Es ist selbst im Freundeskreis und in der Familie oft ein Tabuthema: Inkontinenz. Viele Betroffene trauen sich mit dem Problem nicht einmal zum Arzt. Und Betroffene gibt es viele. Bis zu 20 Prozent der Menschen haben irgendwie damit zu tun, schätzt Dr. Marcelo Heck, Ärztlicher Leiter Prozessmanagement und Oberarzt der Chirurgie im Beeskower Oder-Spree-Krankenhaus. Heck hat sich auf die Fahnen geschrieben, das Thema aus der Tabuzone zu holen. Das Beeskower Krankenhaus wird deshalb innerhalb der Welt-Kontinenz-Woche Betroffene informieren und beraten, Behandlungsvorschläge machen.
Denn, und das ist die gute Nachricht, oftmals bringt schon das erste Arztgespräch Ergebnisse, die zu einer entschiedenen Linderung des Problems führen. Vor allem dann, wenn sich der Arzt für dieses Gespräch genügend Zeit nimmt. Denn Inkontinenz, das Schwächeln von Blase oder Darm, sei keine Krankheit an sich, sondern Folgeerscheinung anderer Erkrankungen und medizinischer Behandlungen. Deshalb gebe es auch keine allgemeingültige Richtlinie für die Behandlung, diese müsse immer individuell erfolgen.
Die Ursachen sind vielfältig
Heck nennt Beispiele: Eine Operation am Rückenmark, bei der Nerven in Mitleidenschaft gezogen wurden, kann ein Grund sein. Tumorbestrahlungen seien eine weitere Ursache, verschiedene neurologische Erkrankungen, wie die Multiple Sklerose, eine weitere.
Was kann helfen? „Oft ist eine Ernährungsumstellung der erste Schritt“, sagt Dr. Marcelo Heck. Weniger und von allem etwas, das sei seine Devise. Aber es gelte immer wieder der Einzelfall, manch ein Mensch neige zu Verstopfungen, ein anderer zu Durchfall.
Sport, in dem Fall Beckenbodentraining, sei eine zweite Säule. Sinnvoll dabei sei eine Unterstützung durch speziell geschulte Physiotherapeuten.
Industrie und Medizintechnik bieten zudem weitaus mehr technische Hilfsmöglichkeiten als Vorlagen und Windeln, für die tagtäglich im Fernsehen geworben wird. Diese neuen Möglichkeiten werden innerhalb der Weltkontinenzwoche in Beeskow vorgestellt. So wird es eine spezielle Stoma-Beratung für Menschen geben, die mit einem künstlichen Darmausgang leben. Vorgestellt werden in Workshops die „Möglichkeiten und Vorteile von Kolonirragation“ bei Inkontinenz. Diese speziellen Darmspülungen ermöglichen vielen Menschen wieder die Teilhabe am öffentlichen Leben.
Auch operative Möglichkeiten werden ausgelotet
Und natürlich gibt es in einigen Fällen auch die Möglichkeit, durch operative Eingriffe zu helfen. Wenn die Inkontinenz nicht durch Nervenschäden verursacht ist, können beispielsweise Elektroden dauerhaft eingesetzt werden, die die Muskulatur stimulieren und diese zu Wachstum anregen.
Das Beeskower Oder-Spree-Krankenhaus ist nach jetzigem Stand die einzige Einrichtung in ganz Brandenburg, die sich mit öffentlichen Präsenzveranstaltungen an der Welt-Kontinenz-Woche beteiligt. Auch in benachbarten Bundesländern machen nur wenige Häuser mit. Und wenn, dann meist mit einem Vortrag oder Telefonaktionen. In Beeskow dagegen werden an fünf Tagen Präsenzveranstaltungen geboten. Alles mit viel Diskretion in extra Räumen, versichert Heck. Weil Anamnese und Therapie bei Inkontinenz in der Regel aufwendig und langwierig sind, es keine Behandlungsstandards gebe, würden sich nur wenige Ärzte auf das Thema spezialisieren. Sein Team und er wollen sich dem nun stellen.
Mehr Informationen zum Thema Ärztemangel in Brandenburg finden Sie auf unserer Themenseite.
Veranstaltungen zur Welt-Kontinenz-Woche in Beeskow
Vom 20. bis zum 24. Juni wird es im Beeskower Krankenhaus zwischen 14 und 16.30 Uhr folgende Infostände und Veranstaltungen geben:
1. Inkontinenz und Ernährung (Frau Meene, Leitung der Zentralküche und Diätassitentin)
2. Beckenbodentraining (Frau Koschenz, Leiterin der Physiotherapie im Krankenhaus)
3. Stoma-Beratung und Wundmanagement
4. Kolonirrigation bei Inkontinenz (Workshops mit Vertretern der Firma Coloplast)
5. Biofeedback und Elektrostimulation
6. Sakralnervenstimulation (SNS)
7. offener Dialog mit Experten (Kurzvorträge rund das Thema Inkontinenz)
Zusätzlich bietet Dr. Marcelo Heck am 21. und 23. Juni von 14 bis 16.30 Uhr offene Sprechstunden für Inkontinenzpatienen an. Eine Voranmeldung ist nicht nötig. Dabei wird auch über diagnostische Möglichkeiten und den Ablauf der Untersuchungen informiert.
Das Oder-Spree-Krankenhaus ist in 15848 Beeskow, Schützenstraße 28, zu finden.