Herr Becker, die Stadtverordneten haben gegen die Bildung eines Zweckverbandes, der das Kita- und Bauhofpersonal verwalten sollte, und gegen neue Grundsätze der Mitverwaltung gestimmt. Ist für Friedland damit das gesamte Projekt erledigt?
Ich denke schon. Ein Mitverwaltungsprojekt, bei dem wir die komplette Verwaltung nach Beeskow abgeben, wird es mit Friedland nach unserer jetzigen Überzeugung nicht geben. Um das endgültig rechtssicher zu machen, werden wir bei unserer Stadtverordnetenversammlung am 22. Juni einen entsprechenden Beschluss fassen. Ich rechne mit einer Mehrheit für die Beschlussvorlage, da drei der vier Fraktionen Einbringer des entsprechenden Antrags sind.
Was waren letztendlich die Gründe für die Ablehnung des Mitverwaltungsmodells?
Es gibt da nicht einen alleinigen Punkt, sondern ein ganzes Bündel von Gründen. Unstrittig ist, dass die Hauptverwaltungsbeamten, unser Bürgermeister und seine Amtskollegen, bis heute nicht schlüssig und überzeugend vermitteln können, welche konkreten positiven Effekte das Projekt für die mitverwalteten Gemeinden hat. Welches Geld sparen wir wirklich bei den Verwaltungskosten, können wir dadurch mehr investieren, an welcher Stelle wird die Verwaltung effektiver? Uns als Stadtverordneten liegen dazu keine konkreten, belastbaren Zahlen vor. Trotz ständiger Nachfragen war es den handelnden Akteuren nicht möglich, diesen Wissensdurst zu stillen. Andererseits ist nicht sicher, ob durch den möglichen Zweckverband nicht sogar höhere Belastungen entstehen. Letztlich  sehen wir den Verlust von  Kompetenzen und Einfluss auf das Leben der Stadt. Damit geht ein Verlust regionaler Identität einher, der in Folge zu Politikverdrossenheit beim Bürger führt. Aufgrund dieser vielen Unklarheiten  hat es ein mehrheitlicher Teil unserer Stadtverordneten nach intensiven Überlegungen als seine Aufgabe gesehen, den Weg der Mitverwaltung für Friedland zu beenden. Damit sind wir als gewählte Abgeordnete unserer Verantwortung für die Stadt Friedland gerecht geworden.  Ein "Weiter so" nach dem Motto "Augen zu und durch" konnten wir einfach nicht verantworten.
Die Friedländer Bürger und die Menschen aus Tauche und Rietz-Neuendorf wählen im Falle der Mitverwaltung den hauptamtlichen Bürgermeister nicht mehr mit. Ist das wirklich ein Problem?
Es ist bei den Bürgern von Friedland ein  großes Thema, inhaltlich und emotional. Viele sehen in dieser  Nichtwählbarkeit des für sie zuständigen Hauptverwaltungsbeamten einen Verlust an Mitbestimmungsmöglichkeit und damit Demokratie. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Andererseits entsteht keine  neue Gebietskörperschaft mit einem gemeinsam zu wählenden Bürgermeister. Rechtlich ist daher bei dem Modell keine Neuwahl eines gemeinsamen Bürgermeisters notwendig und vorgesehen.  Einer der vielen Mängel des Mitverwaltungsmodells. Warum, fragen wir uns, soll sich ein Bürgermeister für die vielen kleinen Ortsteile abmühen, und da kommen bei dem Projekt rund 50 zusammen, wenn er am Ende doch allein von den Beeskowern gewählt wird. Er wird sich also zuerst vermutlich  für die Interessen seiner Wähler einsetzen. Das ist ja menschlich auch verständlich und nachvollziehbar. Andererseits sehen wir die Gefahr, dass wir beispielsweise bei zentralen Fragen des Brandschutzes, der Organisation unserer Feuerwehr nicht mehr vollumfänglich mitbestimmen können. Das ist  eine Kernaufgabe des Hauptverwaltungsbeamten. Nicht zu vergessen ist, dass andererseits die Verantwortung für den Friedländer Haushalt bei uns bleibt, also bei einem zu wählenden ehrenamtlichen Bürgermeister. Die Verantwortung dafür ist erheblich.
