„In den letzten Tagen haben die jungen Leute mit ihren neuen Ideen die Hölle ganz schön auf den Kopf gestellt“, sagt Grazyna Schmitz-Bienek lächelnd und fühlt sich damit in ihrer Entscheidung bestätigt. Sie hat das Waldhotel „Alte Hölle“ an den Verein „Das ist Kunst e.V.“ nebst Mitstreiter verkauft.

Grazyna Schmitz-Bienek verlässt nach 31 Jahren das Waldhotel und bald auch das Land

Die Entscheidung ist ihr nicht leicht gefallen, hat sie doch immerhin 31 Jahre dort gelebt und gearbeitet. Aber die Umstände machten es notwendig, ein Nachfolger fehlte. Die berechtigte Hoffnung, dass Stiefsohn Alexander in ihre Fußstapfen steigt, zerschlug sich jäh mit dessen plötzlichem Tod. Die weiteren Familienmitglieder haben sichere Jobs, kein Interesse oder sprechen kein Deutsch, denn Grazyna Schmitz-Bienek stammt aus Polen. „Wenn man hier arbeiten und leben will, muss man die Sprache beherrschen“, sagt sie. So entschloss sie sich schweren Herzens für einen Verkauf der „Hölle“.
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Warum Alte Hölle - auf Spurensuche

Die „Hölle“, wie Grazyna Schmitz-Bienek ihr Zuhause scherzhaft nannte, war für sie jedoch immer das Paradies. Die frühere Schreibweise „Altehölle“ war ein irreführender Name, bedeutete Hölle doch Ort ewiger Verdammnis. Deshalb sollte das im 19. Jahrhundert entstandene Vorwerk in „Buchenhain“ umbenannt werden. Die dennoch erhaltene Schreibweise ist auf einen Schreibfehler zurückzuführen, denn ursprünglich lautete die Bezeichnung „Helle“, also Lichtung im Wald. Sehr alt ist die Bezeichnung noch nicht, in einer Aufzählung der zu Reetz gehörenden Ortschaften und Wirte aus dem Jahre 1716 taucht er nicht auf. 1727 stand erstmalig im Kirchenbuch die Bezeichnung „Alte Höle“, ein anderer gleichbedeutender Name war „Ziegelscheune bei Mahlsdorff“, die sich früher dort befunden haben soll.

Vom Zweiten Weltkrieg nicht verschont geblieben

Auch der Zweite Weltkrieg ging nicht am Fläming vorüber. 1945 kamen die Truppen der 12. Armee des Befehlshabers General Walter Wenck, der in der einstigen Revierförsterei sein Hautquartier aufgeschlagen hatte. Am 23. April um 1.00 Uhr traf Generalfeldmarschall Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, auf dem Gefechtsstand der 12. Armee ein, um persönlich den Befehl Hitlers an General Wenck zu übermitteln, sofort nach Osten anzugreifen, sich mit der südostwärts von Berlin durch die Russen eingeschlossenen 9. Armee zu verbinden und mit dieser zusammen Berlin zu entsetzen und damit auch Hitler zu befreien. General Wenck führte diesen Befehl nicht durch. Das Armeeoberkommando entschied sich, „nur noch nach der Richtschnur des eigenen Gewissens zu führen“, sich nur noch Ziele im Rahmen des „Machbaren“ zu setzen, wobei eine schonende und rücksichtsvolle Truppenführung im Vordergrund aller Überlegungen stand, um so viele Leben wie möglich zu retten. Diese am 23. April 1945 in der „Alten Hölle“ gefassten Entschlüsse konnten weitestgehend umgesetzt werden.

