Er stimmte das Kaddisch, das Totengebet an, während die mehr als 100 Teilnehmer ergriffen zuhörten. Vor 75 Jahren, 2. bis zum 4. Februar 1945, hatten SS-Männer knapp 1400 jüdische Häftlinge des KZ Außenlagers Lieberose in Jamlitz erschossen.
Gedenken in Jamlitz

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Der Tag begann vormittags in der Gedenkstatte für das KZ-Lieberose mit einer Kranzniederlegung. Mittags konnte Dr. Andreas Weigelt von der Dokumentationsstelle Lager Jamlitz die Teilnehmer zur Gedenkveranstaltung des 75. Jahrestages im Justus-Delbrück-Haus begrüßen.
Peter Kotzan vom Verein zur Förderung des Museums der antifaschistischen Mahn- und Gedenkstätte Lieberose berichtete von den Angriffen auf das Gebäude in jüngster Zeit. "Obwohl einmal Übereinstimmung bestand, dass sich solche Verbrechen nicht wiederholen dürfen, sind wir wieder soweit, dass Menschen, die anders sind, verfolgt werden", kritisierte er.
Tobias Dünow vom Landeskulturministerium und Maria Bering von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien erinnerten in bewegenden Worten an die Bluttaten im Frühjahr 1945. Nichts sei wichtiger, "als den Menschen, denen die Täter mit aller Macht versuchten ihre Würde zu rauben, Gesicht, Name und Identität zurückzugeben." Man solle sich beim Gedenken nicht auf die Täter, auch nicht auf unsere Zeit und uns konzentrieren, sondern versuchen die Opfer deutlich in den Vordergrund zu stellen.
Diese "fast unerträgliche Diskrepanz" zwischen der Idylle des Dorfes Jamlitz in der Seenlandschaft des Spreewaldes und dem Verbrechen an den Juden mache eines deutlich, so Axel Drecoll von der Stiftung der Brandenburgischen Gedenkstätten: Die Shoa ereignete sich mitten unter uns. "Weil Diskriminierung und Verfolgung zur Normalität werden konnten, liegt es auch heute noch im Bereich des Möglichen, das müssen wir uns bewusst machen", so Axel Drecoll.
Mit der Befreiung der Lager und dem Kriegsende war das Morden vorbei, die Zeit des Gedenkens hat begonnen, erläuterte der evangelische Bischof Christian Stäblein seiner Ansprache. Doch wie schwierig es mit dem Vorbei sei, zeige dieser Ort. Denn zum einen wurde "sofort nach dem Krieg ein neues Lager erreichtet", das von den Sowjets betrieben wurde, zum, anderen ist das Gedenken an diesem Ort gefährdet "von Menschen, die nicht erinnern wollen. Mehrere Anschläge wurden auf die Gedenkstätte verübt im Jahr 2016", so Stäblein.
Anschließend ging man rüber zum Totengedenken und zur Kanzniederlegung in den Kiefernweg. Dort standen einst die Baracken der Häftlinge, doch von diesen Gebäuden ist heute nichts mehr zu sehen. Der Ort fristete ein Schattendasein, dazu kam noch die "bauliche Überformung" des Geländes, wie Tobias Dünow erläuterte.
Mahnende Worte fand im Kiefernweg Peter Fischer vom Zentralrat der Juden, dieser habe vor drei Jahren den Antrag gestellt, den Gedenkort Lieberose/Jamlitz in die Errichtungsverordnung der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten aufzunehmen. "Selbstverständlich sollte auch ein würdevoller Umgang mit dem ganzen Areal der blutgetränkten Erde für die Zukunft gesichert werden. Traurig aber wahr, bis zum heutigen Tag ist keine verbindliche Antwort gegeben worden." Abschließend mahnte er die Zuhörer, nicht gleichgültig zu sein: "Lassen Sie nicht noch einmal geschehen. Klären Sie über die geschichtlichen Zusammenhänge auf." Insgesamt müsse heute "entschieden deutlicher gehandelt werden", forderte Peter Fischer.
Nach den Kranzniederlegungen wurde an dem erst 2018 eingeweihten Gedenkort ein Verbindungssteg mit fünf neuen Informationstafeln  eingeweiht.