Bei der allerersten Stillen Stunde hat Sven Ahlhelm (52), im Kloster Chorin seit Februar für Spiritualität und Tourismus zuständig, gerade mal einen Besucher begrüßen dürfen. Bei der zweiten waren es schon sechs. Die Stille Stunde soll dem Besucher eine Möglichkeit bieten, sich ohne den Besuchertrubel – also nach Ende der offiziellen Öffnungszeiten – ganz ohne ein Wort durch die Anlage zu bewegen. Ein Wagnis, für das Kloster und Sven Ahlhelm selbst auch.
Denn ein touristischer Ort ist das Kloster ja schon lange – seit fünf Jahren wird es von der Gemeinde Chorin als Eigenbetrieb gepflegt und offen gehalten. Das Land Brandenburg hat im Übrigen gerade den Besitzüberlassungsvertrag, der zum Jahresende ausläuft, um weitere fünf Jahre verlängert. Ein Beweis, dass man an diese Kooperation glaubt.
Nach den ersten Teilen der Dauerausstellung zu Schinkel und Chorin sowie zum Klosterbau und der Klosterwirtschaft wird am 23. Dezember ein weiterer Teil eröffnet, der sich den „sprechenden Steinen“ widmet. Der Lehrauftrag des Klosters nimmt so immer konkretere Formen an. Und wird dazu vom Unterhaltungsprogramm durch wiederkehrende Veranstaltungen wie dem Choriner Musiksommer ergänzt.
Das Land Brandenburg als Eigentümer hat in nun 25 Jahren kontinuierlich in die Nutzbarmachung aller Räume investiert. Heute liege nichts mehr im Verborgenen, wie Franziska Siedler, Leiterin des Klosters, betont. Hinter all dem stecke nicht nur Kommerz. Die ursprüngliche Geistlichkeit wie sie Zisterziensermönche in Chorin einst auslebten, werde so zum Teil erfahrbar. Dass die Menschen heutzutage wieder mehr nach abgelegenen und ruhigen Orten suchen, zeige, dass Potenzial in der Idee des spirituellen Tourismus stecke, so Sven Ahlhelm. Die Region geprägt durch Wasser und Wälder, ist geradezu prädestiniert für Momente der Stille, findet der Klostermitarbeiter.
Das Projekt und letztlich seine Stelle wird durch den Europäischen Sozialfonds gefördert und soll eine Netzwerkstruktur in den Landkreisen Barnim und Uckermark entwickeln, die verschiedene Angebote im Bereich Spiritualität verknüpft, mit dem Kloster als Mittelpunkt, erklärt Sven Ahlhelm.
Die Stille Stunde ist die Möglichkeit der inneren Einkehr, sagt Ahlhelm, der in Trampe eine Holzwerkstatt hat. Wenn er die Gäste gegen 18.30 Uhr im Foyer abholt und zum Innenhof begleitet, ist das Kloster geschlossen. Die Besucher können sich frei bewegen, ob im Kreuzgang oder im Klosterschiff. Kleine Texte geben Denkanstöße, in der Küche steht Tee bereit. Sie ist auch der einzige Ort, an dem gesprochen werden darf. Dafür ist es dem Besucher selbst überlassen, ob er ruht oder wandelt.
Dem allerersten Gast dieses Angebots fiel die nötige Konzentration auf sich selbst leicht, berichtet Sven Ahlhelm. Er sei geübt in Meditation. Nicht gerade selbstverständlich. „Ich habe mich auch gefragt, wie ich darauf reagiere“, sagt Sven Ahlhelm. Mit seinen eigenen Gedanken allein zu sein, ist selten geworden. Ein anderer Besucher berichtete von Schwierigkeiten, sich auf einen einzigen Gedanken zu konzentrieren. Eine Herausforderung, aber womöglich nützlich.
Stille Stunde: 30.11., 18.30 Uhr, Kloster Chorin, Eintritt frei
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