Die Autofahrerin – Ellen Werner berichtet.
Bis zehn am Schreibtisch sitzen? Das wird wohl knapp diesmal: 8.53 Uhr lasse ich den Motor an. Start von meinem Wohnort in Berlin Prenzlauer Berg, unweit der Schönhauser Allee. Ich stelle das Navi ein, obwohl ich die Strecke fast im Schlaf fahren könnte – man weiß ja nie, ob man nicht mal ungewohnte Wege nehmen muss. Voraussichtliche Ankunftszeit: in 57 Minuten. Ohne Verkehr, rechnet der Routenplaner aus, bräuchte ich für die 62 Kilometer fünf Minuten weniger.
Vor einigen Jahren hätte ich mit dieser Startzeit noch ordentlich Puffer gehabt. Doch auch seit das Dreieck Barnim fertig wurde, gibt es immer irgendeine Baustelle auf der Strecke. Oder, meistens, mehrere Baustellen. Auf dem Autobahnzubringer A 114, Höhe Schönerlinder Straße, geht beispielsweise seit Ewigkeiten nur auf einer Spur was, fahren darf man höchstens 60 Kilometer pro Stunde. Permanent gebaut wird am Dreieck Pankow: zwei Spuren, Tempolimit 80.
Quälende Parkplatzsuche am Abend
Warum ich mir das antue? Dienstlich ist das Auto unabdingbar. Zu Beginn der Arbeitswoche, in meinem Fall dienstags, transportiere ich die Karre also her, am Ende zurück nach Berlin. An den Arbeitstagen dazwischen bleibt das Familienauto in Eberswalde und ich nehme die Bahn.
Auf den Straßen ist es für mich heute ein unauffälliger Tag. Ein paar Ampeln auf der Schönhauser bringen Verzögerungen. Ansonsten flutscht alles. Fast raus aus der Stadt, sehe ich auf der Gegenseite die noch größere Blechlawine auf die Hauptstadt zurollen und bin froh, dass ich nicht dazu gehöre. Ob Auto oder Zug – angesichts der Redaktionszeiten bin ich immer antizyklisch unterwegs.
Kurz vor Bernau wird der Verkehr dichter – hier fahren viele ab. Dahinter eine kleine Überraschungsbaustelle: Arbeiter hämmern am Unterboden einer Brücke. Vorm bekannten Blitzer kurz hinter der Auffahrt Lanke bremsen alle ab. Ich fahre ohnehin gemütlicher und habe nebenbei ein Hörbuch angestellt.
Sonst: Keine Raser, keine Drängler heute und über Gebühr aufgehalten werde ich auch in Eberswalde nicht. Muss nur, um in Redaktionsnähe parken zu können, zwei kleine Runden drehen. Das ist nichts gegen die Parkplatzsuche zuhause. Die kann am Abend schon mal eine dreiviertel Stunde dauern und ist einer der vielen Gründe dafür, dass der Zug immer meine erste Wahl ist.
Wie viel mich die zwei alternativlosen Autofahrten pro Woche kosten, habe ich erst für diesen Pendlertest ausgerechnet: 8,12 Euro fallen bei dem zwölf Jahre alten Golf dafür allein an Dieselkosten an. Mit dem Monatsticket käme ich bei einer Fünf-Tage-Woche für 3,35 Euro hin und zurück. Von Haustür zu Haustür habe ich am Ende etwa 8,5 Kilogramm Kohlendioxid in die Luft geblasen und 71 Minuten gebraucht. Obwohl alles glatt ging, erreiche ich die Redaktion als zweite Siegerin – und freue mich, dass ich morgen wieder in der Bahn sitze.
Die Bahnfahrerin – Viola Petersson hat den Zug genommen.
Eigentlich wollte ich den Zug um 9.39 Uhr nehmen, ab Berlin-Gesundbrunnen. Da wäre ich zwar etwas später als 10 Uhr ins Büro gekommen, aber es gibt ja auch keinen pünktlichen Feierabend. Allein: Die Bahn hat wieder Schienenersatzverkehr zwischen Berlin bzw. Bernau und Eberswalde eingerichtet. Per Bus. Wegen Brückenbauarbeiten. Der letzte RE 3, der durchfährt, ist jener um 8.39 Uhr. Also nehme ich den. Denn mit allen anderen Verbindungen wäre ich statt der 28 Minuten eine Stunde und länger unterwegs.
Ich starte, so wie meine Kollegin Ellen Werner, in Prenzlauer Berg unweit des S-Bahnhofs Schönhauser Allee. Eine Station mit der S 42 bis Gesundbrunnen. Aufbruch gegen 8.15 Uhr. Der Bahnsteig in Gesundbrunnen ist recht gut gefüllt, obwohl sich das Gros der Berufspendler mit Sicherheit viel früher auf den Weg gemacht hat. Ganz pünktlich 8.37 Uhr rollt der RE 3 ein, und fährt planmäßig 8.39 Uhr ab. Ich habe Glück, bekomme einen Sitzplatz. Im Zug offenbar viele Studenten, deren Ziel die Eberswalder Hochschule ist. Ich könnte ja schon mal die Mails checken, lasse es aber doch. Und greife zum Buch. Lektüre, die nichts mit der Arbeit zu tun hat. Knapp 30 Minuten Entspannung.
Unterwegs ist versehentlich ein Passagier an den Notrufknopf gekommen. Der Zugführer erkundigt sich über die Sprechanlage, ob jemand Hilfe benötigt oder alles in Ordnung ist. Alles in Ordnung. Vermutlich passiert das öfter. Kein Halt. Wir erreichen Eberswalde um 9.07 Uhr. Superpünktlich. Aber durchaus keine Selbstverständlichkeit, wie ich aus eigener Erfahrung weiß.
Entspannt ins Büro, aber unflexibel
Nahezu alle Fahrgäste steigen in Eberswalde aus, strömen dem Tunnel und dem Ausgang zu. Die jungen Leute steuern sogleich die Obus-Haltestelle an. Nur wenige marschieren zu Fuß Richtung Zentrum. Wofür auch ich mich entscheide. Sich kurz vor der Arbeit noch mal die Luft um die Nase wehen lassen bei milden acht Grad, das kann nicht schaden. Mit strammem Schritt erreiche ich um 9.20 Uhr die Redaktion. Und habe mir erst mal ein Käffchen verdient.
Die Bilanz: Ich war gut eine Stunde unterwegs, also etwas schneller als meine Kollegin im Auto. Alles hat aber auch wie am Schnürchen geklappt. Angeblich habe ich mit der Bahn 56 Gramm CO2 pro Kilometer produziert. Und was hat mich der Arbeitsweg gekostet? Für das Einzelticket habe ich 5,70 Euro bezahlt. Bei täglichem Pendeln würde ich freilich eine Monatskarte (VBB-Umweltkarte mit einem Landkreis) für 134 Euro kaufen.
Entscheidender Vorteil der Bahn aus meiner Sicht: Ich kann die Zugfahrt zum Lesen nutzen. Nachteil: Ich bin wenig flexibel, muss mich nach dem Bahn-Fahrplan richten, im Zweifel also eine Stunde warten. Und: Ich mag nicht an den Winter denken, wenn du bibbernd auf dem Bahnsteig stehst und der Zug hat Verspätung oder fällt aus.

