Sommerliche Temperaturen herrschen an diesem Oktobersonntag, aber im Schloss Lieberose ist es kalt wie in einem Eiskeller. Die rund 60 Besucher, die an der letzten Führung in diesem Jahr teilnehmen, sind gut beraten, ihre Jacken anzuziehen. "Hier im Schloss war es immer kalt", erinnert sich Gabriele Pietsch, die Anfang der 1970er Jahre eine Ausbildung zum Kaufmann für Land- und Nahrungsgüterwirtschaft absolvierte, denn das Schloss war zu DDR-Zeiten Berufsschule und Internat zugleich.
Schon zum zweiten Mal nimmt die Rehfelderin an den beliebten Schlossführungen teil, "weil es vielleicht das letzte Mal ist." Denn die Schlösser GmbH, so informierte Stefanie Reinke vom Lieberoser Förderverein, wolle das Schloss verkaufen. Deshalb wisse der Verein nicht, ob auch im nächsten Jahr noch Führungen stattfinden könnten.
Stefanie Reinke, die erst vor fünf Wochen Mutter geworden ist, ihr Mann Christoph Dahlitz, Peter Ewald, Kerstin Domrös, Axel Friedrich und die 92-jährige Annemarie Gottschald führen bereits seit 2015 zehn Mal im Jahr die Besucher durch das Lieberoser Schloss. "Und der Strom ist seitdem nicht abgerissen. Die Besucherzahlen liegen immer zwischen 50 und 80, wir müssen in zwei Gruppen führen", freut sich Stefanie Reinke. "Woran das liegt? Vielleicht an dem leicht schäbigen Charme unseres Schlosses. Hier muss man nicht wie in Sanssouci Filzpantoffeln anziehen, hier ist alles etwas staubig und es gibt auch keine edlen Möbel." Allerdings sei das Lieberoser Schloss, das sich von 1519 bis 1945 im Besitz der Grafen von der Schulenburg befand, eines der größten in Brandenburg.
Wechselvolle Geschichte
Als den eigentlichen Schatz bezeichnet Stefanie Reinke die prachtvollen, sehr gut erhaltenen fünf Stuckdecken mit plastisch heraustretenden Figuren, Früchten, Putten und Masken. Geschaffen hat sie der erfolgreiche italienische Stuckateur Bartolomäus Cometa (1620-1687), der auch im Kloster Neuzelle und im Schloss Bad Muskau seine Spuren hinterlassen hat. Warum die in Weiß gehaltenen Stuckdecken trotz Bränden und abgesenkter Wände so gut erhalten sind, ist ein Rätsel "und viel zu wenig erforscht und wäre ein schönes Forschungsthema", findet Stefanie Reinke.
Nach gut eineinhalb Stunden haben die Besucher einen guten Überblick über die wechselvolle Baugeschichte des Schlosses und seine Funktionen. Anhand von Fotos bekamen sie auch einen Eindruck, wie die von Schulenburgs um 1900 eingerichtet waren. Und wer noch mal nachlesen wollte, konnte sich die neue Broschüre "Schlösser und Gärten der Mark – Lieberose" mit nach Hause nehmen.