Vielleicht war sie hier, die Mutter, die ihren Sohn verlor. Der es leid war zu kämpfen, der viel lieber die Sonne genießen, seine Träume leben wollte. Vielleicht saß sie hier, unter dem Schatten der Kiefern, strich über das Gras. An dem Ort, an dem sie hoffte, ihm noch einmal nahe zu sein. Kein Stein schmückte das Grab ihres Jungen, statt Trauergebinde blüht leuchtend gelb der Löwenzahn. Vielleicht war es ein kleiner Trost für sie, dass er nicht allein hier lag. Verscharrt im Wald, noch im Tode griffen die Mörder nach der Würde ihrer Opfer.

Bis zu 300 Tote haben im Wald ihre letzte Ruhe gefunden

200, vielleicht sogar 300 Tote fanden hier im Wald, nahe dem Dorf Engelsfelde, ihre letzte Ruhe. 80 von ihnen sind namentlich bekannt. Es handelt sich um junge Männer, denen eine sogenannte Wehrkraftzersetzung vorgeworfen wurde oder Desertation. Sie wurden dafür hingerichtet, erschossen in der Murellenschlucht in Berlin-Ruhleben. Ihre sterblichen Überreste wurden in diesem Wald verscharrt. Aber auch Opfer der letzten Kriegstage, als die Schlacht um Berlin tobte, fanden hier ihre Ruhe.

Schicksal der Kriegstoten ungeklärt

In den meisten Quellen ist von etwa 110 Kriegstoten die Rede. Manche halten auch eine höhere Zahl für möglich. Wahrscheinlich verloren sie rund um die Dörfer Seeburg und Engelsfelde ihr Leben. Ihre Schicksale konnten nie geklärt werden. Niemand weiß, waren es Zivilisten oder waren es Soldaten. Vergessen war dieser Ort nie gänzlich, auch wenn er immer tiefer in die Schatten des Waldes eintauchte und darin zu verschwinden drohte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es noch Grabhügel im Wald

Bald nach Kriegsende zeugten sechs Grabhügel und ein Holzkreuz von den Toten im Wald. Laut Oliver Breithaupt, vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, waren es die Engelsfelder, die sich bereits 1946 für Hinweise auf die Grabanlage einsetzten und auch noch Jahre später die unscheinbare Wiese mit Blumen schmückten. 1972 werden die Grabhügel eingeebnet. Fünf Jahre später, 1977, wird eine Gedenktafel für Werner Schallhammer angebracht. Seine Mutter hatte dafür gesorgt.

Erst 1993 als Kriegsgräberstätte registriert

Im gleichen Jahr erfolgt die Registrierung der Grabanlage in die Gedenkstättenliste des Bezirkes Potsdam als Gemeinschaftsgrabstätte für ermordete Antifaschisten und deutsche Soldaten im Wald. Mit der Aufnahme in die Kreisdenkmalliste 1986 wird ein Gedenkstein mit der Aufschrift „Gedenkstätte für antifaschistische Widerstandskämpfer – Die Toten mahnen“ aufgestellt. Die Registrierung als Kriegsgräberstätte erfolgt 1993.
Schon bald hüllt Efeu den Gedenkstein ein, von dem fast nur noch Ortskundige wissen. Denn kein ausgewiesener Weg führt zur Grabstätte, kein Hinweisschild führt zu dem Ort der Trauer. Fast vergessen ruhen die Toten im Wald.

Hinweisschild weist nun Weg in den Wald

Fast vergessen. Denn die Kriegsgräberstätte wurde nun neu gestaltet. Von der Landstraße weist nun ein Schild den Weg am Waldesrand entlang. Über der Anlage wacht wieder ein Kreuz, die Namen der bekannten Opfer sind aufgeführt, eine Tafel informiert die Besucher.
Ortsvorsteher Harald Wunderlich (FWG) erklärt, es habe immer wieder Bestrebungen gegeben, von allen Parteien und den Bürgern, den Gedenkort als solchen erkennbar werden zu lassen. Das Problem dabei lag in der Zuwegung. Zwei Akteure waren dabei wichtig, die Berliner Forsten und die Berliner Immobilienmanagement (BIM). Man habe immer wieder versucht, eine Lösung zu finden und sei an der Frage der Zuwegung gescheitert, erklärt Wunderlich.  

Umbettung der Toten stand in der Diskussion

Im Sommer 2020 stellten die Bündnisgrünen in der Gemeindevertretersitzung einen Antrag zur besseren Pflege des Ortes. Nun kam erneut Schwung in die Angelegenheit. Zunächst wurde der Antrag an den Ortsbeirat verwiesen. Eine Umbettung der Toten stand zwischenzeitlich zur Diskussion. Schließlich lud die Fraktionschefin der Grünen, Petra Budke, den Vizepräsidenten des Volksbundes Kriegsgräberfürsorge, Wolfgang Wieland, nach Engelsfelde ein.

Wald steht zu Erholungszwecken offen

Budke blieb auch weiterhin dran, ihr Büro schrieb die Berliner Forsten und BIM wegen der Zuwegung an. Kurz darauf die Antwort: Beide Akteure zeigten sich offen für das Vorhaben einer Zuwegung zum Besuchen des Ortes. Laut dem Gemeindevertreter Peter-Paul Weiler (Bündnis 90/Die Grünen), teilte die Berliner Forsten mit, dass der Besuch der Gedenkstätte unproblematisch sein sollte, da der Wald ohnehin zu Erholungszwecken offenstehe. Die Toten ruhen nun in der neu gestalteten Gedenkstätte, sichtbar und würdevoll unter Kiefern – verscharrt, aber nicht vergessen.