Der Laden wirkt clean wie ein Frisör-Salon am Morgen. Alles frisch und sauber, alles neu, mit Geschmack eingerichtet. Hier Reifen und Felgen an der Wand, dort einige Simson-Tanks in teils knalligen Farben. Natürlich gibt es Pflege-Produkte, selbst Badelatschen mit Simson-Aufdruck. Hinterm Verkaufstresen steht ein lupenreiner Schrauber als Berater.
Yves Luca Rosemann empfängt erst seit gut drei Wochen seine Kundschaft im eigenen Reich an der Prenzlauer Straße 38 in Basdorf (Landkreis Barnim). Der junge Geschäftsführer ist gerade einmal 20 Jahre alt, er trägt eine bequeme Hose und ein T-Shirt, seine Haare reichen ihm bis auf die Schultern, was irgendwie an den jungen Udo Lindenberg erinnert. Die Hamburger Rock-Röhre machte die Liebe zur Musik zum Traumberuf, nicht anders ergeht es Rosemann.
Das Schrauben begann im Wald unterm Carport
„Seit ich 13 Jahre alt bin, schraube ich an Simson-Mopeds. Angefangen hat das schon vor der Fahrerlaubnis“, schwärmt der Enthusiast, der in der modernen Business-Sprache dieser Tage wohl als Startup-Unternehmer bezeichnet werden würde.
Für Rosemann und seinen Kumpel Ian Sievers (21 Jahre) sind derartige Bezeichnungen eher unwichtig. Sie verwirklichen seit ihrer Jugend ihre Begeisterung an der Zweirad-Technik aus dem ehemaligen VEB Fahrzeug- und Gerätewerk SIMSON Suhl. Kurzum, sie schrauben, was das Zeug hält. Rosemann hat für diesen Traum seine ins Auge gefasste Erzieher-Ausbildung sausen lassen. Mit eigenem Geld, verdient durch sein angemeldetes Nebengewerk als Mechaniker und Schrauber, und einigen finanziellen Beigaben seiner Eltern, führt er jetzt, quasi blutjung, sein eigenes Unternehmen. „Zirka 50.000 Euro stecken hier drin“, schätzt der Schrauber und Geschäftsmann, dem die Unternehmer-Gene möglicherweise durch die Familie mitgegeben wurden. Der Vater betreibt einen Bauservice, die Mutter ist Kosmetikerin und sein Bruder macht in Marketing, wie es heute heißt. Er ist auch für die auffällige Außenwerbung zuständig, die an der L 100 auf „die Waldschrauber“ aufmerksam macht.
Offiziell mit Tempo 60 erlaubt
Doch zurück zur „Simme“, wie das Suhler Zweirad überall liebevoll genannt wird. „Der Kick ist tatsächlich die Möglichkeit, mit Tempo 60 fahren zu können“, nennt Rosemann einen wichtigen Grund für die Beliebtheit des Mopeds. Und er berichtet von der Community, die offenkundig deutlich größer ist, als der Laie es überhaupt erwartet hätte. „Für die Simme gibt es alle Ersatzteile zu kaufen. Du kannst zwischen alt und original und neu und baugleich wählen, das macht es wirklich leichter“, erzählt Luca. Hilfsreich ist der Umstand, dass ein Anbieter sämtliche Patente des Suhler Herstellers aus DDR-Zeiten erworben hat und seitdem fleißig neu produziert.
Über 580.000 Exemplare wurden laut Wikipedia zu DDR-Zeiten vom Simson hergestellt, die meisten davon mit 50 Kubikzentimetern Hubraum. Zur Fahrzeugfamilie gehören unter anderem S50/S51, Schwalbe, Habicht, Sperber und Spatz.
„Es gibt Sammler, völlig verrückte Typen, die haben 40 und mehr Mopeds in ihrer Halle“, weiß Rosemann. Für diese Fans und für ganz normale Anwender wollen die „Waldschrauber“ da sein. „Wir wollen hier in Basdorf zum Ansprechpartner für die Fans werden. Wir können nicht nur Ersatzteile bestellen und beschaffen, sondern haben auch allerhand vor Ort. Wer eine Dichtung oder einen Bowdenzug braucht, bekommt den direkt bei uns. Und wir haben eine eigene Möglichkeit, Teile zu sandstrahlen und zu pulvern. Das beschert uns ebenfalls Kundschaft, vor allem bei den Schraubern“, erzählt der junge Chef.
Gemeinsam mit Ian Sievers kommt er ins Lachen, als sie den Ursprung des Namens „Waldschrauber“ erläutern. „Wir sind ja schon sehr bekannt in der Szene. Und wenn es früher um uns ging, dann waren wir immer die beiden Typen, die unterm Carport im Wald schrauben. Gemeint war in Bernau die Waldsiedlung, wo Ian und ich gemeinsam aufgewachsen sind.“ An der Montessori-Schule hatten sie sich kennengelernt, Yves Luca besuchte ab der achten Klasse die freie Naturschule in Biesenthal. Sein Kumpel Ian absolviert gerade eine Ausbildung zum Landmaschinenmechatroniker. Er befindet sich im zweiten Lehrjahr und will zunächst die dreieinhalb Jahre Lehre durchziehen, bevor er über neue Wege und Entscheidungen nachdenkt.
Was aus dem 115 Quadratmeter großen Laden bis dahin wird, bleibt abzuwarten. So manche Erfolgsgeschichte nahm in einer Garage ihren Anfang. Chef Luca hat durchaus Ideen für die Zukunft. Da wären Szenetreffs und gemeinsame Ausfahrten möglich. Vielleicht auch mal eine kleine Party, ohne die Nachbarn zu verärgern. „Wir wurden hier wirklich freundlich aufgenommen und haben beste Kontakte zu den Nachbarn“, heißt es dazu. Gern würde Rosemann auch Kontakte zu weiteren Zweiradmechanikern in Wandlitz aufbauen. Beispielsweise zu einer Werkstatt und der Möglichkeit, dort zu schrauben oder einen Angestellten zu integrieren. „Zurzeit haben wir eine große Halle bei Neuruppin gemietet, dort pulvern wir die Moppedteile. Aber eine Werkstatt oder eine Kooperation vor Ort wäre natürlich mega“, sagt Luca dazu. Allein in Basdorf schätzt er die Fans der Simson-Fahrer auf 40 bis 50 Personen, angefangen bei den Jugendlichen bis zu den Fans im hohen Alter.
„Die Simson-Liebe bleibt“, ist sich der junge Unternehmer sicher und setzt nunmehr voller Zuversicht alles auf eine Karte.