Union ohne den pfeilschnellen Jerome Roussillon? Das ist derzeit schwer vorstellbar. Noch dazu im so wichtigen Heimspiel im Stadion an der Alten Försterei gegen den SC Freiburg am Samstag um 15.30 Uhr. Es geht im Duell des Tabellenvierten gegen den -fünften schließlich um nichts weniger als die Champions League.
Später in einer Medienrunde gab der in Frankreich geborene Winter-Neuzugang der Eisernen dann lächelnd Entwarnung. Verletzung? Nein, keine Verletzung, beteuert Jerome Roussillon: „Ich bin gesprintet, um fit zu sein.“ Es läuft halt im Moment einfach für Roussillon – und zwar richtig gut.

Union Berlin spielt gegen Freiburg

Dass Union Berlin am Samstag gegen den SC Freiburg um die Qualifikation für die europäische Königsklasse spielen darf, hängt mit klugen Transfers wie dem von Jerome Roussillon zusammen. Es ist ein typischer Union-Berlin-Transfer, dessen Logik sich manchmal erst auf den zweiten Blick erschließt – dann aber umso zwingender. Beim VfL Wolfsburg stand der nur 1,72 Meter große Verteidiger praktisch auf dem Bundesliga-Abstellgleis. Nach vier guten Jahren in der VW-Stadt kam Roussillon in dieser Saison bei den Niedersachsen in der Hinrunde auf gerade einmal 19 Einsatzminuten, aufgeteilt auf insgesamt vier Spiele.
Trotzdem hatte Union Berlin den Mut, den Bankdrücker im Winter in die Hauptstadt zu holen. Seitdem ist Roussillon auf der linken Außenbahn an Niko Gießelmann vorbeigesprintet und hat sich als Stammspieler etabliert. Den 19 Einsatzminuten in Wolfsburg stehen mittlerweile 698 Minuten beziehungsweise 13 Spiele für die Eisernen gegenüber – was für ein gelungener Transfer.
Es müssen jedenfalls sehr zielführende Gespräche gewesen sein, die Roussillon mit Oliver Ruhnert als Geschäftsführer Profifußball und Cheftrainer Urs Fischer damals vor dem Vereinswechsel geführt hat. „Sie haben mir genau erläutert, wie Union spielt. Und, dass sie jemand für die Außenbahn suchen. Das ist genau meine Position“, berichtet der Neuzugang.
Zielgenau den Kader verstärken – das ist eine der großen Stärken von Ruhnert und Fischer im vierten Jahr der Bundesliga-Zugehörigkeit von Union Berlin. Befürchtungen, dass der Sprung von der Wolfsburger Ersatzbank zum Champions-League-Anwärter in der Hauptstadt zu groß sein könnte, hatte Jerome Roussillon nach eigener Aussage nicht. „Mein Ziel war es, so viele Spiele wie möglich zu bestreiten. Jetzt bin ich sehr glücklich in Berlin“, betont der Verteidiger.
Union Berlin und Jerome Roussillon – das passt viel besser, als man das auf den ersten Blick erwarten durfte. Im März bestritt Roussillon die ersten beiden Länderspiele für Guadeloupe, dem Land seiner Eltern. Von Paris aus dauert der Flug in das französische Überseedepartement im südlichen Karibischen Meer etwas mehr als acht Stunden. Gegen Antigua-Barbuda und Kuba gab es zwar jeweils 0:1-Niederlagen, trotzdem schwärmt er von dieser Länderspielreise. „Das war richtig gut“, berichtet Roussillon mit strahlendem Gesicht.

Aha-Erlebnis von Jerome Roussillon

Auch sonst hat Jerome Roussillon den Wechsel vom beschaulichen Wolfsburg in die Hauptstadt inzwischen weitgehend verarbeitet. Die Suche nach einem Haus für sich und seine Familie gestaltete sich zwar zunächst schwierig. Im April konnte er endlich das Hotel verlassen und in die eigenen vier Wände einziehen.
Sein persönliches Aha-Erlebnis bei Union Berlin hatte Jerome Roussillon übrigens ausgerechnet beim 2:1-Sieg im DFB-Pokal gegen seinen Ex-Club Wolfsburg. In der Nachspielzeit lief er allein auf das Tor zu, verpasste aber etwas zu zögerlich die endgültige Entscheidung, weil sich der Wolfsburger Micky van de Ven im allerletzten Moment in die Schussbahn warf. Ein Nicht-Tor aus der Kategorie „Unfassbar“.
Nach dem Schlusspfiff schnappte sich Josip Juranovic – ein weiterer Neuzugang im Winter – die Kugel und legte sie auf die Torlinie. Unter dem Jubel der Mitspieler und der Fans konnte Jerome Roussillon also doch noch sein Tor erzielen. „Alle sind in dem Moment auf mich zugekommen, das war unglaublich, wie eine große Familie“, blickt Roussillon zurück.
Nur in einem Punkt hadert der Neuzugang noch ein wenig. Die deutsche Sprache habe er in Wolfsburg besser verstanden als in Berlin, verrät Roussillon. Das hängt möglicherweise damit zusammenhängen, dass so mancher Berliner so schnell durch die eigenen Sätze fegt wie Jerome Roussillon über den Rasen: nämlich im Vollsprint.