Der Vater war im Krieg geblieben. Die Mutter musste die drei Kinder allein durchbringen. Erika, die Jüngste, wechselte 1951 nach der sechsten Klasse in die Biesenthaler Schule. An den täglichen Schulweg kann sich die heute 80-Jährige noch gut erinnern. "Wir mussten mit dem Fahrrad fahren oder laufen. Einen Bus gab es nicht", erzählt sie. Eines Tages war ihr Fahrrad weg, als sie aus dem Unterricht kam. "Ich habe mich kaum nach Hause getraut", weiß sie noch. "Meine Mutti hatte es schon schwer genug mit uns drei Kindern. Wir hatten doch nichts.."
Tief haben sich die kargen Jahre in das Gedächtnis von Erika Fleischer, geborene Schönrock, eingebrannt. Und nicht nur bei ihr. Daran, dass er die etwa acht Kilometer zur Schule – ob Sommer, ob Winter – auf dem Rad zurücklegen oder gar laufen musste, erinnert sich auch Bernie Lemke. Der Sohn eines Melkers lebte mit Eltern und Geschwistern auf dem Gutshof in Lanke. Auch er absolvierte die 7. und 8. Klasse an der Biesenthaler Schule, dann wechselte er auf die Oberschule nach Wandlitz. Und weil auch dorthin nichts fuhr, wurde der damals 14-Jährige im Internat untergebracht.
Zwei Jahre später flüchteten die Lemkes nach Westberlin, erzählt der 80-Jährige. Nach drei Monaten im Auffanglager wurde die Familie nach Frankfurt/Main ausgeflogen, landete irgendwann in Köln. Bernie Lemke holte seine mittlere Reife nach, lernte Autoschlosser und studierte Maschinenbau. Mehr als 30 Jahre war er bei den Ford-Werken in Köln angestellt.
Im Sommer leben er und seine Frau in ihrem Haus in Spanien. "Verwandte in Lanke habe ich nicht mehr", erzählt der Rentner. Aber zum Treffen der Biesenthaler Schulabgänger der Jahrgänge 1953/54 kehrt er seit 15 Jahren immer wieder zurück.
Im Abstand von zwei bis drei Jahren kommen die Frauen und Männer im "Seeschloss" in Lanke zusammen. Die meisten haben ihr ganzes Leben in Biesenthal und Umgebung verbracht, wie beispielsweise Ilse Marie Wurzer, geborene Fischer, und Christel Priebe, geborene Bartlik, die an diesem Sonnabend neben einander sitzen und schwatzen. Zwei Plätze weiter bestimmt Alexander Schmidt von der gleichnamigen Familiengärtnerei in Biesenthal das Gespräch. "Ich war später Lehrmittelbeauftragter in Biesenthal", erzählt der 80-Jährige. "Da mussten alle Lehrer bei mir antanzen, wenn sie eine Landkarte oder etwas anderes für den Unterricht haben wollten, und schön unterschreiben", schildert er und lacht schelmisch. Anfang der 1960-er Jahre muss das gewesen sein. Denn 1966 übernahmen er und seine Frau die Familiengärtnerei. Vor elf Jahren gab das Paar den Betrieb an Sohn Christian und Schwiegertochter Annett.
Geburtstagslied für die Runde
Irgendwie ist dieses Treffen ein besonderes. Viele der rund 25 ehemaligen Biesenthaler Schüler haben in diesem Jahr ihr 80. Lebensjahr vollendet. So singt die Runde erst einmal gemeinsam für sich ein Geburtstagslied. Und hört anschließend von Helga Hartl, geborene Scherping, ein Gedicht, in dem es um den Wettlauf mit der Zeit, dem Älterweden, geht. Helga Hartl war in ihrem Berufsleben viele Jahre stellvertretende Schulleiterin. "Einmal Lehrerin, immer Lehrerin!", kommentiert Alexander Schmidt ironisch. Und doch oder gerade deshalb wird es ein geselliger Abend...