Für Peter Noack hätte es die vierte Teilnahme in Südschweden werden sollen. Der Plan sah vor, dass er Mittwochnacht mit der Fähre von Wärnemünde nach Trelleborg übersetzt, mit dem Auto die knapp fünf Stunden nach Motala fährt, nach der Einschreibung noch eine lockere Trainingsrunde absolviert und tags darauf, besser gesagt am Abend, die 315 Kilometer um den Vätternsee in Angriff nimmt. Aber daraus wird nichts.
Rund 3500 Trainingskilometer hat der pensionierte Vermessung-Ingenieur aus dem Grünheider Ortsteil Fangschleuse absolviert. Das ruft danach, mit einem sportlichen Höhepunkt belohnt zu werden. Aber ist ein solcher Kraftakt in heimischen Gefilden zu bewältigen? Vorsichtig fragt der 65-Jährige, der auch passionierter Inline-Skater und Läufer ist, bei seinen Freunden der ALG Löcknitztal nach – eine Gruppe von Hobby-Sportlern, die sich etwa 2003 zusammengefunden hat und längst mehr als eine Laufgruppe ist. Alle sind begeistert von der Idee, sichern ihre Unterstützung zu. Und tatsächlich steigen im Laufe des Abends, der Nacht und des folgenden Tages acht Helfer aufs Rad, um Noack auf einem oder auch zwei der zehn Abschnitte seiner mehr als 300 Kilometer langen Tour zu begleiten. Werl-, Möllen- und Heidereuter- statt Vätternsee, Mönchwinkel und Spreenhagen, Kienbaum und Erkner statt Ölmstad, Jönköping und Karlsborg.
19.44 Uhr
Exakt eine Woche nach der eigentlichen Startzeit in Motala beginnt 684 Kilometer weiter südlich das Abenteuer. Die erste Etappe führt über Fürstenwalde und Braunsdorf und ist mit fast 53 km die längste. "Eine tolle Strecke", schwärmt Begleiter Rainer Uhlmann aus Berlin.
23.19 Uhr
Der zweite Abschnitt ist bewältigt – sieben Minuten zu früh. Dafür kann die Pause entsprechend länger sein. Noack hat einen genauen Zeitplan aufgestellt anhand der angestrebten Durchschnittsgeschwindigkeit von 23 km/h. Im Windschatten von Triathletin Peggy Syp ging es allerdings ein bisschen schneller.
0.25 Uhr
Der kürzeste Tag des Jahres hat begonnen, genau 106,5 km sind geschafft. In Schweden gibt es neun Verpflegungspunkte – in Brandenburg ist es immer der heimische Garten samt Terrasse in der Grünheider Lindwallstraße. Für das Nachtmahl ist eine halbe Stunde vorgesehen: Kartoffelbrei und Köttbullar.
2.04 Uhr
Es hat zu regnen begonnen. Nach 134 Kilometern zieht sich Noack bis auf die Hose komplett um – ein Heim-Vorteil. Am Vätternsee hätte er die Wechselsachen mitnehmen müssen. "Dafür war es im Wald zwischen Burig und Hartmannsdorf doch ein bisschen unheimlich."
4.03 Uhr
Der Regen hat die fünfte Etappe begleitet. "Zum Glück ist es nicht kalt", sagt Andreas Stoye-Balk. Anschließend philosophiert der Lehrer über bürgerliche, nautische und astronomische Dämmerung. Es gibt warme Blaubeersuppe, und Noack füllt seine Trinkflasche mit Wasser und etwas Salz nach.
6.06 Uhr
Kilometer 207,5 – zwei Drittel sind geschafft. Ehefrau Birgit, die sich mit den Töchtern Ulrike und Claudia um die Vorbereitung und die Verpflegung auch der Helfer-Schar gekümmert hat, begleitet ihren Mann nach Kienbaum und zurück. "Da waren etliche Wildschweine, und auf dem Rückweg hatten wir ordentlich Gegenwind."
7.15 Uhr
"Der Wind ist gemein." Dafür freut sich Noack, "dass die Straße zwischen Freienbrink und Spreeau noch rechtzeitig fertig geworden ist." Es gibt je ein halbes Brötchen mit Marmelade und mit Leberwurst, Cola, Kaffee und Tee.
8.45 Uhr
262,5 Kilometer. "Oh Mann, der Wind. Das war die anstrengendste Runde." In Nacken und Schultern machen sich Schmerzen breit, "und der Hintern tut auch ein bisschen weh. Aber im Windschatten kann ich Gymnastik machen." Der Schrittmacher ist Thomas Pfeil – sichtlich geschafft, aber auch sehr zufrieden.
10.12 Uhr
Die vorletzte Etappe ist die Radrunde des Grünheider Triathlon. Zum dritten Mal ist die Schranke am Bahnhof Fangschleuse zu. Auf dem Rückweg hupt und winkt Postfrau Heidi Ziebarth dem unermüdlichen Radler und seiner Supporterin Doreen Ehlert zu. In der Pause gibt es eine handvoll Salzstangen.
11.35 Uhr
Es ist vollbracht. Peter Noack überquert nach 316 Kilometern und knapp zwölfeinhalb Stunden reiner Fahrzeit die mit Kreise gezogene symbolische Ziellinie, wird von seinen drei Mädels und der ALG jubelnd in Empfang genommen. "Aber jetzt ist auch genug, ich habe nicht mehr die ganz große Lust, noch weiterzufahren", sagt er lächelnd. Dann gönnt sich der 65-Jährige ein Bier und später eine Dusche, schläft sieben und in der Nacht zu Sonntag gleich nochmal gut neun Stunden. Am Montag hat er sein Fahrrad geputzt.
2021 will er einen neuen Anlauf in Südschweden wagen, wird der Grünheider Ultra-Radler, wenn es die Umstände erlauben, doch noch seine vierte Vätternseerunde in Angriff nehmen. Die Rundan daheim aber ist für ihn ein besonderes, ein einmaliges Erlebnis geworden.