"Im Kornfeld saß ein Rotmilan, der nicht mehr starten konnte, weil ihm die Beine abgehackt wurden", berichtet sie bestürzt und wendet sich mit einem Foto des verwundeten Tiers an die MOZ. Sie hört nicht zum ersten Mal von den brutalen Fallen, mit denen beispielsweise Tauben- oder Hühnerzüchter "Feinde" wie Bussarde oder Falken von ihren Tieren fernhalten wollen. Dabei würden durch Totfleisch in den Fallen aber vor allem Milane angelockt. Es schmerzt sie, die schönen und geschützten Vögel leiden zu sehen. Der Rotmilan ist beispielsweise streng laut Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) geschützt, seit 1998 im Bundesnaturschutzgesetz verankert. Die Verfolgung des Falls erschwert allerdings, dass der Milan den Start doch schaffte, wie Zepernick erzählt. Er flog ohne Beine davon.
Unbeliebte Krummschnäbel
Für die Oberförsterei Lieberose ist diese Beobachtung ganz neu, im Landkreis Dahme-Spreewald weiß man von dem Problem der illegalen Jagd auf Greifvögel. Besonders präsent ist das Thema aber für Jörg Lippert von der Staatlichen Vogelschutzwarte beim Landesamt für Umwelt in Nennhausen. Im Falle des Rotmilans bei Lieberose hat er den Bericht von Zepernick sowie Bilder und Video-Schnipsel aufgenommen und gesichtet. Ob es sich dabei um einen Fall von illegaler Nachstellung handelt oder nur eine natürliche Verletzung vorlag, ist für ihn noch nicht sicher. Auf jeden Fall kann das Tier die Verletzungen nicht mehr lange überlebt haben. Wo es verendete, wurde es dann möglicherweise vom Fuchs geholt.
Lippert und seine Kollegen von der Vogelschutzwarte erfassen seit 1990 Vogelverluste in Brandenburg, insbesondere Opfer illegaler Nachstellungen. "Das ist ein Dauerthema", erläutert Lippert. Besonders ältere Menschen, die Tauben oder Hühner züchten, griffen schnell zu Luftdruckgewehren oder Fallen, wenn sich Greifvögel ihren Tieren näherten.
In ihrer Präsentation von 2017 listet die Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburgische Ornithologen (ABBO) "Illegale Nachstellung auf geschützte Vogelarten in Brandenburg und Berlin seit 1990" auf: Von insgesamt 772 belegten Fällen stellt die direkte Nachstellung mit 442 Fällen den größten Teil dar. Hiermit sind gemeint: Be- oder Abschuss (245), Gifteinsatz (48) und eben Fallen (149 Fälle). 116 Fälle davon betrafen Greifvögel bzw. Greifvogelfallen wie Habichtfangkörbe, Tellereisen, Leiterfallen, selbstgebaute Klappfallen. Allesamt verboten, sobald sie benutzt werden.
Torsten Spitz von der Naturwacht Schlaubetal hat noch einmal nach Zepernicks verletztem Rotmilan vor Ort gesucht, aber nicht gefunden. Ihm ist das Thema bekannt, zuletzt war ein verbotener Habichtkorb in Ratzdorf bemerkt worden. "Taubenhalter mögen keine Krummschnäbel", erklärt er die brutalen Methoden gegen die Greifvögel in der Region. Dabei gibt es bauliche Alternativen, um Hühner und Tauben vor Wildtieren zu schützen, ohne andere Arten zu gefährden, beispielsweise durch hochgehängte Netze über den Gehegen oder großräumige Volieren.
Neben dem Rotmilan werden besonders Bussarde und Habichte oft Opfer solcher Fallen. Die Benutzung beispielsweise von Tellereisen – einer besonders grausamen Falle, weil sie bei der Landung die Beine des Vogels zerschmettert – ist gemäß einer gleichnamigen Verordnung seit 1991 verboten. Gleichwohl gibt es in Deutschland und Europa genügend Händler, die nach wie vor solche Vogelfanggeräte – auch Tellereisen – anbieten. Ganz einfach im Internet. Dabei ist die illegale Nachstellung als Schwere Jagdwilderei strafbar gemäß § 292 Strafgesetzbuch. Es droht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, in besonders schweren Fällen kann die Freiheitsstrafe drei Monate bis zu fünf Jahre betragen. Theoretisch jedenfalls, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft tätig werden. Die aber sind oft überfordert und unterbesetzt. Die letzte Strafe wegen Delikten gegen das Naturschutzgesetz wurde in Brandenburg 2003 verhängt.
