Mädchen die pfeifen und Hühner die krähen, den soll man beizeiten die Hälse umdrehen – wer kennt diese alte Redensart nicht. „Um solchen subtil prägenden Einflussnahmen etwas entgegenzusetzen und die Kraft des Weiblichen in der Welt zu stärken, male ich Frauen“ sagt Stephanie Nückel.
Sie bricht in ihrer Arbeit mit gängigen Klischees und räumt mit typisch weiblichen Rollenerwartungen auf. Ihre Malerei zeigt befreite Frauen, die mit der Macht des weiblichen Seins spielen und den Betrachter mit ihren selbstbewussten Blicken und erotischen Posen irritieren.
Ihre Bilder sind vom 21. November bis zum 23. Januar in der Alten Schule in Wiesenburg zu bewundern. Leider findet coronabedingt keine Vernissage statt. Mitten in den Vorbereitungen, zwischen Leiter und Bildaufhängungen, nahm sie sich Zeit für ein Gespräch mit Eva Loth.
Frau Nückel, erzählen Sie bitte ein bisschen über sich
Ich wurde 1960 im schönen Göttingen geboren, bin etliche Male umgezogen und im Orwelljahr (1984) in Berlin gelandet. Ich habe mehrere Berufe gelernt. Ich bin Kinderpflegerin/Erzieherin, Kunsttherapeutin und habe später noch einmal eine Ausbildung zur Webdesignerin gemacht. Gemalt habe ich schon immer. Nachdem ich viel gereist bin, ich war zum Beispiel in Indien, Nepal und Pakistan, einfach aus Neugier auf diese Länder, bin ich irgendwann der Sehnsucht gefolgt, Kunst zu machen. Nicht ganz mit Einverständnis meiner Eltern, die auch auf dem Standpunkt beharrten: Mädel, lern was Vernünftiges, von der Kunst kann man nicht leben.
Und? Konnten Sie?
20 Jahre habe ich davon recht gut gelebt. Die letzte Zeit war coronabedingt etwas schwieriger.
Wie kommt man von Berlin nach Wiesenburg?
Das war wohl auch eher Zufall. Meine Bilder waren schneller in Wiesenburg als ich selbst. Ich hatte einen Künstler kennengelernt, der sich an einer Ausstellung in der Kunsthalle beteiligen wollte und mich fragte, ob ich mitmache. Wo um alles in der Welt ist Wiesenburg, dachte ich da. So fand diese erste Präsentation meiner Bilder ohne mich statt. 2009 war ich dann erstmals selbst in der Kunsthalle zugegen, fand Kontakt zum Verein Alte Schule und wurde Mitglied. Inzwischen gestalte ich dessen Website. So kam eins zum anderen. Ein triftiger Grund, der Großstadt den Rücken zu kehren, war die Ruhe hier auf dem Land, ich wollte einfach raus aus dieser ganzen Hektik.
Was malen Sie?
Ich male Frauen. Meistens.
Mit welchen Materialien arbeiten Sie?
Ich arbeite in Öl und Acryl auf Malgrund. Manchmal kommen Kohle und Kreiden hinzu.
Warum diese Materialien?
Ich verwende klassische Materialien der Malerei, weil sie die für mich bestens Möglichkeiten bieten, meinen Porträts Kraft, Tiefe, eine eigensinnige Farbigkeit, Struktur und Zartheit zu verleihen.
Wie produzieren Sie ihre Werke?
Ich arbeite in Werkzyklen, das heißt, in geschlossenen Themenbereichen. Das Oberthema ist Weiblichkeit, die sich in verschiedensten Ausprägungen zeigt. Meist arbeite ich mehrere Monate lang an einem Werkzyklus, doch kehre ich auch immer mal wieder zu vorherigen Zyklen zurück und arbeite dazu. Meine bisherigen Zyklen befassen sich mit den Themen: Circen (Das Thema Werbung und Verführung), Göttinnen (hier geht es um kultur- und religionsübergreifende Archetypen) und Punks (Eigensinn und Rebellion). Auf der Ausstellung sind aus letzterem einige Bilder zu sehen, die ein bisschen das Rebellische und Provokative zeigen.
Welche Ideen erkunden Sie in ihrer Arbeit?
Meine Frauen sind keine selbstdarstellungskranken Opfer, sondern zeigen eigensinnige Haltungen.
Als Humanistin, die Frauen mehr Gesicht und Gewicht in der Welt verleihen will, befasse ich mich überwiegend mit weiblichen Themen. Die Arbeiten beziehen sich auf mein Leben und Erleben als Frau in der westlichen Welt, Wahrnehmung von Frau sein in Medien, in der Werbung, in meinem Umfeld. Ich bin eine Beobachterin von Strömungen, die sich in meinen Bildern ausdrücken. Ich gebe Menschen durch meine Arbeiten die Möglichkeit, ihre eigenen Haltungen anzuschauen und womöglich zu modifizieren.
Wie hat sich ihre Arbeit im Laufe der Jahre entwickelt?
Ich komme eigentlich von der Abstraktion, doch begannen sich vor etwa 15 Jahren Figuren in meine Bilder „einzuschleichen“. Wahrscheinlich hat es damit zu tun, dass mich Menschen interessieren und beschäftigen. Ich finde uns eine ziemlich abgefahrene Spezies. Ich gab den Figuren mehr und mehr Raum. Und es zeigen sich immer Frauen. Und Tiere. Tiere erzählen für mich von einer anderen Ebene des Seins, eröffnen einen zusätzlichen Raum. Die Abstraktion hat mich jedoch nie verlassen und ich versuche häufig, beides miteinander zu verbinden.
Warum machen Sie diese Arbeiten?
Weil sie mich etwas angehen. Es drängen Themen in mir hoch, die umgesetzt werden wollen. Wie zum Beispiel das Hasenthema – die lieb gemeinte Gewalt. Dieses Thema hat so in mir gearbeitet, dass es unbedingt umgesetzt werden musste, auch wenn davon auszugehen war, dass sich diese Arbeiten trotz poppiger Farbigkeit schwer verkaufen lassen. Meine Bilder sind durchaus ansehnlich in ihrer frischen Farbigkeit, doch die Themen dahinter gründen tiefer und erschweren oft den Verkauf. Ich muss sie trotzdem machen.
Was macht ihre Kunst einzigartig?
Der Eigensinn meiner Frauen, die mit starker Präsenz im Bild stehen. Trotz ihrer Verletzlichkeit strahlen sie Selbstbewusstsein und Kraft aus. Von ihrer Vielschichtigkeit erzähle ich durch kraftvolle Farben, die im Kontrast zu den zarten, fein abgemischten Tönen steht. Meine Frauen sind keine Opfer. Diesen Eindruck erreiche ich dadurch, dass die Frauen einen anschauen. Sie sind keine Objekte der Begierde, sie sind Macherinnen, Täterinnen, bewusste Verführerinnen, aggressive Berechtigte.
Wer nun neugierig geworden ist, kann die Ausstellung jederzeit besuchen. Am besten nach telefonischer Anmeldung bei Stephanie Nückel unter: 0151-23514886 oder Iris Seraphin unter 0173-8173011. Wer zufällig vorbeikommt und das Schild vor der Tür stehen sieht, kann ruhig klingeln, denn dann ist jemand im Hause.