Luisa, 20, studiert Jura im ersten Semester. Gleichzeitig nabelt sie sich von ihrem gutbürgerlichen Elternhaus ab, zieht in ein alternatives Wohnprojekt. Dort lernt sie zivile, gewaltlose Formen des Widerstandes gegen all jenes, was nicht in ihr Weltbild passt. Aber sie hat auch Kontakt zu gewaltbereiten Zeitgenossen.
Diese schließlich sind es, die auf die junge Frau den größere Einfluss ausüben. Kein Wunder, hilft ihr doch Alfa, aktives Mitglied bei der Antifa, gleich beim ersten Klassenkampf aus der Patsche. Die Verwirrung eines Tortenwurfs auf eine Vertreterin einer rechten Partei nutzt die Studentin, einem der Ordner das Handy zu entwenden. Der Vergeltung kann sie nur entkommen, weil Alfa den anderen mit einer Eisenstange fast tot schlägt.
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Fortan löst sich Luisa von Freundin Batte, die dem friedlichen Flügel angehört, und geht mit Alfa, dessen Kumpel Lenor und anderen auf Tour. Autos zerstören, Rechte verprügeln und Nazis ins Fadenkreuz von Vaters Jagdgewehr nehmen - die Liste der Aktivitäten ist lang und grundsätzlich außerhalb des gesetzlichen Rahmens, den die Jurastudentin nur zu genau kennt. Das hält sie auch nicht von weiteren Planungen ab, selbst, als sich ihre Mitstreiter - ins Visier der Polizei geraten - zurückziehen.
Rechte Strukturen überall
Julia von Heinz hat in „Und morgen die ganze Welt“ ihre eigenen Erfahrungen in der Antifa verarbeitet. Und obwohl die Regisseurin deren Aktivitäten mit Beginn der 2000-er für beendet betrachtet und heute nur noch als Haltung sieht, siedelt sie ihren Film in der Neuzeit an. Ein deutlicher Rechtsruck in der Gesellschaft und Misstrauen in Staatsorgane wie Polizei, Verfassungsschutz und Bundeswehr, weil es dort viele Überschneidungen mit rechten Strukturen gäbe, hätten sie geleitet, erklärt sie in Interviews.
Gewalt als Bestrafung
Dabei begründet sie die Gewaltanwendung mit dem Verweis auf Artikel 20 des Grundgesetzes, nachdem „alle Deutschen das Recht zum Widerstand“ hätten, wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Gefahr wäre. Dass ausgerechnet Linksradikale hier als Gralshüter der Demokratie inszeniert werden, scheint angesichts der Bilder zumindest fragwürdig. Denn die gegen Sachen und Menschen gerichtete Gewalt wird als Bestrafung legitimiert. Zu keinem Zeitpunkt scheint ersichtlich, dass die Zielpersonen dadurch ihre Meinung ändern würden. Zudem werden die Rechten hier vor allem als tumbe Idioten dargestellt, die wohl keine anderen Argumente als Eisenstange und Faust verstehen würden. Das ist inhaltlich wenig argumentativ und baut eher Vorurteile in alle Richtungen auf, denn ab.
Wohlstandskids im Klassenkampf
Glaubwürdiger ist da schon eher die Person der Luisa. Wohnte bisher in einem noblen Landhaus, fährt ihre Mitstreiter zum Einsatz auch mal in Papas Porsche und weiß sich wohl sicher, wenn es hart auf hart mit dem Gesetz geht. Dem unterschwelligen Vorwurf, dass für die Wohlstandskids es immer eine bürgerliche Ausfahrt vom Klassenkampf gibt, widerspricht von Heinz hier nicht. Dennoch erscheint der Film und vor allem dessen Verlagerung ins Hier und Jetzt wie eine Rechtfertigung fürs eigenen Tun vor knapp 25 Jahren - seht her, ich hab’s ja schon damals kommen sehen.
Zwei Sichten aufs Grundgesetz
Ob Streifen wie dieser fähig sind, gesellschaftliche Konflikte zu lösen oder nur zur Radikalisierung beitragen, muss jeder für sich entscheiden. Die Regisseurin überstrapaziert ein wenig den Actionpart, indem sie diesen auch noch mit wackeliger Handkamera begleitet. Das wirkt geradezu verharmlosend. Zugleich stellt sie sich damit gegen jenen Artikel des Grundgesetzes, den sie selbst eingehend zitiert und als Handlungsberechtigung der Antifa ansieht. Denn weiter unten wird explizit aufgeführt, dass die Exekutive die vollziehenden Gewalt darstellt und nicht ein politisches Aktionsbündnis.
Ganz klar ein streitbarer Film, einer, der provozieren soll, was allein schon durch die Verwendung einer NS-Liedzeile als Titel zum Ausdruck kommt.
Von solchen Produktionen haben wir in Deutschland durchaus zu wenige. Das ist unbestritten.