Der Prophet gilt nichts im eigenen Land, heißt es oft. Nicht in diesem Fall. Das in Eberswalde von Wissenschaftlern und Praktikern entwickelte Waldbrand-Früherkennungssystem Dryad-Silvanet kommt nicht nur im Ausland, sondern auch im heimischen Stadtforst zum Einsatz. Im Rahmen eines Pilotprojektes gemeinsam mit der Kommune und Stadtförster Florian Manns. Bis zum Beginn der Saison sollen in einem Teil des Stadtwaldes etwa 400 Sensoren, die eine Fläche von 400 Hektar „abdecken“, installiert sein.
Der entsprechende Kooperationsvertrag mit der Stadt Eberswalde laufe bis Ende 2025, erklärt der promovierte Waldökologe Jürgen Müller vom Unternehmen Dryad Networks. Bei dem Pilotprojekt ginge es vor allem um die Frage der System-Kommunikation. Wie viele Gateways, eine Art Repeater, sind nötig, um die Informationen, die Signale zuverlässig ins Netzwerk einzuspeisen? Das soll in der Barnimer Kreisstadt in einem weiteren großen Versuch erprobt werden, erläutert Müller, der eigentlich längst im Ruhestand ist und bis 2019 im hiesigen Thünen-Institut gearbeitet hat.
Fläche im Eberswalder Stadtforst ausgewählt
Der Stadtförster habe für diesen Test eine Fläche entlang des Oder-Havel-Kanals ausgewählt. Vom Gewerbegebiet bis etwa zum Ruheforst. In dem Bereich, so weiß Müller, habe es in der Vergangenheit immer wieder Entstehungsbrände gegeben. Gut 100 Sensoren hat Müller mit seinem Team in den vergangenen Wochen bereits an den Bäumen angebracht. Knapp 300 folgen jetzt noch. Plus die entsprechenden Gateways. Im Schnitt seien alle zwei bis sechs Kilometer solcher Geräte nötig. Aber die genaue Anzahl hänge unter anderem von der Topologie, also den örtlichen Gegebenheiten ab, so Müller. Deshalb auch der Test hier.
Jetzt geht es in die Massenproduktion
Im Einsatz sei das Ultra-Früherkennungssystem aus Eberswalde unter anderem bereits in Spanien, Griechenland und den USA. 10.000 Sensoren wurden dafür 2022 produziert und ausgeliefert. In diesem Jahr sei eine Produktion von mehr als 200.000 Sensoren geplant. Bestellungen kämen aus der ganzen Welt, unter anderem jetzt aus Bulgarien, vor allem aber nach wie vor aus den USA. Dabei, so berichtet Müller, ginge es nicht nur um den Schutz der Wälder. Auch Energiekonzerne würden zu den Kunden zählen. Sie hätten Interesse an der Eberswalder Erfindung, um die Technik entlang von Freileitungen zu installieren.
Die Gas-Sensoren, die quasi den Rauch und damit den Brand in der Entstehung riechen können, werden in Bayern hergestellt. Durch die Partnerfirma Prüfrex in Cadolzburg (bei Nürnberg). Die Sensoren werden von kleinen Solarzellen gespeist, die nach Unternehmensangaben auch in schattigen Waldgebieten einwandfrei funktionieren.
Möglich ist all dies auch dank etlicher Investoren. Im Spätsommer vorigen Jahres hatte das Eberswalder Unternehmen mit Geschäftsführer Carsten Brinkschulte Finanzierungszusagen in Höhe von mehr als zehn Millionen Euro. Damit konnte die Markteinführung beschleunigt werden.
Erfindung bringt entscheidenden Zeitvorteil
Ende vorigen Jahres wurde das Start-up zum Brandenburger Unternehmen 2022 gekürt. Das System zur Früherkennung und Waldüberwachung wurde über zwei Jahre entwickelt. Inzwischen wurden vier Patentanmeldungen eingereicht.
Brandenburg ist aufgrund seines Waldreichtums und der Struktur der Wälder das von Bränden am stärksten betroffene Bundesland. Trauriger Rekord waren im Jahr 2018 offiziellen Angaben nach 512 Waldbrände in der Mark. Erhebungen zufolge verursachen Waldbrände weltweit um die 20 Prozent aller CO2-Emissionen und einen wirtschaftlichen Schaden von 140 Milliarden Dollar pro Jahr. Dryad, davon sind die Eberswalder Tüftler überzeugt, kann helfen, diese Folgen zu reduzieren. Denn dank der Sensoren kann ein Schwelbrand bereits innerhalb der ersten 60 Minuten detektiert werden. Wohingegen klassische kameragestützte Überwachungssysteme zur Erkennung ein bis drei Stunden brauchen. Vorteil Dryad also.
Brandenburg Waldbrandland Nr. 1
Genau diesen Vorteil wollen eben auch Kommunen wie Fürstenwalde, die Stadt orderte Ende 2022 für ihren Forst 80 Sensoren, und Eberswalde nutzen.
Der Eberswalder Stadtwald hat insgesamt eine Größe von rund 1500 Hektar. Wobei die Fläche laut Manns stark zersplittert ist. Hauptbaumart in der sogenannten Hauptschicht ist die Kiefer mit einem Anteil von 54 Prozent, gefolgt von der Buche (15 Prozent). Zu den Herausforderungen für das Team um Stadtförster Manns gehören neben Extremereignissen wie Trockenheit, Stürmen und Starkregen vor allem die Zunahme der Waldbrandgefahr, der Ausfall von Baumarten, die Zunahme von Schädlingen sowie die Schwankungen auf dem Holzmarkt.
Hinweis der Redaktion: Der Artikel stammt aus dem Januar 2023. Wir haben ihn geprüft und noch einmal veröffentlicht.