Am Ende des 17. Jahrhunderts ist die wirtschaftliche Lage in der Schweiz besonders schlecht: Weizenknappheit, Verarmung, Arbeitslosigkeit. Viele Schweizer suchen ihr Heil in anderen Ländern. Auch in das Kurfürstentum Brandenburg zog es viele Eidgenossen. Die Region rund um Eberswalde konnte Zustrom gebrauchen.
Der 30-jährige Krieg war zwar schon Jahrzehnte vorbei, hinterließ aber immer noch einen Schatten in der Region. Das Land war entvölkert und teilweise noch verwüstet. Migrationsbewegungen gen Brandenburg waren dem Kurfürsten Friedrich III. sehr willkommen.
Brandenburg-Preußen gehörte zu den wichtigsten deutschen Einwanderungsgebieten im 17. und 18. Jahrhundert. Zwischen 1640 und 1785 nahm es etwa eine halbe Million Einwanderer aus verschiedenen Ländern auf. 1613 war das brandenburgische Herrscherhaus vom lutherischen zum reformierten Flügel der Reformation übergetreten, ohne seine Untertanen zum gleichen Schritt zu zwingen. Trotzdem war man an der Etablierung eines großen reformierten Bevölkerungsanteils interessiert. Damit fiel der Blick auch auf ansiedlungswillige Schweizer aus reformierten Kantonen.

Vor allem Handwerker und Bauern kamen

Im Jahr 1691 wurden auf Befehl des Kurfürsten einige Schweizer Familien nach Eberswalde geschickt. Es waren vorwiegend unvermögende Kleinbauern, Hilfsarbeiter und ländliche Handwerker, die ihren Weg in die Region gefunden hatten. Es wurde angewiesen, dass unter der Aufsicht des damaligen Bürgermeisters die Schweizer auf dienliche Weise untergebracht und ihnen „zu Brot und Nahrung verholfen würde“. Es wurde für die Einwanderer sogar eine eigene Straße angelegt: die Schweizer Straße. Die Häuser wurden ihnen zu freier Benutzung überwiesen, bei zunächst 15-jähriger Freiheit von allen bürgerlichen Lasten, die dann sogar auf 20 Jahre ausgedehnt wurde.
Viele auch heute noch in Eberswalde ansässige Namen sollen damals ihren Weg hierher gefunden haben. Laut Kirchenbuch der Gemeinde waren dies unter anderem die Nachnamen Winckler, Egli, Küpper, Kupfer, Lieberknecht, Wulff und Ruderer. Da die eingewanderten Schweizer zumeist Ackerbauern waren, musste ihnen Ackerland angewiesen werden. „In den Sandfeldern des Brosenbergs versuchten sie nach dem Ausbrennen der Heide ihr Glück, ohne freilich viel zu erreichen“, heißt es in den Chroniken.

Schweizer Einwanderer haben Spuren hinterlassen

Dieses Land hieß auch später noch das Schweizerland. Bis zum Jahr 1785 war vieles davon aber wieder zu Wald geworden. Vor dem Obertor, an der heutigen Stadtschleuse, wurde ihnen der sogenannte Zollgarten eingeräumt, welches Land sie in Baum- und Krautgärten umarbeiteten. In der Gegend der „Mönchsbrücke wurden ihnen die später sogenannten Schweizerwiesen angewiesen und am 21. 4. 1693 an sie verteilt: 10 Stücke vom Werderschen Damm bis zur Viehbrücke auf der Freiheit, und weitere 10 Stücke von dieser Viehebrücken bis an die Kuhbrücke“, schrieb der Eberswalder Stadtchronist Rudolf Schmidt in seinem Werk „Geschichte der Stadt Eberswalde – Band I“ von 1939.
Die Schweizer Kolonisten waren bis in die 1720er Jahre ein fester Teil der Eberswalder Gesellschaft, ehe der Zustrom abriss. „Es wollte aber doch mit diesen Kolonisten hier so wenig als anderswo fort, ihre Anzahl wurde eher schwächer als stärker. Viele wussten mit dem hiesigen Ackerbau nicht umzugehen und konnten sich auch in die Landesart nicht schicken. Die hiesige Viehzucht wich von der ihres Vaterlandes stark ab, wodurch sie gleich zurückkamen“ berichtet eine zeitgenössische Quelle.

Kirchengemeinde als Überbleibsel dieser Zeit

Im Jahr 1770 starb die letzte geborene Schweizerin laut Kirchenbuch der St- Johannis-Gemeinde mit 83 Jahren. Die Kirchengemeinde ist das heutige historische Relikt aus dieser Zeit. Nach den Einwanderungen Schweizer und hugenottischer Emigranten gründete sich in Neustadt-Eberswalde ab 1693 die evangelisch-reformierte St. Johannis-Gemeinde erst.
Ab 1717 verfügte sie über eine eigene Fachwerkkirche auf dem Marktplatz. Nachdem diese zunehmend baufällig geworden war, veranstaltete der Architekten-Verein zu Berlin unter seinen Mitgliedern 1885 einen Wettbewerb für einen Neubau. Die offizielle Grundsteinlegung erfolgte im April 1892. Nach einer Bauzeit von rund zwei Jahren konnte die Kirche am 3. Oktober 1894 feierlich eingeweiht werden.