Zu DDR-Zeiten ein Erholungsort für Parteifunktionäre und Stasi-Aktivisten

Aus dem Forsthaus entstand in den 70er Jahren ein Ferienheim. Dieses Heim war nicht von Dauer. In der Umgebung fehlte das Wasser und das gefiel den Kindern nicht. Dann übernahm ein gut betuchtes Ministerium (IWT Berlin) das Objekt. Nun wurde ein Bettenhaus errichtet, die Scheune wurde zu einem Saal ausgebaut und das Forsthaus für die Gastronomie hergerichtet. Zu DDR-Zeiten erholten sich hier Parteifunktionäre und Stasi-Aktivisten. Der Bevölkerung war der Zutritt verwehrt.
Als im Dezember 1989 die Stasi aufgelöst wurde, stellte die Gemeinde einen Antrag auf Rücküberführung des Objektes. Den Zuschlag erhielt der Landkreis Potsdam-Mittelmark. Das Objekt wurde als Ausflugslokal und Hotel genutzt. In diesem Zuge wurde auch die Zufahrtsstraße asphaltiert. Seit November 1990 ist Grazyna Schmitz-Bienek Inhaberin des Waldhotels.

Grazyna Schmitz-Bienek entschied sich bewusst für Lukas Becker und Mitstreiter

Es ist ein geschichtsträchtiges Anwesen, welches der Verein erworben hat. Es gab sieben Bewerber. Die Entscheidung fiel Grazyna Schmitz-Bienek nicht leicht. Am Ende entschied sie sich für die jungen Leute und gegen eine Architektin aus Berlin, obwohl diese mehr Geld geboten hatte. „Das sind junge Menschen, die können was bewegen“, sagt sie, denn auch in diesem Moment steht bei ihr der Erhalt des Anwesens im Vordergrund. Auch war ihr Vereinsmitglied Lukas Becker sehr sympathisch. „Du bist der Mann, der das beherrschen kann.“ Alle anderen stehen voll hinter ihm. Es sind nicht nur Vereinsmitglieder, die sich um das Anwesen kümmern. „Wir sind eine Gemeinschaft von Interessierten“, erklärt Anna Sieger. Zu ihnen gehören jüngere und auch ältere, die bereits Projekterfahrungen haben. Dadurch gibt es in der Gruppe, die deutschlandweit zu Hause ist, viele Kompetenzen. Die ersten Ideen sind bereits geboren.

Die Alte Hölle wird ein Ort für viele Interessen, für viele Menschen

So soll ein Seminarhaus entstehen, in dem Workshops angeboten werden. Außerdem wird es Projekte für Kinder und Jugendliche geben. Die Mitstreiter waren schon beim Stammtisch in Mal´s Scheune und bei Zusammenkünften im Coconat. Wie breit gefächert das Angebot sein wird, zeigt sich schon jetzt. „Der Chaos Computer Club hat sich bereits eingemietet“, erzählt Nina Stemberger. Es werden ein Makers Space mit einem 3D-Drucker entstehen, ebenso wie Co-Working Arbeitsplätze. Aber man möchte auch Kulturelles anbieten in Form von Lesungen oder Konzerten. „Das Gelände hat viel Potential“, sagt Stemberger. Ihr schwebt ein kleiner Garten vor, der zur teilweisen Selbstversorgung beitragen soll. Für den Januar plant der Verein eine Art Tag der offenen Tür mit einem kleinen Willkommensfest.

Grazyna Schmitz-Bienek erinnert sich zurück - 31 Jahre Waldhotel Alte Hölle

Und Grazyna Schmitz-Bienek? Wenn sie an den Abschied denkt, steigen ihr die Tränen in die Augen. „Alte Hölle“ war ihr Lebenswerk. Oftmals hat sie sich gefragt, wie sie das alles geschafft hat. „Das ging nur mit sehr viel Disziplin und Engagement“, sagt sie rückblickend. Ein Trost ist, dass sie nicht irgendwo neu anfangen muss, sondern in ihre Heimat Polen zurückkehrt. Sie hofft, Weihnachten bereits dort zu verbringen. Bis dahin ist aber noch viel zu klären. „Für Alte Hölle ist es gut so“, sagt Grazyna Schmitz-Bienek und denkt dabei auch an diejenigen, die sie damals bei der Übernahme sehr unterstützt haben, wie Barbara Klembt und Ilse Mansfeld. Besonders diesen beiden möchte sie noch einmal für ihre Unterstützung danken, aber auch natürlich allen anderen Helfer, Angestellten und Gästen, die der Alten Hölle über viele Jahre die Treue gehalten haben. „Man muss im richtigen Moment sagen, jetzt ist es Zeit“, sagt Grazyna Schmitz-Bienek.