Zahl der Pendler steigt weiter

Brandenburg ist Pendlerland. Dies gilt in besonderem Maße für den Landkreis Barnim, der an die Hauptstadt angrenzt. Viele Barnimer haben ihren Arbeitsplatz in Berlin, pendeln also täglich für den Job. 2016 waren es knapp 27 000, 2018 bereits knapp 29 000. Und die Zahlen steigen weiter. Umgekehrt kamen 2018 etwa 7500 Berliner zur Arbeit in den Barnim.

Erhebungen zufolge gibt es im Landkreis nur zwei Kommunen mit einem positiven Pendlersaldo. Gemeinden also, in denen die Zahl der sogenannten Einpendler größer ist als die der Auspendler. Dies sind Britz (mit dem Fleischwerk) sowie die Kreisstadt.

Mitte 2018 wurden in Eberswalde 8500 Einpendler registriert, bei gleichzeitig 6720 Auspendlern. Was einem (Ein-)Pendlerüberschuss von 1780 entspricht. Die Rathausspitze wertet dieses Ergebnis als Ausdruck der Attraktivität und der Kraft des Standorts Eberswalde. Vor allem die beiden Krankenhäuser der GLG sowie die Hochschule HNE ziehen Arbeitskräfte an, in dem Fall insbesondere Ärzte und Wissenschaftler, sowie das Behördenzentrum.

Um das Pendeln mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erleichtern und attraktiver zu machen, haben sowohl Britz als auch Eberswalde mehrfach die Kapazitäten auf den P+R-Parkplätzen erhöht. Eberswalde bereitet zudem gerade den Bau eines Fahrradparkhauses für insgesamt gut 600 Bikes am Bahnhof vor. 2020 soll es mit dem Bau losgehen.

Darüber hinaus fordert Eberswalde einen echten 30-Minuten-Takt auf der Bahnstrecke des RE 3 nach Berlin. Und zwar ganztägig. Im Brandenburger Koalitionsvertrag heißt es, "Kenia" wolle an allen Bahnhöfen im Regionalverkehr werktags einen Stundentakt einrichten. Das ist den Eberswaldern zu wenig.

Die Verbindung Eberswalde – Finowfurt dürfte sich ab Dezember deutlich verbessern, wenn die Linie 910 zur Obus-Linie wird. Mit einem dichteren Takt und mehr Stopps. vp