Die Zeit sitzt Sigrid Richter im Nacken. In dieser Woche muss sie gut 2000 Seiten durchsehen, auf denen das Vorhaben von Tesla dargestellt wird, bei Freienbrink eine so genannte Giga-Fabrik zu bauen und dort Elektroautos zu produzieren. Nächste Woche hat die Amtsärztin im Ruhestand andere Verpflichtungen. Montagvormittag hat sie mit dem Aktenstudium im Erkneraner Rathaus begonnen, wohl wissend, dass es mit einem Termin nicht getan sein wird. Die Erkneranerin interessiert sich besonders für die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt in allen Facetten, und sie hofft, sich mit Hilfe der Unterlagen eine fundierte Meinung dazu bilden zu können.
Grundsätzlich bleibt noch bis zum 4. Februar Zeit zur Einsichtnahme – in den Rathäusern von Erkner und Grünheide sowie bei der Amtsverwaltung in Spreenhagen liegen die Akten aus und sind während der Öffnungszeiten, das heißt nicht nur an den Sprechtagen, zugänglich. Bis zum 5. März läuft die Einwendungsfrist, bevor am 18. März  auf Einladung des Landesumweltamtes in der Erkneraner Stadthalle alle Bedenken erörtert werden sollen.
Einige Bürger interessieren die Unterlagen
Einen Ansturm auf die Rathäuser hat es bislang dennoch nicht gegeben, aber es sei beständig Interesse da, heißt es. In Erkner ist deshalb die Entscheidung gefallen, den Platz zur Einsicht in die Unterlagen aus dem Bauamt an den Einlass zu verlegen. Die Interessierten können sich dort wie an den anderen Auslegungsorten auch in die Akten vertiefen, sich Notizen machen oder Seiten abfotografieren. Nur ausgeheftet werden darf nichts, deshalb sind auch keine Kopien möglich. Zum Mitnehmen gibt es kompakte Übersichten, und die Unterlagen sind, allerdings nicht so umfangreich wie in den Ordnern, unter www.uvp-verbund.de auch im Internet verfügbar.
Viele Besucher nehmen sich die Kurzfassung mit, wie im Grünheider Rathaus von Verwaltungsmitarbeiter Patrick Quiel und in Erkner von Katharina Bosse aus dem Bauamt zu erfahren ist. Mancher vertieft sich stundenlang in die ausgelegten Unterlagen, in Grünheide hat jemand neulich drei Stunden damit zugebracht. Das Interesse sei ganz unterschiedlich, hat Patrick Quiel beobachtet. Viele machten sich aber Gedanken, welche Folgen für den Stand von Grundwasser und Oberflächengewässern die Industrieansiedlung haben wird. Seine Funktion sei es, bei der Einsichtnahme dabei zu sein, sagt Patrick Quiel und natürlich frage er nicht nach, wie die Besucher zu Tesla stehen. Aber immer wieder komme das eben doch zur Sprache, und dabei hat er festgestellt, dass es ein sehr gemischtes Meinungsbild gibt. Katharina Bosse in Erkner bestätigt das.
Immer wieder Anfragen
Grünheides Bürgermeister Arne Christiani spricht indes von einer nach wie vor positiven Grundstimmung. Sein Arbeitsalltag hat sich ziemlich verändert mit den Tesla-Plänen. Immer wieder gibt es Anfragen zum Thema: Medien wollen Auskunft und Investoren erkundigen sich nach Ansiedlungsmöglichkeiten. Dabei gehe es um Supermärkte, um Kinderbetreuung, um Altenheime oder Wohnungen. Es gab sogar Interesse, in Grünheide ein riesiges Einkaufszentrum zu bauen, aber diese Hoffnung hat der Bürgermeister zerstreut. "Der Charakter unserer Ortsteile soll erhalten bleiben", bekräftigt er.
Im Wald bei Freienbrink, den Tesla kaufen will, läuft unterdessen die Munitionssuche weiter. Gegenüber der westlichen Einfahrt zum Güterverkehrszentrum Freienbrink wird ein Waldweg als Baustraße hergerichtet. Dort sollen Lkw fahren können, die den Müll von einer alten Deponie im Wald abtransportieren. Um die 50 000 Tonnen Unrat lagerten dort, berichtet Reinhard Eilemann vom Landesbetrieb Forst.

Kommentar: Mit offenen Karten

Angesichts der Tatsache, dass die geplante Ansiedlung des Elektroautobauers Tesla gerade eines der meistdiskutierten Themen rund um Grünheide und weit darüber hinaus ist, erstaunt das relativ geringe Interesse an den Unterlagen schon. Die fünf Tesla-Ordner sind sicher keine leichte Kost, aber ein intensiverer Blick hinein lohnt, um sich eine Meinung zu dem Projekt zu bilden, an das sich östlich von Berlin viele Hoffnungen, aber auch Befürchtungen knüpfen.Dass die Unterlagen nun endlich öffentlich verfügbar sind, ist ganz entscheidend für die Glaubwürdigkeit von Investor und brandenburgischer Politik. Nach der überraschenden Ankündigung einer Großinvestition hat sich in vielen Köpfen festgesetzt, die Behörden wollten etwas durchpeitschen. Die Geheimniskrämerei, für die es sicher gute Gründe gab, hat Spekulationen Tür und Tor geöffnet. Eins wie das andere zeigt aber auch, dass hierzulande niemand Routine hat im Umgang mit Vorhaben derartigen Ausmaßes.Um so wichtiger, dass nun wieder alles nach hiesigen Spielregeln läuft. Ob und wie Tesla baut, steht erst nach Abschluss des Genehmigungsverfahrens fest. Einem Verfahren, in dem mit offenen Karten gespielt werden muss. Annette Herold