Sorge um eigenen Betrieb
Hinter diesem Medien-Stunt steckt vor allem eines: echte Wut. Sebastian und Camille Seusing führen eine Imkerei in Biesenthal, doch fürchten sie, dass sie jetzt ihren Betrieb einstellen müssen. "Wir wissen nicht, wie es weiter geht. Wir müssen ein Drittel unseres Erwerbs entsorgen und keiner fühlt sich verantwortlich!", sagt das Imkerpaar während der Demo vor dem Agrarministerium in Berlin. Hinter ihnen sind die vier Tonnen Honig, die wegen zu hoher Glyphosat-Belastung aus dem Verkehr gezogen werden mussten. Sebastian Seusing hatte im vergangenen Jahr festgestellt, dass ein benachbarter Landwirt auf seinem Acker das Pflanzenschutzmittel verwendet hat. Daraufhin entschied er eigenständig, seinen Honig testen zu lassen. "Es wurde das 150-fache an dem festgestellt, was an Glyphosatwerten in Lebensmitteln erlaubt ist", sagt Thomas Radetzki von der Aurelia Stiftung, die die Seusings unterstützt. "Wir fordern, dass Glyphosat sofort verboten wird. Am besten in ganz Europa", sagt Sebastian Seusing. Gemeinsam mit der Aurelia Stiftung, die sich als "Anwältin der Bienen" stilisiert, wollen sie vors Gericht ziehen, um Schadenersatz zu verlangen. "Dieser Fall ist bereits seit Mai bekannt und wir haben trotz mehrfacher Anfragen noch keine Antwort von Agrarministerin Klöckner erhalten", sagt Vorstandsvorsitzender Radetzki.
Ministerialdirektor Schulz sagt während der Demonstration, dass die Glyphosat-Verunreinigung "kein flächendeckendes Problem" sei und dass sich die Bevölkerung keine Sorge um ihren Honig machen müsse. Daraufhin wird er ausgebuht, ein Protestler ruft: "Sie überprüfen ja auch nichts! Natürlich kann man dann kein Glyphosat feststellen!" Thomas Radetzki legt nach: Seine Stiftung habe in ganz Deutschland Honig geprüft, in Sachsen, Brandenburg und Baden-Württemberg wurden zu hohe Werte des Pflanzenschutzmittels festgestellt. "Wir stehen mit dem Rücken an der Wand. Sie müssen etwas tun", so Sebastian Seusing. Stefan Schulz bekräftigt, dass das Verbot von Glyphosat in Europa ein Ziel ist. "Aber wir können das nicht alleine entscheiden, das entscheiden die EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam." Außerdem sei es wichtig, mit Landwirten gemeinsam Lösungen zu finden.
Landwirte brauchen Alternative
Ralph Wittwer, der Geschäftsführer des Bauernverbands für Barnim und Oberhavel, weist die Anschuldigungen der Landwirte konkret zurück. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Seusings im Mai Glyphosat im Honig feststellen. Zu der Jahreszeit wäre das unüblich", so Wittwer. Er versteht die Problematik um das Pflanzenschutzmittel. "Wir wollen sie auch weniger benutzen. Aber es gibt noch keine gute Alternative. Wir haben außerdem hier in Deutschland die höchsten Standards, was die Nutzung dieser Mittel angeht."
Benedikt Polaczek, Imkermeister an der Freien Universität Berlin, bestätigt, dass Glyphosat im Honig zu der Jahreszeit durchaus möglich ist. "Wir brauchen weniger Chemie und allgemein eine buntere Landschaft", erklärt er. Die Aurelia Stiftung sei auf dem richtigen Pfad, so der Veterinärmediziner, der seit 50 Jahren mit Bienen arbeitet. "Es ist wissenschaftlich nachweisbar, dass Insektensterben auf chemische Produkte zurückzuführen ist."

Ein Totalherbizid und seine Problematik

Glyphosat ist ein sogenanntes Totalherbizid, also ein Pflanzenschutzmittel, das sämtliche Unkräuter abtötet. Es wird weltweit verwendet. Eines der erfolgreichsten Hersteller von Glyphosatprodukten ist Bayer-Monsanto. Das Pflanzenschutzmittel gilt jedoch laut Weltgesundheitsorganisation als "wahrscheinlich krebserregend" beim Menschen und wird für das Arten- und Insektensterben vor allem in ländlichen Räumen maßgeblich verantwortlich gemacht. Im Jahr 2017 hat Deutschland bei einer EU-Abstimmung dafür votiert, dass Glyphosat für weitere fünf Jahre in der EU verwendet werden darf. wal