Wer besser hört, gewinnt schneller. Das ist nicht nur ein lockerer Werbespruch, sondern hat sich in der Welt der Multiplayer-Online-Games längst bewahrheitet. Von Fortnite bis Destiny 2, den Gegner akustisch zuerst orten zu können, bevor man ihn sieht, ist ein klarer Vorteil.
Wer besser hört, siegt öfter
Gute Headsets sind also ein Muss, denn die räumliche Wahrnehmung über das Gehör funktioniert hier besser als über eine Surround-Anlage, die den ganzen Raum beschallt. Doch Kopfhörer ist nicht gleich Kopfhörer. Auch wenn die Masse als geschlossenes System daherkommt, gibt es ebenso Vertreter der offenen Bauweise, bei dem der Schallwandler nach außen hin höchstens mit einem Schutzgitter gegen mechanische Beschädigungen abgeschirmt ist.
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Dazu gehört das GDL3 von Audio-Technica. Die Japaner haben einen durchaus guten Namen vor allem bei highendigen Kopfhörer-Freunden. Etwas Glanz der Spitzenprodukte soll so auch auf das Gaming-Headset fallen, dem der Hersteller den Zusatz „high fidelity“ verpasst. Ein deutlicher Fingerzeig in Richtung Musikhören. Das Metallgitter als Schutz für die Treiber ist der optische Ausdruck dessen, was der Nutzer beim ersten haptischen Kontakt erlebt: leicht, sehr leicht. Gerademal 220 Gramm bringt es auf die Waage. Da ist das Steath 700 Gen 2 Max von Turtle Beach aus ganz anderem Holz bzw. Plastik gemacht. Nicht nur vom Aussehen her sehr massiv, denn es ist in der Tat doppelt so schwer wie der Konkurrent. Da, wo das GDL3 einen zarten Metallbügel, nur geschützt durch eine Gummilippe über den Kopf legt, kommt beim Max eine breite Schiene zum Einsatz, die mit einer kunstlederbewehrten Unter- und einer festen Kunststoff-Oberseite komplettiert wird.
Schwer- gegen Leichtgewicht
Das Bild setzt sich bei den Ohrpolstern fort. Die Japaner verwenden relativ schmale, veloursbemantelte Memory-Foam-Ringe, die interessanterweise genau mit der Naht am Kopf aufsetzen - und zwar weit außerhalb selbst großer Ohren. Hier wurde offensichtlich alles der Leichtbauweise unterworfen, was aber beim kritischen Draufblick nicht wirklich einen hochwertigen Eindruck macht. Aber auch die Kalifornier bleiben sich treu. Im Innendurchmesser deutlich kleiner, von außen aber kaum ein Unterschied. Hier ist also sehr viel mehr an gel-gekühltem Memory-Foam in den Ohrpolstern verbaut worden. Manch ein Zeitgenosse könnte das knappe Platzangebot innen gar als eng empfinden. Entsprechend auch das Tragegefühl. Fast ein halbes Kilo Headset auf dem Kopf merkt man natürlich, wenngleich der Komfort durchaus gut ist. Beim Audio-Technica dagegen könnte man glatt vergessen, dass Kopfhörer mit an Bord sind, da neben den wenigen Gramm auch so gut wie kein Druck ausgeübt wird. Entsprechend deutlich lockerer der Sitz. Mag nicht jeder. Zudem ist fraglich, ob das wirklich ein Vorteil während der Game-Action ist.
Auch als Kopfhörer für Musik
So erweisen sich die Japaner fast schon als doppelt offen gebaut. Zum einen kommt um die verwendeten 45-mm-Treiber herum genügend Umwelt nach innen und dann lässt die Muschel-Konstruktion den Rest auch noch rein. Das ganze Gegenteil dann bei den Amis. Dicke Polster, geschlossene Konstruktion und relativ hoher Anpressdruck, das nennt man dann auch passive Geräuschunterdrückung. Sicher nicht ungewollt, denn auch die Stealth 700 Gen 2 Max wollen sich neben dem Gaming fürs Musikhören empfehlen. Die Art der Konstruktion hat dann natürlich Auswirkungen auf den Sound und das Hörgefühl.
Geschmack entscheidet
Turtle Beach liefert hier das, was der Gamer von Headsets bisher gewohnt ist. Die 50-mm-Treiber bedienen das vom Menschen hörbare Frequenzspektrum, wobei besonders die Bässe herausgearbeitet werden. Es wird im Kopf eine relativ breite Bühne erzeugt, die sehr gute räumliche Zuordnung zulässt. Dabei funktioniert links, mitte, rechts immer besser als vorn und hinten. Der Höreindruck ist sehr direkt, so wie man es eben von Kopfhörern kennt. Beim GDL3 dagegen ist das Hörgefühl eher indirekt, in etwa so, als würde man vor einer Surroundanlage sitzen, die vor allem die vorderen Kanäle bedient. Bei ersten Hörtests hatten wir das Gefühl, nicht die Hörer, sondern tatsächlich noch die Standboxen lieferten den Sound. Bässe werden eher unterstützend erzeugt, nicht so vordergründig, was ebenfalls dem klassischen Surround-Setup entspricht. Das Klangbild ist insgesamt luftiger, die räumliche Zuordnung damit entsprechend schwerer. Hier merkt man deutlich die Gene des Headsets im HiFi-Bereich. Aufgrund der unterschiedlichen Bauweise und des damit differierenden Hörerlebnisses ist es vor allem eine Frage des persönlichen Geschmacks, was nun besser ist.
