Enttäuschung war nicht meine erste Reaktion, eher Überraschung. Die Ansiedlung ist ein wichtiger Beitrag zum Strukturwandel Brandenburgs und wird auch die Situation in der Lausitz entspannen.
Es besteht die Hoffnung, dass das keine kurzfristige Investition ist, sondern dass die E-Mobilität als neue Technologie noch lange wichtig bleiben wird. Es gibt in diesem Bereich die Chance auf große Wachstumsraten.
Da muss sicher nachgebessert werden. Ein offenkundiges Problem ist die Verfügbarkeit von schnellem Internet. Auch Arbeitskräfte gibt es in der dünnbesiedelten Region nicht in diesem Maße. Da wird es Siedlungswachstum geben müssen und parallel dazu müssen die sozialen Infrastrukturen wie Kitas und Schulen entstehen. Auch der Anschluss an die Bahn ist dort noch nicht gegeben.
Tesla ist ein multinationaler Konzern und muss international kommunizieren. Bei Technologieunternehmen ist schnelles Internet unabdingbar.
Wenn neue Technologien nach einem Standort suchen, sind sie in ihrer Wahl sehr frei. Sie sind nicht auf bestimmte Vorleistungen angewiesen. Tesla beispielsweise stellt seine Batterien selbst her. Tesla ist selbst eine Marke, die extrem mit Wert augeladen ist. Da ist ein Standort, der selbst eine Marke ist, wichtig. Außerdem investiert Tesla auch in Forschung und Entwicklung. In Berlin findet Tesla die Arbeitskräfte dafür –zum Beispiel im Bereich Design – aber auch viele fortschrittliche Nutzer, die bereit sind, neue Mobilitätskonzepte auszuprobieren.
Es bieten sich neue Arbeitsmöglichkeiten auch für Menschen aus weiter entfernten Regionen, vielleicht sogar für Arbeitskräfte aus Polen, wenn sie bereit sind zu pendeln. Dörfliche Strukturen können sich durch Pendler und deren Einkommen stabilisieren. Es werden Folgeinvestitionen nach Brandenburg gerichtet sein. Handel, Dienstleistungen siedeln sich an und ziehen Arbeitsplätze nach sich. Steuern, die Tesla hoffentlich in Brandenburg zahlt, eröffnen neue finanzielle Spielräume für das Land. Das setzt auch Anreize für junge Leute, im Land zu bleiben
Die Tesla-Ansiedlung ist ein Hinweis darauf, dass nicht nur Städte wachsen. Denn Tesla geht mit seiner Produktionsstätte nicht nach Berlin, der Hauptteil der Investition geht nach Grünheide. Berlin braucht als Standort also das Umland in Brandenburg, aber auch Brandenburg hätte ohne Berlin größere Probleme, denn es profitiert von der Nähe, dem Image und der Kreativität von Berlin. Das Zusammenspiel über die Ländergrenzen ist ganz wichtig
Das ist eine spezielle Fabrik, die bestimmte Fachkräfte braucht. Einige Branchen müssen die Konkurrenz fürchten. Aber das muss man differenziert sehen. So einen Ansiedlung setzt auch einen Anreiz für qualifizierte junge Leute, zurückzukehren. Es wird sicher Zuzug aus anderen Regionen geben. Möglicherweise bringt Tesla auch eine Kern-Belegschaft aus den USA mit. Es hängt auch viel davon ab, wie plötzlich Arbeitskräfte gebraucht werden. Es existieren viele Technische Universitäten in der Region, die ihre Studienplätze vielleicht aufstocken.
Grundsätzlich sind solche Neuansiedlungen extrem selten. Das ist ein Glücksfall für Berlin und Brandenburg. Aber Glücksfälle sollten nicht die langfristige strategische Orientierung im Strukturwandel der Lausitz prägen. Die Lausitz hat einen langen Weg vor sich, für den es Geduld braucht. Man muss sich viel um die Entwicklung des Bestands an Firmen und um Neugründungen bemühen. Wenn unerwartete Glücksfälle dazu kommen ist das toll, aber darauf sollte man nicht vertrauen. Aber es gibt Möglichkeiten, von Tesla zu profitieren, besonders in der Forschungs- und Entwicklungskooperation. Da muss man sich aktiv auf den Weg machen. Ich denke, das kann die Brandenburgisch Technische Universität in Cottbus stärken.
Zur Person
Der Wirtschaftsgeograph Oliver Ibert ist Direktor des Leibniz-Instituts für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) in Erkner. Überdies lehrt er als Professor für Raumbezogene Transformations- und Sozialforschung an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU). Ibert studierte Geographie, Germanistik und Politikwissenschaften in Oldenburg. Dort promovierte er über "Innovationsorientierte Planung". Am IRS forschen mehr als 50 Wissenschaftler zum Beispiel über Fragen des Zusammenhangs von Stadtplanung und Wirtschaftsförderung. Es geht um Grundlagenforschung, die Themen sind international.