Dass es wegen der Mitverwaltung keine Neuwahl des Beeskower Bürgermeisters geben wird, war aber immer klar.
Zu Beginn des Gedankenmodells hatten wir dieses Thema nicht vorrangig im Fokus. Man muss sich erinnern: Im Frühjahr 2019 hieß es, dass wir uns zum Modell der Mitverwaltung sofort  entscheiden und die im Herbst anstehenden Bürgermeisterwahlen aussetzen müssen. Wir haben das getan und damit die Amtszeit von Thomas Hähle als Bürgermeister von Friedland um zwei Jahre verlängert. In Tauche und Rietz-Neuendorf ist das analog gelaufen. Rückblickend ist der Verfahrensweg und insbesondere der von außen hereingebrachte Zeitdruck kritisch zu sehen. Die Entscheidung haben  die alten Kommunalparlamente kurz vor den Wahlen getroffen, viele der damaligen Abgeordneten sind heute nicht mehr dabei.  Außerdem haben die Bürgermeister damals damit geworben, dass wir ein Modellprojekt und damit ein  Vorbild und Beispiel im Land werden sollen. Wir dachten demzufolge, dass unsere Vorstellungen in das Modellprojekt  einfließen könnten. Aber nichts dergleichen wurde Realität. Im Gegenteil. Das Innenministerium hat ja beispielsweise die Idee, dass wir die Zuständigkeit für unsere Kitas und unsere Bauhöfe behalten, schlichtweg ohne Alternativvorschläge abgelehnt. Das Land, muss man aus heutiger Sicht sagen, hat  in dem ganzen Prozess der Modellentwicklung  bedauerlicherweise keine besondere  Flexibilität an den Tag gelegt. Viele von uns gestellte Fragen blieben offen. Selbst die Zusicherung, dass wir nach der Umsetzung der Mitverwaltung unsere politische Selbständigkeit langfristig behalten können, konnte abschließend nicht gegeben werden. Warum also, sollten wir diesen unsicheren Weg weiter gehen?
Die Stadt Beeskow hat auch von vornherein betont, dass sie für die Kitas und Bauhöfe und andere nachgeordnete Einrichtungen die Verantwortung nicht übernehmen will.
Das stimmt. Beeskow ist seit 1990 strukturell konsequent einen anderen Weg gegangen. Die Stadt hat eine sehr kompakte, schlanke Verwaltung, mit  nicht mal 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, hat viele Dinge, die Kitas, Bibliothek, Grünflächenpflege ausgelagert. Wir haben in Friedland immer Wert auf eigene Kitas gelegt, auf kleine individuelle Einrichtungen, die optimal in unsere Orte passen und auf die wir als Kommune direkt Einfluss haben. Mit den kommunalen Bauhofmitarbeitern können wir in den Ortsteilen kleine Aufgaben schnell und unbürokratisch erledigen. Für das Ansinnen der Stadt Beeskow, das zahlreiche Personal der mitverwalteten Gemeinden nicht direkt in den eigenen Personalkörper zu übernehmen, habe ich volles Verständnis. Vielleicht müssen wir am Ende auch zugestehen, dass wir als Partner für so eine eng ausgelegte Mitverwaltung aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen nicht optimal zusammenpassen.
Wie steht denn die Bevölkerung in den Orten zu dem Thema? So oft muss man doch gar nicht ins Rathaus.
Am Anfang war das Interesse  an dem Thema überschaubar. Aber nach der letzten Kommunalwahl rückte das Modell verstärkt in den Vordergrund   und wir Abgeordnete und  Bürger fühlten uns in dem Prozess nicht mehr richtig mitgenommen und wegen der ausbleibenden Informationen ungenügend wertgeschätzt. Es gab praktisch keine Informationsveranstaltungen mehr, in letzter Zeit sicher auch aus Corona-Gründen. Der kürzlich jedem Haushalt bereitgestellte Flyer war aus der Sicht eines Großteils der Einwohner inhaltlich nicht überzeugend und damit nicht wirklich geeignet, Werbung für das Projekt zu machen. Die Menschen fühlen sich bei der Mitverwaltung einfach überrumpelt und ungenügend informiert.
Wie sehen Sie das für Tauche und Rietz-Neuendorf?
