„Mit dem Auto fahren, kann ja jeder“, meint Michael Städler und lacht. Der Franke ist schon seit dem 1. Mai unterwegs. „Als ehemaliger Landwirt will ich das Land erkunden“, sagt er. Die Städte würden ihn dabei weniger reizen, er wolle nah an der Natur sein, erklärt er. So führte ihn die Reise von seinem fränkischen Heimatdorf Ettenstatt, über Sachsen und die Lausitz bis ins Oderland. Sein Fendt mit Wohnwagen, mehrfach ist vom „Mercedes unter den Treckern“ die Rede, habe bisher gut durchgehalten, berichtet Städler. Auf dem Grundstück seines Großcousins Bernd Emmerling in Haselberg steht sein Fendt 250s Traktor, der 1989 vom Band lief – ein junger Oldtimer also.
Der Haselberger und sein entfernter Verwandter aus dem fränkischen Seenland teilen ein gemeinsames Interesse: Oldtimer-Traktoren. So passte es gut, dass der ehemalige Landwirt Städler auf seiner Deutschlandtour bei Emmerling Rast machte.1000 Kilometer habe er seit dem Start zurückgelegt – insgesamt 46 Stunden saß er seither auf dem Schlepper. Der habe sich schon für längere Touren bewährt: 2018 fuhr er mit der Oldtimer-Zugmaschine 900 Kilometer in die Schweiz und 600 Kilometer zur Oldtimer-Traktor-Weltmeisterschaft in Bruck-Fusch in Österreich.
Geplant habe er die „Deutschlandtour“, wie er sie nennt, schon lange, so der Franke. Nun sei er relativ kurzfristig aufgebrochen. So rief er bei seinem ebenfalls Trecker-begeisterten Großcousin Emmerling an, der sich gefreut hat, von seinem Verwandten zu hören. „Michael war noch nie hier“, sagt Emmerling. Städler hatte in den Erzählungen der Verwandtschaft schon oft von Haselberg gehört. Es sei so, wie er es sich vorgestellt habe, sagt Städler. Besser hätte das Wetter bei seinem Aufenthalt am Sonntag in Haselberg kaum sein können: Die Sonne schien und der Raps blühte – der Wonnemonat Mai zeigte sich eben von seiner besten Seite.

Gemeinsames Hobby verbindet

Die Großväter der beiden Großcousins waren Brüder. Während des Kalten Krieges waren die beiden Familienzweige durch den „eisernen Vorhang“ getrennt. Der Familienzweig von Emmerling lebte in der DDR, der von Städler in der alten Bundesrepublik. Und so passe es doch gut, meint Städler, dass der Traktor, mit dem er jetzt den Osten der Republik erkundet, im Wendejahr 1989 gebaut wurde. Dass die beiden Pensionäre sich verstehen, merkt man sofort. Schließlich teilen sie ein gemeinsames Hobby:
Der ehemalige Schulrat und Lehrer Emmerling besitzt nämlich selbst einige altehrwürdige Zugmaschinen, darunter ein Traktor der Firma Zettelmeyer aus dem Baujahr 1939. Sein absoluter Liebling ist aber ein 1938 hergestellter Lanz Bulldog. „Der fährt eigentlich mit allem“, berichtet Emmerling, „wenn ich mit dem hier fahre, hört man das bis Biesdorf.“ Bulldog-Traktoren sind für ihren charakteristischen Klang bekannt, der aus dem großen Hubraum des Einzylindermotors und den äußerst niedrigen Drehzahlen resultiert.

55 PS aus zehn Litern Hubraum

„Aus zehn Litern Hubraum schöpft er 55 PS“, erklärt der Haselberger über die Leistungsausbeute seines Vorkriegs-Lanz. „Tja, mein Fendt hat 2,8 Liter und 50 PS, das ist der Unterschied“, merkt Städler in breitem Fränkisch an. Die beiden Männer lachen. Obwohl sein Fendt 40 Kilometer pro Stunde schaffe, habe sich die Reisegeschwindigkeit bei 30 Kilometern pro Stunde eingependelt, so der Mittelfranke, der seine Landwirtschaft an seinen Sohn übergeben hat. Die Nächte verbringt er im Wohnwagen, den sein Traktor tapfer zieht. Bisher habe er auf sein Gespann nur positive Reaktionen der anderen Verkehrsteilnehmer erhalten – schon viele Daumen hoch seien ihm und seinem Trecker-Gespann auf der Tour entgegengestreckt worden, so Städler.
Das gemeinsame Hobby der Großcousins lädt zum Fachsimpeln ein.
Das gemeinsame Hobby der Großcousins lädt zum Fachsimpeln ein.
© Foto: Felix Krone
Zu Ende ist seine Reise aber noch lange nicht. Er fährt weiter gen Norden. Über das Schiffshebewerk Niederfinow soll es bis nach Usedom gehen, plant Städler. Großcousin Emmerling empfiehlt ihm den Campingplatz Stubbenfelde. „Da ist man direkt am Meer“, so der Haselberger, „auf Usedom kenne ich mich aus.“ Städler meint, eventuell fahre er nach dem Abstecher an die Ostsee weiter Richtung Nordsee, aber das wisse er noch nicht genau. Klar ist jedenfalls, dass er im Anschluss seinen rüstigen Oldtimer-Traktor mit angehängtem Wohnwagen zurück in die fränkische Heimat steuern wird.