Man nennt ihn auch salopp den Rucksack-Wrangler, und das ist nicht ganz falsch. Schließlich basiert der Gladiator auf diesem und setzt seit 2019 als Pick-up neue Akzente in der Welt der Nutzfahrzeuge. Den ersten Gladiator gab es bereits vor 60 Jahren und dieser wurde bis 1988 gebaut. Nun kehrte der Pick-up zurück.
Motor
Anders als beim Jeep Wrangler ist der Jeep Gladiator in Europa mit einem Sechszylinder-Turbodiesel ausgestattet. Der V-Motor leistet 264 PS und kräftige 600 Newtonmeter Drehmoment als Maximum. Die Kraftübertragung übernimmt stets eine 8-Stufen-Automatik. Der Diesel läuft ruhig, aber nicht so ruhig wie einer der tollen Reihensechszylinder von Land Rover oder BMW. Dennoch ist das typische Nageln am ehesten während der Kaltstartphase zu vernehmen und schwindet später auf ein sehr geringes Geräuschniveau.
Karosserie/Ausstattung
Die Ähnlichkeit zum Jeep Wrangler ist unübersehbar. Vor allem die Front gleicht der des Geländeklassikers nahezu eins zu eins. Selbst die sieben Lüftungsöffnungen im Grill sind hier zu finden. Der einzige Unterschied zum Wrangler ist die Lufthutze auf dem Powerdome der Motorhaube anstatt der seitlichen Lüftungsschlitze – das war es auch schon.
Seitlich betrachtet, wirkt der Gladiator wie ein Wrangler mit Ladefläche und ist zudem deutlich länger. Satte 71 Zentimeter mehr an Fahrzeuglänge offeriert dieser Pick-up und auch der Radstand wurde um 48 Zentimeter verlängert. Die Ladefläche selbst bietet mit 1,53 Metern Länge und 1,13 Metern Breite zwischen den Radkästen nicht wesentlich mehr Platz als die eines VW Amarok oder Ford Ranger. Selbst die Bordwand ist nicht signifikant höher als die der Pendants und als maximale Breite der Ladefläche maßen wir 1,45 Meter.
Dafür gibt es im Innenraum Platz in Hülle und Fülle. Das gilt für vorne und auch hinten, wo sich selbst großgewachsene Personen pudelwohl fühlen dürften. Lediglich die Lehnenverstellung im Fond ist durch den vertikalen Abschluss der Passagierkabine etwas eingeschränkt. Die Rücksitze können außerdem verschiedenartig umgeklappt werden: Die Sitzflächen nach oben, die Lehnen nach vorn – schon lässt sich der Fondbereich vielfältig nutzen.
Die Materialien im Innenraum wirken solide und erwecken den Eindruck, dass sie langlebig auch einer etwas raubeinigen Beanspruchung standhalten können. Das Multimediasystem Uconnect wurde – wie auch der Rest – vom Wrangler übernommen und sichert so eine einfache und strukturierte Bedienung des Riesen auch während der Fahrt. Wer einen Wrangler kennt, steigt vorne ein und fühlt sich wie daheim. Android Auto oder Apple CarPlay funktionieren bestens, wenn dafür auch ein angeschlossenes USB-Kabel erforderlich ist.
Das LED-Licht ist in puncto Helligkeit und Reichweite eine Wonne und macht jede Nachtfahrt zum sicheren Unterfangen. Akustisch spielt eine keiner Marke zugehörige Soundanlage auf, die aber gehörig was zu bieten hat. Sehr voluminös und mit viel Tieftonreserven macht sie den Innenraum des Gladiators bei Bedarf auch zum Dance-Club.
Wenn man die passiven Sicherheitssysteme mit den aktiven addiert, bietet der Jeep Gladiator über 65 dieser Systeme an. Bei den aktiven Systemen reicht das Angebot vom Totwinkelwarner über den adaptiven Tempomaten bis zum Auffahrwarnsystem und vielen mehr.