Nach allem, was man hört und was wir als kommunale Abgeordnete miteinander besprochen haben, wird auch dort der Kita- und Bauhofzweckverband skeptisch gesehen. Aus meiner Sicht zu Recht. Ob das gesamte Mitverwaltungsprojekt aufgegeben wird, muss man sehen. Die Abstimmungen stehen ja noch aus. Die Aufgaben und Probleme sind zudem in jedem Ort andere. Die Entscheidung liegt einzig bei den Abgeordneten von Tauche und Rietz-Neuendorf.
Wie wird es in Friedland weiter gehen?
Nach der Beschlussfassung über das Ende des Projekts werden wir in enger Abstimmung mit der Kommunalaufsicht eine Bürgermeisterwahl in der gesetzlich vorgeschriebenen Frist vorbereiten.   Bis dahin werden wir die tagesaktuellen Aufgaben lösen. Das ist unsere Verantwortung. Und ich sehe, dass sich alle Friedländer Stadtverordneten dieser stellen. Mehrfach wurde uns offeriert, dass Friedland eine moderne, gut strukturierte Stadtverwaltung besitzt, die doppelt so viele Einwohner wie derzeit vorhanden, effizient verwalten könne. Ein mögliches kurzfristiges Handlungsdefizit im Verwaltungshandeln kann ich daher momentan nicht erkennen. Thomas Hähle hat  rote Zahlen für den Haushaltsentwurf 2020/21 angekündigt. Das hat uns schon überrascht. Bisher hieß es immer, dass Friedland  im Rahmen seiner bescheidenen Möglichkeiten  in den kommenden Jahren finanziell gut aus­bilanziert ist. Diesbezüglich gibt’s  also schon mal Klärungsbedarf. Noch aber liegt uns der Entwurf des Haushaltes nicht vor.
Die Friedländer Verwaltungsstruktur bleibt wie sie ist?
Eine zwingend notwendige Umstrukturierung innerhalb einer kurzen Zeit sehe ich derzeit nicht. Natürlich werden  wir über mögliche interkommunale Zusammenarbeit, vielleicht ja sogar über Kreisgrenzen hinweg, Digitalisierung und Effizienzsteigerung in der Verwaltung nachdenken. Das bleibt  ein Thema, dem sich niemand von uns verschließt. Wenn nötig, werden wir dabei auf die Erfahrungen und Hilfe von kommunalen Verbänden,  Landkreis und  Land bauen.  Friedland ist schließlich mit seiner großen Fläche, seiner dafür geringen Einwohnerzahl und der kümmerlichen finanziellen Ausstattung in Brandenburg nicht allein. Gern wollen wir auch zukünftig für ein effizientes Verwaltungsmodell unter diesen Rahmenbedingungen eine Pilotregion sein.  Aber wir wollen ein solches Zukunftsmodell bewusst aktiv mitgestalten können. Diesen Weg sehe ich als gelebte Demokratie. Lutz-Bodo Knöfel hat es ja auf der letzten Stadtverordnetensitzung auf den Punkt gebracht: Friedland gibt es seit 1301 als eigenständigen Ort, zeitweise mit eigener Gerichtsbarkeit. Das gibt man nicht einfach auf. Und das werden wir auch nicht.

Mitverwaltung ohne Neuwahl des Bürgermeister ist aus Landessicht rechtens

Nachdem der Landtagsabgeordnete Philip Zeschmann (BVB/Freie Wähler) Fragen zum Projekt Mitverwaltung gestellt hat, liegen nun auch Aussagen der Landesregierung dazu vor. Daraus geht hervor, dass eine Neuwahl des Bürgermeisters in der Kommune, die die Verwaltungsaufgaben übernimmt, nicht notwendig ist. Die Verlängerung der Amtszeit der Bürgermeister, um die Mitverwaltung vorzubereiten, sei nicht zu beanstanden. Die Mitverwaltung sei generell möglich, weil weder das Grundgesetz noch die Verfassung des Landes Brandenburg zwingend eine eigene hauptamtliche Verwaltung einer Gemeinde verlangen. Den Gemeindevertretern der mitverwalteten Orte werde nach der Kommunalverfassung des Landes ein Kontrollrecht gegenüber dem Bürgermeister, der die Verwaltung leitet, eingeräumt. Mitverwaltungsprojekte sind nur für direkt aneinandergrenzende Kommunen angedacht. gar