Als er sich vor der Konkurrenz nicht mehr sicher fühlte, floh Tommaso Bruscetta nach Brasilien. Kurz zuvor war er aus dem Gefängnis ausgebrochen.

Corleone-Clan wütet in Sizilien

Mit Blick auf den Zuckerhut musste der Pate der Cosa Nostra allerdings erleben, wie der Corleone-Clan in der Heimat Sizilien die Konkurrenz ausschaltete. Auch zwei Söhne Bruscettas wurden ermordet. Nachdem schließlich die brasilianische Justiz ihn an Italien auslieferte, erklärte sich der Sizilianer bereit, mit dem Ermittlungsrichter Giovanni Falcone zusammen zu arbeiten. Auf mehr als 400 Seiten wurde der Bruch des Schweigegelübdes Omerta dokumentiert. Und trotz des Mordanschlages auf den Ermittler kamen schließlich die Spitzen der Cosa Nostra vor Gericht, wurden teils zu langen Haftstrafen verurteilt.

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Dem Umfang des Unternehmens angemessen erzählt nun Marco Bellocchio die Geschichte des Kronzeugen. Doch auch die zweieinhalb Stunden reichen nicht aus, ein vollständiges Bild des Mannes zu zeichnen, der sich selbst immer an einen Ehrenkodex gehalten haben will, den die Cosa Nostra einst auszeichnete. Anhand eines Mordauftrages, der sich durch die ganze Filmhandlung zieht, versinnbildlicht der Regisseur dies. Andererseits streut er auch wieder Zweifel an der - zumindest späteren - Integrität des Ex-Paten. Etwa, als ihn der Anwalt des einstigen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti vor Gericht mehrfach der Lüge überführte.

Teils typischer Mafia-Thriller

Der Sinn der Relativierung erschließt sich nicht ganz, da Bellocchio ansonsten auch eher auf eine tiefere Figurenzeichnung Buscettas verzichtet. Zumindest die ersten eineinhalb Stunden geht es in typischer Mafia-Thriller-Manier zu Sache. Der Säuberungsfeldzug der Corleones wird brutal und mit Einblendung der Opferzahlen in Szene gesetzt, dazwischen der Pate an der Copa Cabana, im Familienkreis und später bei Falcone. Brasiliens Justiz bekommt einen Seitenhieb ab und auch die italienische beim Mammut-Prozess. Als Herr über die Lage werden die Richter mitnichten dargestellt.

Einblicke in organisierte Kriminalität

Während anfangs das Tempo hoch und der Rhythmus gut ist, wird die Aufmerksamkeit der Zuschauer bei den nicht enden wollenden Verhandlungen dann doch auf die Probe gestellt. Da eine allumfassende Darstellung hier eh nicht möglich ist, hätte der Regisseur diesen Part ruhig radikal kürzen können. Schließlich war der Weg, der zur Verhaftung der Mafiosi führte, der interessantere. Am Ende gibt’s ein wenig Einblicke in die Wirkungsweise der Mafia-Strukturen und die Einstellung zu dem, was Kriminelle Ehre und Anstand nennen. Abgesehen von der Länge spannende und auch unterhaltsame wie wissenswerte Stunden in der Welt der organisierten Kriminalität.

Il Traditore

Genre: Thriller; FSK: 12 Jahre; Laufzeit: 153 Minuten; Regie: Marco Bellocchio; Pierfrancesco Favino, Luigi Lo Cascio, Fausto Russo Alesi; I 2019