Über Geld spricht man bekanntlich nicht. In Mayfair hat man es. Dort, wo am frühen Morgen junge Damen ihre Designerhündchen und ältere Herren ihre Ferraris oder McLaren Gassi führen, ist London am exklusivsten. Hier aus der Masse herauszustechen, ist allerdings weniger eine Frage des Vermögens. Es hilft vor allem Kultur, Geschichte und - Stil.
Vom ersten Haus am Platze ist für gewöhnlich die Rede, wenn es um das beste Hotel der Gegend geht. Angesichts des Sternen-Himmels in Mayfair dürfte eine Hitliste aber kaum objektiven Gesichtspunkten gerecht werden. Elegant sind sie alle und teuer sowieso. Andere Kriterien müssen also her.
Queen Victorias Thron-Besteigung
Da hilft mitunter ein Blick in die Historie des Stadtviertels. Und in der spielte ein gewisser James Brown keine unwesentliche Rolle. Als Butler von Lord Byron - ja, jenem wohl wichtigsten Vertreter der englischen Romantik - hatten Brown und seine Frau, auch mit dem Geld, das der Kammerdiener vom Adligen nach dessen frühem Tod erbte, mehrere Häuser in der Dover Street erworben und diese zu einem eleganten Gasthaus umgebaut. Eröffnet 1837, im selben Jahr, in dem Queen Victoria den Thron bestieg, gilt Brown’s Hotel damit als erstes und mittlerweile ältestes in London. Dass die Adresse heute mit der Albemarle Street angegeben wird, ist indes kein Widerspruch. Denn dort wurde 1889 das rückseitig an Brown’s gelegene St. Georges Hotel erworben und mit selbigem vereint. Jahrelang hatte das Haus somit tatsächlich zwei Eingänge.
Hotspot für Luxus-Shopping
Der direkt gegenüber der Royal Arcade ist geblieben. Durch diese wirklich elegante und typisch Londoner Einkaufspassage gelangt man zur Old-Bond-Street, die zusammen mit der New-Bond-Street den Hotspot für Luxus-Shopping in der britischen Hauptstadt darstellt. Wer Burlington Gardens drei Blocks Richtung Osten folgt, landet schließlich in der Savile Row. Nicht erst seit dem Blockbuster „The Kingsman“ ist bekannt, dass hier die besten und wohl auch teuersten Maß-Schneider der Welt zu Hause sind. Ob sie zudem als Agenten tätig sind, ist nicht bewiesen. Auf Straßen-Niveau wird zumindest ein Blick auf den feinen Zwirn freigegeben, eine Etage tiefer ist dazu oft auch der Werkstatt-Bereich einsehbar. Handwerk hat hier ganz offensichtlich noch echt goldenen Boden.
Bescheidene Fassade, üppiges Interieur
Durch die Royale Arcade zurück in der Albemarle Street steht der Besucher dann wieder vor Brown’s Hotel. Anders als die Geschäfte internationaler Designer in unmittelbarer Nähe wirkt die georgianische Fassade des Komplexes fast schon bescheiden. Üppig wird’s dann drinnen. Denn neben viel Holz als Dielung und Wandtäflung fallen vor allem die üppigen Floral- und Vogelmotive auf, die ein wenig den Eindruck erwecken, als sei über den Stuckdecken tatsächlich ein Stück Urwald zu finden. Das trifft vor allem auf die zwar kleine, aber mit Kuppeldecke und Oberlicht versehene Lobby zu. Womöglich wurde Olga Polizzi, Director of Design der Rocco Forte Hotels, zu denen Brown’s seit 2003 gehört, von einem besonders illustren Gast dazu animiert.
Geburtsort des Dschungel-Buches
Denn im Laufe der 185 Jahre seines Bestehens hat die mittlerweile Luxusherberge sicherlich viele Prominente ihrer Zeit gesehen. Einige stechen dabei besonders heraus. Rudyard Kipling etwa. Der britische Schriftsteller verbrachte hier seinen Honeymoon 1892 und kehrte danach bis zu seinem Tode 1936 regelmäßig zurück. 1894 und 95 schrieb er maßgeblich bei Brown’s beide Teile von „Das Dschungelbuch“, von dem es heute sogar eine spezielle Hotel-Ausgabe mit dem Verweis auf die Entstehungsgeschichte gibt.
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Dem Dichter zu Ehren hat das Hotel vor sechs Jahren eine Kipling-Suite eröffnet, die die Essenz dessen darstellt, was der gutbetuchte Gast erwarten darf. Davon profitieren auch alle anderen in den übrigen 113 Zimmern. Jedes ein Unikat, niemand muss in Sachen Stil und Individualität irgendwelche Abstriche machen.
Technischer Vorreiter
Gegenüber dem großen Kamin im Wohnbereich der Kipling-Suite stößt der Besucher dann auf den nächsten Promi und eine weitere Premiere. Ein paar Jahre vor dem Schriftsteller war nämlich Alexander Graham Bell ebenfalls vor Ort. Nicht nur einer Übernachtung wegen. Der schottische Erfinder hatte seinen Telefon-Apparat so weit entwickelt, dass er von einem Zimmer im Brown’s aus den ersten richtigen Anruf der Welt tätigte. Keine Frage, dass das Hotel später dann in London zu jenen gehörte, die man als erste an die Leitung bekam. Eine Replika von Bells Erfindung gibt es heute noch vor Ort. Überhaupt war man in der Dover-Street technischen Neuerungen sehr aufgeschlossen gegenüber. Ein Öl-Generator sorgte ab 1884 für elektrisches Licht in den Räumen und Ende der 1880er wurde als eines der ersten Häuser Londons ein Fahrstuhl eingebaut.
