Die Syphilis hatte ganze Arbeit geleistet. Einst Staatsfeind Nummer Eins nahm Al Capone dement und inkontinent nur noch phasenweise auf seinem Anwesen in Florida am Leben teil. Das Geld knapp, das FBI vor der Tür, der Mythos des großen Gangsters längst dahin.

10 Mio Dollar gesucht

Der engste Familienkreis kam einmal im Jahr zu Thanks Giving zusammen und konnte dabei im Zeitraffer den Verfall des Mannes erleben, den man hier nur Phonso nannte. Eigentlich kein Grund mehr für eine Komplettüberwachung. Doch die Bundesbehörde war sich sicher, dass der einstige Unterweltkönig von Chicago noch irgendwo zehn Millionen Dollar versteckt hatte.

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In der Hoffnung, dass er dies jemandem in seinem Umfeld erzählen würde, war das herrschaftliche Anwesen komplett verwanzt worden. Doch statt eines Hinweises wurde die Staatsmacht vor allem Zeuge aller möglichen Auswirkungen des körperlichen und geistigen Niederganges des Ex-Verbrechers.

Vom Staatsfeind zum Pflegefall

Er führte die Liste der Public Enemies an und galt viele Jahre als der brutalste Verbrecher in Amerikas Unterwelt. Gleichzeitig gelang es Al Capone, in der Öffentlichkeit und über die Medien ein Bild von sich zu zeichnen, das ihm einen gewissen Legendenstatus einbrachte. Spätestens mit diesem brechen nun Tom Hardy und Josh Trank. Der eine in der Rolle von Scareface, der andere als zuständiger Regisseur eines Biopics, das den Ober-Mobster fast schon als Karrikatur seiner selbst darstellt.

Tom Hardy bis zur Selbstaufgabe

Darauf hat es die Produktion wohl angelegt, denn Capones (Helden)-Taten spielen während der fast zwei Stunden nur eine untergeordnete Rolle. Trank, der auch das Drehbuch verfasste, nähert sich nur dem menschlichen Wrack, dem in regelmäßigen Abständen Körperflüssigkeiten und Exkremente entweichen. Geistig mehr in Wahnvorstellungen oder in der Vergangenheit denn in der Gegenwart, ist Tom Hardy als Phonso meistens nur anwesend, während alles andere um ihn herum passiert. Bis zur Selbstaufgabe in einer Rolle, die alles abverlangt. Sinnbildlich dafür steht jene Szene, in der Capone mit Karotte statt Zigarre im Mund, bekleidet mit Morgenmantel und Windel durch den Garten taumelt und mit goldener Maschinenpistole seine eigenen Leute ummäht.

Siechtum statt Action

Was die Hauptfigur im Laufe der Handlung von sich gibt ist so gut wie nie zu verstehen, geht nur selten über ein Grunzen hinaus. Und so gesellen sich zu den bildlichen Zumutungen noch jene, dass es akustisch nicht wirklich einfach ist. Trank lässt den Zuschauer im Prinzip durch Capone gebrochen die Geschichte erleben, inklusive aller Wahnvorstellungen und Irrungen. Damit wird das nicht zwingend ein leichter Filmabend. Ein verdorbener für jene, die die Highlights einer Gangsterkarriere oder Action erwarten. Und sicher wird so mancher nach dem Sinn eines Filmes fragen, der sich mit dem Siechtum eines Gangsters beschäftigt.

Capone

Genre: Drama; FSK: 16 Jahre; Laufzeit: 103 Minuten; Verleih: Leonine; Regie: Josh Trank; Tom Hardy, Linda Cardellini, Matt Dillon; USA 2020