Fahrverhalten
Der Gladiator besitzt einen Kastenrahmen und ein Allradsystem mit Untersetzung und Sperren. Dadurch besitzt er volle Geländetauglichkeit und diese ist so ausgeprägt, dass er unter den Pick-ups sehr wahrscheinlich keinen echten Konkurrenten fürchten muss. Lediglich der relativ kleine Rampenwinkel – geschuldet durch dem langen Radstand – schränkt das Offroadpotenzial des Gladiators etwas ein. Dennoch ist das Modell natürlich „Trail Rated“ – eine Plakette an der Fahrzeugseite bestätigt die von Jeep geprüfte Geländetauglichkeit.
Auf befestigten Straßen fährt sich der Pick-up etwas burschikos, aber doch recht einfach. Lediglich der etwas unruhige Geradeauslauf wäre zu kritisieren. Wenn der Gladiator grobstollige Geländereifen trägt, ist diese Unart mit Sicherheit noch ausgeprägter. Das ständig notwendige Korrigieren nervt besonders bei höheren Geschwindigkeiten auf der Autobahn irgendwann. Außerdem machen ihn seine Abmessungen nicht unbedingt prädestiniert für enge Innenstadtgassen. Auch sein großer Wendekreis von über 13 Metern ist da nicht hilfreich. Zumal eine Parklücke von notwendigen reichlich sechs Metern erst einmal gefunden werden muss.
Doch nutzt man ihn als Zugpferd, spielt er seinen Joker aus. Bis zu 2722 Kilogramm dürfen an den Haken und das kraftvolle Drehmoment von 600 Newtonmetern, die bereits ab 1400 Touren verfügbar werden, lässt diesen Jeep auch an Steigungen nie die Puste ausgehen.
Wirtschaftlichkeit
Beim Verbrauch zeigt sich, dass es auch was kostet, einen knapp 2,4 Tonnen schweren Pick-up derart in Bewegung zu setzen. Im Drittelmix flossen bei uns auf 100 Kilometer 10,5 Liter Diesel durch die sechs Brennkammern. Die Werksangabe von 9,6 Litern haben wir in dieser Disziplin nicht erreichen können. Aber es geht durchaus auch anders, denn auf der Sparrunde bei permanent defensiver Fahrweise und sehr dezentem Einsatz des Gasfußes, kamen wir auf einen Wert von 5,9 Litern.
Und wenn es um den Kaufpreis eines Jeep Gladiator geht, stellt sich schnell die Frage, ob das wirklich noch als Nutzfahrzeug zu deklarieren ist. Mindestens 60.500 Euro kostet der Pick-up in der einfachsten Ausstattung „Sport“. Unser Test-Gladiator gehörte zur Ausstattungslinie „Overland“ und war ab 73.500 Euro zu haben. Mit einigen zusätzlichen Features ist man schnell jenseits der 80.000 Euro.
Fazit
Wer einen Wrangler liebt und eine Ladefläche vermisst, ist beim Jeep Gladiator goldrichtig. Er bietet für seine Insassen viel Platz und verwöhnt diese mit seiner hochwertigen Ausstattung und diversen Optionen. Der bärenstarke V6 ist ebenfalls einen Daumen nach oben wert, denn diesen gibt’s im Wrangler nicht für Geld oder gute Worte.
Gelände kann und mag der Pick-up genauso wie sein deutlich kürzeres Pendant Wrangler. Seine Ladefläche ist allerdings eher Show als Kernkompetenz, hier bietet er nicht mehr als klassische Pick-ups. An Lifestyle kann ihm allerdings kaum einer das Wasser reichen. Er ist und bleibt mit Sicherheit eine Seltenheit auf unseren Straßen, denn Pragmatiker sparen sich lieber einige Zehntausender und fahren einen Mitsubishi L200 oder Ford Ranger und harte Petrolheads legen sich für das Geld lieber einen RAM 1500 oder einen Ford F150 zu – beide mit bollerndem V8 und noch mehr Platz in allen Bereichen. Im Gelände lässt der Gladiator alle Genannten dann aber wieder ganz schön alt aussehen.
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