Mitten im Herz von London
Unter den illustren Gästen von Brown’s Hotel - neben weiteren Schriftstellern wie Mark Twain oder Steven King, gekrönten wie auch Staatsoberhäuptern von Franklin D. Roosevelt über Georg II. von Griechenland bis Haile Selassi - finden sich jedoch keine, die vor allem für Großbritannien, England, London so wichtig wären: die Royals. Zumindest nicht über Nacht. Der Grund ist ein denkbar einfacher. Buckingham Palace ist zu nah, selbst in Zeiten, als man noch eine Droschke nutzte. Keine fünf Fußminuten sind es bis zur Underground „Green Park“, die an selbigem liegt. Den durchquert man in ebenfalls schnellen 15 Minuten und steht schon vorm verschlossenen Tor der königlichen Residenz. Mayfair liegt einfach mittendrin in London, fußläufig zu allem, was der Tourist sehen will und auch muss. Weiter durch den St. James Park sind Downing Street und Big Ben ebenfalls nur eine Viertelstunde entfernt. London Eye ist dann einfach über den Fluss hinweg erreichbar. In der anderen Richtung liegen mit Regent Street und Soho die Shopping und Vergngügungs-Ziele für Normalverdiener sozusagen gleich vor der Tür. Selbst Covent Garden ist in Reichweite eines ausgedehnten Spazierganges.
Legendäre englische Tradition
Spätestens hier jedoch, im trubeligen, teils überfüllten touristischen und einheimischen Hotspot, sehnt sich so manch Besucher nach der distinguierten Atmosphäre bei Brown’s zurück, so wie sie beim typischen English Afternoon Tea herrscht. Dieser gilt als einer der, wenn nicht gar der beste in London und folgt einer langen Tradition. The Drawing Room mit seinen 70 Plätzen ist dafür nachmittags regelmäßig ausgebucht. Serviert wird, was dazu gehört, 17 exklusive Tees, eine Auswahl an Sandwiches, die berühmten englischen Scones inklusive Clotted Cream und Konfitüre sowie Gebäck. Wer mag, toppt mit Champagner und lauscht über zwei Stunden der Musik von Klavier und Kontrabass. Statt Lunch folgt am Abend meist nur noch ein Bier im Pub. Der Doorman empfiehlt dafür gern solche in Kensington, weil man auf den zweieinhalb Meilen dorthin die gerade angefutterten Kalorien wieder loswerden würde. Der Umgang im Hotel ist zwar respektvoll, aber nie steif und stets mit einer gesunden Brise britischen Humors versehen.
Berühmtester Barkeeper der Welt
Doch weder für ein kühles Getränk noch ein gutes Dinner muss man weit laufen. Mayfair bietet so ziemlich alles an Qualität und Preis, was sich der hungrige oder durstige Gast wünscht. Wem der Concierge nichts Passendes anbieten kann, der bleibt am besten vor Ort. Denn im Brown‘s ist man schon traditionell sehr gut aufgehoben. Wen wundert’s? Wie nicht anders zu erwarten, wurde hier auch noch das erste Hotel-Restaurant Londons eröffnet. Davor speisten die Gäste stets auf ihren Zimmern. Charlie’s steht heute für das Beste der britischen Küche in einer Kombination mit kontinental-europäischen Einflüssen, kreiert von Sterne-Koch Adam Byatt. Wer es gern leichter und legerer hätte, ist im neuen The Supper Club richtig, der ebenfalls im The Drawing Room zu Hause ist. Britische Clubatmosphäre bei klassischer Hausmannskost mit einem netten Cocktail. Den bekommt man freilich auch in The Donovan Bar. Hier residiert Salvatore Calabrese, einer der berühmtesten Barkeeper der Welt. Der mixt Klassiker wie Eigen-Kreationen, serviert aber auf Wunsch auch sogenannte Vintage-Cocktails, deren alkoholische Zutaten tatsächlich mehrere Jahrzehnte alt sein können. Mit Preisen ab 250 Pfund aufwärts allerdings eher nichts für jeden Tag.
Von Geschichte bis Alltags-Kultur
Am Ende ist Mayfair ein Komplett-Erlebnis in Sachen jüngerer britischer Geschichte und Alltags-Kultur, gewürzt mit gehobenen Hauptstadt-Flair. Nicht eben billig, aber einmalig, so wie das Brown’s. Hier erlebt der Besucher living history und Tradition, ganz viel davon verpackt in typisch britisches Understatement. Man muss dafür nicht zwingend ein Zimmer buchen, denn die gastronomischen Einrichtungen sind für die Öffentlichkeit frei zugängig. Empfehlenswert wäre in jedem Fall allerdings eine Reservierung. Denn so versteckt die Albemarle Street vielleicht auch sein mag, es führt kein Weg an ihr vorbei, sofern man Mayfair wirklich erleben will. Und das ist mittlerweile das Ziel von vielen, Einheimischen wie Touristen.