Mit Kabel oder ohne
Das hängt natürlich mit den weiteren Einsatzmöglichkeiten der Lauscher zusammen. Denn beide Vertreter beschränken sich nicht auf ein System und Genre. Sie sehen die Headsets auch als Kopfhörer für den Musikgenuss, was sich an der Konnektivität festmachen lässt. Auch hier unterscheiden sich die Kandidaten wie Tag und Nacht. Denn Audio Technica hat das Federgewicht mit der Entscheidung erkauft, konsequent auf Kabel zu setzen. Linksseitig findet sich der Eingang für eine 6,35-mm-Klinke, am anderen Ende eines 1,5-Meter- Kabels eine 3,5-mm-Klinke. Dann gibt es noch eine Drei-Meter-Strippe, deren andere Seite sich in eine Kopfhörer- und eine Mic-Klinke aufsplittet. Das ist insofern ungewöhnlich, als dass diese getrennte Verbindung von modernen PCs und Laptops gar nicht mehr unterstützt wird. Hier käme dann - wie bei den Joypads von Playstation und XBox wie ebenso bei Smartphones mit entsprechendem Eingang - auch das kürzere Kabel zum Einsatz, das sich in der Praxis allerdings als sehr knapp erweist. Bei Turtle Beach geht man da konsequent einen anderen Weg. Kabel gibt‘s nur zum aufladen. Ansonsten sorgt ein Dongle für die Verbindung zu Konsole oder PC via 2.4 Ghz. Wahlweise darf auch über Bluetooth gepairt werden. Allerdings steht hier nur der etwas ältere Standard 4.2 zur Verfügung. Nüchtern betrachtet lässt sich das Stealth 700 Gen 2 Max also mit allem verbinden, was über USB-Ausgang oder BT verfügt. Und das sogar gleichzeitig. Also mit der Konsole zocken und trotzdem mit dem Handy für Anrufe verbunden sein. Da ist das GDL3 deutlich wählerischer.
Gut auch fürs Meeting
Ob Online-Game oder Video-Meeting, beide Kandidaten sind dank verbautem Mikrofon auch in Sachen Chat mit dabei. Audio Technica verwendet ein abnehmbares Schwanenhals-Mic, das sich beliebig und flexibel zurechtbiegen lässt. Turtle Beach setzt auf das bekannte und in der linken Muschel verstaubare Mikrofon, das beim Einklappen gleich gemutet wird. Bei den Japanern gibt es dafür einen extra Schiebeschalter, der etwas schwergängig ist. Das gilt auch für den Lautstärkeregler, der dazu so filigran ausgelegt wurde, dass er von großen Männerdaumen fast nicht zu bedienen ist. Das haben die Amis deutlich eleganter gelöst. Die beiden Einstellräder für Lautstärke gesamt und Chat sind zwar gleich groß, ersteres läuft aber mit einer deutlichen Rasterung, was beim Unterscheiden hilft. Auf Mic-Monitoring kann beim GDL3 natürlich verzichtet werden, da man beim Chat seine eigene Stimme ausgezeichnet hört. In Sachen Qualität gibt es bei beiden Mikrofonen nichts zu bemängeln. Die Verständigung klappt gut.
Wie erwähnt, schielen beide Hersteller auch auf die reine Audio-Wiedergabe durch ihre Headsets. Hier sehen wir ganz klar Vorteile bei Audio-Technica. Musik kommt luftig und transparent daher, sie wird weniger analytisch zerlegt wie bei Turtle Beach. Allerdings führt die offene Bauweise des GDL3 auch dazu, dass nichts drinnen bleibt. Die Umgebung wird also ebenso mitbeschallt. Gerade in der Öffentlichkeit vielleicht nicht das, was der User oder unsere Mitmenschen wollen. Am Ende ist die musikalische Seite wohl eher nur eine Dreingabe abseits des Haupt-Einsatzzweckes.
Test-Fazit
Ob offene oder geschlossene Bauweise eines Gaming-Headsets hängt also in hohem Maßen von persönlichen Vorlieben in Sachen Sound und den Einsatzbedingungen ab. Wer klassische Surround-Anlagen gewohnt ist, wird sich bei Audio Technica nicht groß umgewöhnen müssen und ist zudem beim Musikgenuss recht gut aufgestellt. Die Gene zu den audiophilen Kopfhörern der Japaner lassen sich nicht verleugnen. Direkter und kompromissloser ist das Hörvergnügen allerdings bei Turtle Beach. Diese Hörer sind für Musik allerdings nur die zweite Wahl. Das gilt nicht in Sachen Konnektivität. Kompromisslos wireless und fast mit allen Geräten koppelbar ist vor allem auch für jene interessant, die nicht nur ein System ihr Eigen nennen. Die Anschlussvielfalt hat Audio Technica dem unbedingten Willen zur Leichtigkeit geopfert. Wer diese genießen will, muss Kabel mögen, selbst das etwas zu kurze für den Anschluss an moderne Laptops. Mit 40 Stunden Spieldauer läuft beim Stealth 700 Gen 2 Max niemand Gefahr, die Session aus Strommangel unterbrechen zu müssen. Dafür verlangen die Amis mit knapp 200 Euro allerdings so viel wie bisher für kein Headset. Das GDL3 ist mit knapp 130 Euro dagegen deutlich billiger.