Ihr Vater habe hier gearbeitet, erinnert sich Sieglinde Wischnewski. „Er war hier ein ganz anderer Mensch.“ Zusammen mit Heike Gunkel war sie in die ehemalige Kinderkrippe in der Erich-Weinert-Allee gekommen, die über das Wochenende zugänglich war. Dort waren für zwei Tage Ergebnisse eines Projektes zu sehen, in dem sich Künstler mit der Stadt auseinandergesetzt haben.

Wandmosaik neu in Szene gesetzt

Sieglinde Wischnewski und Heike Gunkel kamen auch mit einem der Künstler ins Gespräch. Michael Hirschbichler war vor sieben Jahren schon einmal in der Stadt und von dem Mosaik „Weltall, Erde, Mensch“ von Otto Schutzmeister fasziniert. Er hat es im Rahmen des Projektes neu in Szene gesetzt und auch den Raum von Vergangenheit und Zukunft aufgenommen. „Mein Projekt setzt das Wandmosaik neu in Szene, verhandelt die Zukunftsvision der Vergangenheit in der Gegenwart – und richtet so ein in der sozialistischen Planstadt verankertes Denkmal wieder auf die Zukunft aus.“

Das Gespräch als Ziel

Die Aktion von Michael Hirschbichler, er leuchtete mit Neonröhren an einem Abend das Mosaik neu aus, ist das, was der Kunstverein im Kloster Neuzelle mit der Kunstaktion und einem Symposion erreichen wollte. Kurator Niklas Nitschke drückte es so aus: „Das Gespräch ist Ziel und Inhalt des Projektes. Ein Gespräch in der Stadt zur Stadt soll dazu beizutragen, neue ungewohnte, gedanklich provozierende, anregende Perspektiven auf die Stadt entstehen zu lassen, auf die Stadt als geschichtliches Beispiel, als Beispiel auch für eine schrumpfende Stadt, aber auch für eine Stadt als Projekt und Idee, die immer auch neu bewertet, neu definiert, neu belebt werden kann.“

Interesse aus dem Ausland

Wie sehr die Modellstadt über die Stadt hinaus von Interesse ist, zeigte sich an der Resonanz von Künstlern. Sogar aus den USA und den Philippinen gab es Rückmeldungen. Adlerdings, darauf machte Natalie Obert am Sonnabend in dem Symposion aufmerksam: Die Eisenhüttenstädter selbst nehmen ihre Stadt nicht unbedingt als besonders wahr. Die Künstlerin hat sich mit Eisenhüttenstädtern unterhalten. Daraus ist ein Stadtkarte mit besonderen Orten entstanden, die man auch hörbar erleben kann. Natalie Obert fragte Eisenhüttenstädter nach ihren Lieblingssongs, hat daraus eine Play-Liste erstellt.

Wandel-Konzert in den Innenhöfen

Bei der Frage, wie denn die schrumpfende Stadt für sich eine neue Vision entwickeln kann, regte der Philosoph Matthias Warkus Zurückhaltung an. „Auf diese Stadt ist so viel projiziert worden, dass man vielleicht bewusst aufhören sollte, Theorie und Visionen auf sie aufzusatteln.“ Allerdings gab er dann doch einen Hinweis, welche Potenziale noch ungenutzt sind. So wurde die Ausstellung mit einem Wandel-Konzert eröffnet. Ein Streichquartett spielte beginnend am Platz des Gedenkens in Innenhöfen ein Streichquartett von Dmitri Schostakowitsch. Nicht nur Matthias Warkus fiel auf, dass die Innenhöfe zu wenig öffentlich genutzt werden. Sie könnten auch dazu dienen, was Niklas Nitschke in einem anderen Zusammenhang „Spielräume“ nannte.
Anne Schülke, Piotr Zamojski, Anne Peschken, Marek Pisarsky, Michael Hirschbichler, Armin Hartenstein, Natalie Obert, Volker Dröhne und Ben Kaden haben sich im Rahmen des diesjährigen Pleinairs des Landkreises, der die Aktion neben der Sparkasse Oder-Spree auch finanziell ermöglicht hat, auf ganz unterschiedliche Weise mit der Stadt auseinandergesetzt. „Beiträge stiften den Besucher an, mit anderen Augen und Gedanken in die Stadt zu gehen und dabei neu über sie nachzudenken“, sagte dazu Niklas Nitschke..