Berlin 1963. Der Kurfürstendamm entwickelt sich immer mehr zur Prachtmeile. Und dort findet sich nach wie vor die Tanzschule Schöllack. Benimmregeln und Gesellschaftstänze stehen nach wie vor auf dem Programm. Doch der Wandel in Deutschland-West lässt sich nicht aufhalten. Auch nicht bei den Schöllacks.

Töchter auf neuen Wegen

Denn Prinzipalin Catarina ist nach einem schweren Verkehrsunfall - ausgerechnet an Heilig Abend - aus dem Rennen. Tochter Helga übernimmt die Leitung und steht neuen Wegen durchaus aufgeschlossen gegenüber. Vor allem, wenn sie so attraktiv daherkommen wie der argentinische Tanzlehrer Amando. Für den Gatten Wolfgang durchaus eine gute Gelegenheit, das Verhältnis seiner unterdrückten Homosexualität und seinem Job als Verfolger derselben als Staatsanwalt zu überdenken. Auch in der Ehe von Monika kriselt es, nachdem diese eine Fehlgeburt erlitten hat und Joachim sich dafür die Schuld gibt. Zwischen Eva und Professor Fassbender werden dagegen bereits die Scherbenhaufen zusammengekehrt, nachdem dieser übergriffig geworden ist und die deutlich jüngere Frau ihn mit Tonbandaufnahmen erpresst.

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Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt. Der Einstieg in die mittlerweile dritte Tanzschulen-Staffel kommt mit einem ziemlichen Paukenschlag daher. Denn Mutter Schöllack wird bereits im Vorspann vom Tegeler Bus aus dem Geschehen gefahren. So kann man auch einen Generationswechsel einleiten. Deutlich subtiler geht Regisseurin Sabine Bernardi danach in Sachen gesellschaftlicher Wandel zu Werke. Zwei Jahre nach Mauerbau ist Berlin eine boomende Exklave des Westens. John F. Kennedy wird in diesem Jahr seinen berühmten Spruch vom Berliner sagen. Und diese sind durchaus stolz darauf, was sich getan hat.

Wirtschaftswunder in knalligen Farben

Doch nicht nur der Wohlstand des Wirtschaftswunders in der alten Bundesrepublik - den die Filmemacher vor allem in knalligen, fast schon Bonbonfarben und extrem stylischer Mode wie aus dem Katalog seinerzeit optisch umsetzen - auch die Schatten der Vergangenheit sind noch ein Thema. 18 Jahre nach Kriegsende sind Nazi-Ideologie und Antisemitismus immer noch in so manchen Köpfen verankert. Ebenso wie das in Paragraphen gegossene Sittenbild einer früheren Zeit: zehn Jahre Zuchthaus für gleichgeschlechtliche Liebe sind eine ziemliche Ansage.

Der Wandel in Beziehungskisten

Bernardi versucht offensichtlich, ein möglichst breites Spektrum dessen einfließen zu lassen, was damals die Menschen beschäftigte und die Gemüter erhitzte. Dazu gehört natürlich die Beatmusik ebenso wie ein wieder wachsendes deutsches Selbstbewusstsein. Selbst die erstarkende Rüstungsindustrie bleibt nicht außen vor. Und die Mauer sowieso nicht. Etwas viel möchte man sagen, aber zum Glück ist der Vortrag nicht zu plakativ. Im Prinzip wird vieles als Subplots der verschiedenen Beziehungskisten abgehandelt. Das ist durchaus angenehm, weil nicht zu direkt, neigt aber fast schon Richtung Seifenoper. Dadurch kommt schließlich der Unterhaltungsfaktor nicht zu kurz, denn die Mini-Serie soll ja weder Geschichtsunterricht noch politische Bildung sein. Die Mischung von Themenfeldern, Konflikten und Personen ist zwar künstlerisch sehr verdichtet, trägt aber dadurch auch ohne jede Länge über die viereinhalb Stunden Laufzeit.

Ku’damm 63

Genre: Unterhaltung; FSK: 12 Jahre; Laufzeit: 276 Minuten; Regie: Sabine Bernardi; Claudia Michelsen, Sonja Gerhardt, Maria Ehrich; D 2020