Damals gab es sicher mehr Bewegung als heute, denn Ende Januar 1945 wurde alles für die Evakuierung des "Arbeitslagers" vorbereitet. Es begann einer der schrecklichsten Massenmorde auf deutschem Boden. 1342 Kranke und Nicht-Transportfähige waren von der SS vor Ort zurückgelassen worden. Von ihnen hat vermutlich kein einziger überlebt. Denn die SS-Wachleute haben viele Häftlinge erschossen.
Genau 75 Jahre danach wird man am 2. Februar dieses Jahres im Kiefernweg zusammenkommen, um an dieses Verbrechen mahnend zu erinnern und um der Toten zu gedenken. Die Gedenkstätte am ehemaligen Konzentrationslager Lieberose in Jamlitz ist Bestandteil des Memorial-Programms der beiden großen christlichen Kirchen für das erste Halbjahr 2020, das in ihrer Erklärung "Gemeinsam Erinnern" vorgestellt wurde.
Widerstand und Befreiung
"75 Jahre nach 1945 wird das Jahr 2020 ein ganz besonderes Gedenkjahr sein", heißt es in dem Dokument. "Vor dem Kriegsende und der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus jähren sich die 75. Todestage zahlreicher Widerständler, aber auch die Befreiung der Konzentrationslager."
Teilnehmen werden in Jamlitz unter anderem Axel Drecoll, der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Peter Fischer vom Zentralrat der Juden in Deutschland sowie Rabbiner Andreas Nachama und Pfarrer Wolfgang Krautmacher von der evangelischen Kirchengemeinde Lieberose und Land. Wie der Historiker und Leiter der Dokumentationsstelle Lager Jamlitz, Andreas Weigelt, auf MOZ-Anfrage mitteilte, wird an dem erst 2018 eingeweihten Gedenkort, der den authentischen Standort des Lagers markiert, ein Verbindungssteg mit fünf neuen Informationstafeln zum Massaker eingeweiht.
Das Lager in Jamlitz war in den 1930er Jahren als Nebenlager des KZ Sachsenhausen errichtet worden. Ab November 1943 nutzte es die Waffen-SS als "Arbeitslager Lieberose". Es wurde im Laufe des Jahres 1944 zum größten Konzentrationslager für als Juden verfolgte Häftlinge innerhalb des Reichsgebietes. Auschwitz lag ja jenseits der Reichsgrenze. Von schätzungsweise 6000 bis 10 000 Inhaftierten aus zwölf europäischen Ländern überlebten nur weniger als 400 ehemalige Gefangene.
Unter den Häftlingen waren viele ungarische Juden, die zwischen dem 2. und 4. Februar 1945 von der Wachmannschaft der SS ermordet wurden. Die Leichen wurden zur Kiesgrube Staakow gebracht. Ein "jüdisches Leichenkommando" aus Häftlingen musste die getöteten Mitgefangenen über den Kiesgrubenrand werfen.
In der Gedenkstätte hatte es in den vergangenen Jahren bereits mehrere gemeinsame Veranstaltungen gegeben.
Start in Plötzensee
Den Auftakt zu dem christlichen Erinnerungsprogramm bildet am Sonntag schon die Eröffnung der "Plötzenseer Tage" zum 75. Jahrestag der Ermordung von Helmuth James von Moltke, Pater Alfred Delp und elf weiteren NS-Gegnern in Plötzensee.
Auch der 27. Januar, der Holocaust-Gedenktag und 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, wird in besonderer Weise begangen. Es folgen fast wöchentlich Veranstaltungen, Gottesdienste und Ehrungen.
Das Programm dauert bis Mai. Für den 26. April ist in der Berliner Zionskirche ein ZDF-Fernsehgottesdienst mit Wolfgang Huber vorgesehen. Am 8. Mai wird zum Tag der Befreiung von der Nazidiktatur und dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein ökumenischer Gottesdienst im Berliner Dom live im Fernsehen übertragen.