Allein 128 tote Rotmilane hat die Vogelschutzwarte in den letzten zehn Jahren gezählt, meldete das Umweltministerium Anfang Juli. Demnach starben die meisten durch Windenergieanlagen (62) und im Straßenverkehr (27). Hinzu kommen 24 Verluste von Nestlingen durch Absturz, Verhungern und Prädation. Die Zahlen der hiesigen Brutpaare basieren auf Schätzungen und schwanken zwischen 1650 und 1900 in Brandenburg. Immerhin acht bis zehn Prozent des deutschlandweiten Bestands. Und der Rotmilan ist praktisch nur in Europa heimisch. Experten wie Axel Schmidt vom Beeskower Nabu-Kreisverband betonen: Ostbrandenburg ist das wichtigste Brutgebiet für die Milane.
Gefahr kommt vor Windpark
Aber nicht nur die Windräder und ihre Rotorenblätter selbst können dem Vogel gefährlich werden. Manchmal beginnt die Bedrohung schon vor dem Bau der Anlagen: So wurde Mitte Mai bekannt, dass unbekannte Täter bei Mixdorf einen Rotmilan durch Giftköder getötet haben. Dieser Vorgang gilt als besonders brisant mit Blick auf den Streit um den beabsichtigten Bau eines Windparks nahe Mixdorf: Da der Rotmilan mitten im sogenannten Windeignungsgebiet nistet, könnte er die Pläne der Investoren und beispielsweise Grundstückbesitzer, die von einem Windpark im Schlaubetal profitieren würden, zunichtemachen. In der Vergangenheit waren um Mixdorf auch schon mehrfach Bäume abgesägt worden, auf denen Rotmilane ihre Horste hatten.
Seit 2011 etwa, sagt auch Jörg Lippert von der Vogelschutzwarte, aber besonders in den letzten fünf Jahren, nehmen Fälle von Nistplatzzerstörungen zu: durch Fällen von Horstbäumen oder das Wegholen der Nester selbst vom Baum. Immer wieder verschwänden Horste oder auch Schutzkästen für Fledermäuse, sobald für ein Gebiet Windpark-Pläne geschmiedet werden.
Wer illegales Nachstellen beobachtet, sollte dies direkt an die Brandenburgisch Vogelschutzwarte melden. Denn diese erstellt die Statistik zu illegalem Vogelmord und kann sie an die Politik weitergeben.
Kontakt: E-Mail an
[email protected] Infos auch auf der Webseite von EDGAR (Erfassungs- und Dokumentationsstelle Greifvogelverfolgung und Artenschutzkriminalität): www.greifvogelverfolgung.de
Der Rotmilan im Porträt
Der Rotmilan (Milvus milvus), im Volksmund auch Gabelweihe, ist im Flug besonders gut an seinem rostroten, gegabelten Schwanz zu erkennen. Sein Verbreitungsgebiet umfasst vor allem Europa, dabei lebt rund die Hälfte des Weltbestandes in Deutschland. Weil die wichtigsten Brutgebiete, darunter auch in Ostbrandenburg, zurückgehen, ist die Art von der Weltnaturschutzunion (IUCN) als "nahezu bedroht" eingestuft. Sein Lebensraum sind offene, strukturreiche Landschaften. Seinen Horst baut er in Randlagen von Laubwäldern, Feldgehölzen und Parkanlagen. Er jagt im Suchflug auf Acker- und Grünlandstandorten mit kurzer Vegetation. Zu seiner Beute gehören kleine Säuger und Vögel, ergänzend dazu werden Käfer, Regenwürmer und Aas gefressen. Intensiviere Landwirtschaft verringert sein Nahrungsangebot. Eine weitere Gefahr für die Milane geht von Freileitungen und Windrädern aus. Der Rotmilan ist nach Bundesnaturschutzgesetz und europäischer Vogelschutzrichtlinie geschützt. plo