Interviewanfragen zu ihrer neuen Rolle lehnte Ernst bislang freundlich ab. So lange Scholz nicht offiziell zum Senatschef gewählt sei, sei sie nicht Bürgermeistergattin, lässt sie über eine Fraktionssprecherin ausrichten. Danach werde sie "für sich entscheiden", wie sie auf entsprechende Nachfragen reagiere. Die Aussage passt zu der Unabhängigkeit, mit der Ernst über die Jahre hinweg ihre eigene Rolle in der Hamburger Sozialdemokratie spielte. Seit 1988 ist sie mit Scholz verheiratet, das Paar wohnt seit Studententagen zusammen in einer Altbauwohnung im Stadtteil Altona. Ihre Laufbahn aber hat die Expertin für Bildungspolitik und Gleichstellungsfragen nie an die ihres Mannes gekoppelt.
Während Olaf Scholz in der Landes- und Bundespolitik seine Höhen und Tiefen erlebte, ging die gelernte Kauffrau der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft, die später Sozialökonomie studierte, in der Hansestadt ihren eigenen Weg. Zunächst als Bezirks- und Bürgerschaftsabgeordnete, dann als stellvertretende SPD-Fraktionschefin im Landesparlament und seit 2006 als deren parlamentarische Geschäftsführerin.
Parallel arbeitete die überzeugte Sozialdemokratin, die 1978 im Alter von 17 Jahren in die SPD eintrat, als persönliche Referentin für Senatoren und als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Baubehörde. "Ungerechtigkeit regt mich auf", fasst Ernst in einem Fragebogen auf ihrer Homepage ihre eigene Motivation zusammen. "Wer etwas ändern will, muss sich einmischen. Ich will etwas ändern."
Mit ihrer unaufgeregten, fachkundigen Art hat sich die Politikerin, die nach eigenen Worten eine große Schwäche für belgische Pralinen hat, zur Entspannung Doppelkopf spielt und im Fernsehen gern Comedy und Tierfilme sieht, in der SPD einen hervorragenden Ruf erworben. Wenn norddeutsche Genossen in Wahlkämpfen Schattenkabinette aufstellten, war die Hamburgerin mit den hellbraunen Haaren als mögliche Bildungsministerin oder -senatorin in den vergangenen Jahren meist dabei.
Vor den Bürgerschaftswahlen 2004 holte sie der Hamburger SPD-Spitzenkandidat Thomas Mirow in sein Kompetenzteam, 2008 machte es dessen Nachfolger Michael Naumann genauso. Auch Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner präsentierte sie 2009 in seinem Landtagswahlkampf als Mitglied des Schattenkabinetts. Ernst sei "erste Wahl" als Bildungsministerin, sagte er damals. Einzig die Niederlagen der SPD bei all diesen Wahlen verhinderte bislang ihren Sprung in eine Landesregierung.
Viele in der Partei hätten sie auch nach dem triumphalen Wahlsieg der SPD bei den Bürgerschaftswahlen am 20. Februar gern als neue Senatorin im Hamburger Rathaus gesehen. Dass aber hatte ihr Mann, der die SPD als Spitzenkandidat in ihrer alten Hochburg mit absoluter Mehrheit zurück an die Macht führte, schon frühzeitig ausgeschlossen. Nicht, weil er an ihren Fähigkeiten zweifelte. Sie sei "eine hervorragende Politikerin und eine tolle Frau", ließ sich der in privaten Dingen sonst betont diskrete Scholz vor der Wahl in einem Interview entlocken. Aber aus Gründen des öffentlichen Anstands sei es prinzipiell nicht möglich, dass er als Bürgermeister seine eigene Ehefrau zur Senatorin mache.