Wenn er zuhause ist, in Wittstock (Ostprignitz-Ruppin), dann geht er mindestens zwei- bis dreimal in der Woche zur Jagd. "Ich bin schon als Kind viel im Wald und in der Natur gewesen", erzählt Philipp Kerber. Folgerichtig war  auch seine Berufswahl. Der gelernte Forstwirt studiert zurzeit an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNE) im dritten Semester Forstwirtschaft. Die Drückjagd an diesem Tag gehört zum Lehrprogramm. "Jagdliche Praxis" heißt das Modul, das die rund 20 HNE-Studenten aus den Fachrichtungen Forstwirtschaft und International Forrest Management (Internationales Forstmanagement) durchlaufen. "In der sechsmonatigen Ausbildung erlernen Jungjäger praktische Erfahrungen bei der Bejagung von Schalenwildarten", erläutert Alexander Martini, Landschaftsökologe mit den Schwerpunkten Forstwirtschaft, Jagdausbildung und Wildtierforschung an der HNE. "Als Förster braucht man die Praxiserfahrung", sagt er. Ein Revierleiter von 1500 Hektar Wald habe auch die Position des Jagdleiters inne. "Es geht um einen arten- und strukturreichen Wald mit Wildtieren in angemessener Dichte."
Studenten auf der Jagd

Bildergalerie Studenten auf der Jagd

Seit 25 Jahren hat die Eberswalder Hochschule mit den Berliner Forsten einen verlässlichen Partner bei den Lehrjagden. Auch an diesem Morgen ist alles bestens vorbereitet. 34 Hochstände gibt es in dem Waldgebiet zwischen Lanke, Prenden und Biesenthal. Klaus Meier, Revierförster in Lanke, wird etwa ein Drittel davon mit den Studenten und Gastjägern aus der Region besetzten. Zuvor werden die Teilnehmer der Jagd aber erst noch belehrt. Zum Abschuss freigegeben sind Rotwild, Damwild, Schwarzwild, Rehwild sowie Marderhund, Waschbär und Fuchs, allerdings nur bei Eigenverwertung des Balges. "Wir jagen generell jung vor alt und schwach vor stark!" sagt Klaus Meier. Bei Schwarz- und Rehwild gibt es keine altersmäßigen Beschränkungen für den Abschuss. Bei Rot- und Damwild ist das anders. Männliche Tiere dürfen nicht älter als ein beziehungsweise zwei Jahre sein, weibliche Tiere maximal zwei Jahre.
Treiber bringen das Wild auf die Läufe
Benjamin Gillich, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HNE, ist mit seinem Hund, einem "Weimeraner Langhaar", bei dieser Jagd als Treiber dabei. "Man bewegt sich durchs Gelände, um das Wild auf die Läufe zu bringen", erklärt der gebürtige Hamburger, der seit vier Jahren in Eberswalde arbeitet. Auch Heiko Wegner und Diego, ein sieben Jahre alter Rauhaarteckel, gehören zu den Treibern. "Als Treiber sieht man mehr vom Gelände", findet Wegner. Der Bernauer ist sei fast 30 Jahren Jäger, Mitglied der Jagdgesellschaft Bernau und besitzt einen Begehungsschein für die Berliner Forsten. "Wir haben 2019 ganz gut Strecke gemacht", sagt er. Bei insgesamt sieben Jagden in dieser Saison seien 160 Stück Schwarzwild erlegt worden, erzählt der Mitarbeiter des städtischen Bauhofs.
So viel Jagdglück haben die Studenten an diesem Vormittag nicht. Die Ausbeute mit zwei Stück Rehwild ist "übersichtlich", kommentiert Philipp Kerber. Auch er hat nichts geschossen, aber gesehen hat er was: "einen Fuchs und zwei Rehe". Manche seiner Kommilitonen konnten eine Ricke mit Kitz beobachten. "Die ist da die ganze Zeit rumgelaufen", sagt einer. Und eine Treiberin ist sich sicher: "Ich habe auf jeden Fall frische Spuren von Sauen gesehen!"
So richtig enttäuscht, nicht zum Schuss gekommen zu sein, ist allerdings niemand. "Die Jagdsaison beginnt im Mai", sagt Alexander Martini. Bei seinen Studenten stehen vier Intervalljagden auf dem Lehrplan: im Mai, im August, im Oktober und zum Ende eines jeden Jahres. "Sie haben bei den vorherigen Jagden schon sehr viele Stücke erlegt", erklärt er.
Auch Gastjägerin Andrea Schott nimmt die geringe Ausbeute an diesem Tag gelassen. Ähnlich wie der junge Philipp Kerber geht es ihr bei der Jagd in allererster Linie um den Erhalt der Natur.
Die gebürtige Berlinerin und ihr Mann zogen 2015 nach Lanke. Noch im selben Winter hatte sie ein Schlüsselerlebnis. Bei einem Waldspaziergang machte das Paar – "verbotenerweise", wie Andrea Schott heute weiß – Rast auf einem Hochstand. "Es hatte geschneit, alles war weiß und so ruhig", erinnert sie sich. "Und dann erblickten wir die Rehe. Ich konnte mich an diesem Bild nicht satt sehen ..."
In Lanke die Liebe zur Natur entdeckt
Als Stadtkind habe man ja kaum Berührung mit der Natur, erzählt Andrea Schott. Doch seit sie in Lanke wohne, gebe es nichts anderes mehr für sie als die Natur. "Im Wald kann ich entspannen, einfach richtig abschalten", sagt die Verwaltungsfachangestellte. "Um bestimmte Dinge besser zu verstehen", begann sie 2017, ihren Jagdschein zu machen. Seit 2018 geht die 53-Jährige regelmäßig auf die Pirsch, meistens zweimal in der Woche. Sie jagt in erster Linie Rehwild .– "wegen des Verbisses", erklärt Andrea Schott. Rehe fressen bekanntlich Knospen. Für einen arten- und strukturreichen Wald ist es erforderlich, möglichst alle Pflanzen durchzubringen, sagt auch Alexander Martini.
Das Rehwild, das Andrea Schott erlegt, kommt zuhause in die Pfanne. "Etwas Besseres kann man nicht essen", schwärmt sie. In diesem Jahr wird die 53-Jährige erstmals ein eigenes Jagdrevier haben. Wo genau im Barnim das liegt, will die Lankerin allerdings nicht verraten.