Es ist ein Durchbruch für Wissenschaftler Alper Karakuzulu und seine Arbeitsgruppe unter Leitung von Dr. Andrea Malignaggi am IHP – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik. Und ein Durchbruch auf dem Gebiet der Kommunikationstechnologie. Die von den Forschern aus Frankfurt (Oder) entworfene Schaltung kann drahtlos Daten mit bis zu 200 Gigabit pro Sekunde übertragen, teilte das Institut am Dienstag (14.03.) mit. Zum Vergleich: Gängige WLAN-Router haben Datenübertragungsraten von 150 oder 300 Megabit pro Sekunde. Auf eine DVD-R passen 4,7 Gigabit, auf eine Blu-ray inzwischen bis zu 100 Gigabit.
Der bisherige Rekord aus dem Jahr 2019 habe bei rund 120 Gigabit pro Sekunde gelegen. Die Ergebnisse der neuen Entwicklung wurden, nach einer Prüfung durch Fachleute, inzwischen in einem Fachmagazin („IEEE Journal of Solid-State Circuits“) veröffentlicht. Damit sei weltweit zum ersten Mal „die generelle Machbarkeit von extrem hohen Datenübertragungen im sogenannten D-Band (Frequenzen zwischen 110 und 170 GHz) bewiesen und eine Grundvoraussetzung geschaffen, um Anwendungen für die nächste Generation der Mobilkommunikation (6G) zu realisieren“, so das IHP.
Ausgiebige Tests im Reinraum des Frankfurter IHP
An der Datenübertragung mit einem Chip im Nanometer-Bereich hat das Team lange geforscht. „Unser Entwurf wurde bis ins letzte Detail simuliert, bevor die Schaltung in die Fertigung ging“, erläutert Dr. Andrea Malignaggi. Die im Frankfurter IHP-Reinraum gefertigten Mikrochips seien anschließend ausgiebig getestet worden.
Gemessen wurde die Leistungsfähigkeit der Technologie unter anderem in der Antennenmesskammer des IHP, in der es keine ablenkende Strahlung gibt. Das Ergebnis, die Übertragung einer Datenmenge von 200 Gigabit über eine Reichweite von zunächst 15 Zentimetern, sei Basis für die Weiterentwicklung der Technologie. Jetzt geht es darum, die Daten über größere Entfernungen zu senden.
„Um für den Mobilfunkbereich 6G realisieren zu können, brauchen wir eine ganz neue Architektur. Pikozellen sind ein Beispiel dafür. Diese Funkzellen sollen sehr hohe Datenraten auf kurzer Entfernung ermöglichen, beispielsweise in Konferenzräumen oder im privaten Bereich, wenn Mobiltelefone, Fernseher oder andere Geräte miteinander vernetzt sind“, erklärt Malignaggi weiter. Die Forscher arbeiten aktuell bereits an der Weiterentwicklung der integrierten Bauelemente und Schaltungsblöcke, an der Integration weiterer Antennen sowie die Kombination mehrerer Chips zu komplexen Systemen, um die Übertragung der Daten über größere Distanzen zu ermöglichen.
IHP an zwei bedeutenden Forschungsprojekten zu 6G beteiligt
Seine Expertise bringt das IHP nach Angaben von Pressesprecherin Franziska Wegner derzeit in zwei bedeutenden Forschungsprojekten im Bereich der 6G-Entwicklung ein: Das EU-Projekt „Open6GHub – 6G für Mensch, Umwelt & Gesellschaft“ soll Beiträge zu einem globalen 6G-Standard liefern. Und das „6G Research and Innovation Cluster“, kurz 6G-RIC, ist ein Forschungszentrum, das die wissenschaftlichen und technischen Grundlagen für 6G auf allen Technologieebenen schaffen soll – vom Funkzugang bis hin zu Glasfasertransportnetzen. „Das IHP liefert mit seiner Forschung somit einen wichtigen Beitrag, um die technologische Souveränität sowie die Position Deutschlands und Europas im internationalen Wettbewerb um 6G zu stärken“, heißt es in der Pressemitteilung weiter.
Das IHP arbeitet unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft. In der Forschungseinrichtung im Technologiepark in Markendorf-Siedlung, einem Ortsteil von Frankfurt (Oder), arbeiten mehr als 350 Beschäftigte. Der 1500 Quadratmeter große Reinraum – der erst 2021 erweitert worden war – ermöglicht Grundlagenforschung zu Höchstfrequenz-Schaltkreisen. Zugleich werden innovative Anwendungen entwickelt in den Bereichen drahtlose und Breitbandkommunikation, Sicherheit, Medizintechnik, Industrie 4.0., Mobilität und Raumfahrt.